Der Ruf nach einer Aufarbeitung der Pandemie-Maßnahmen war groß. Aufarbeitung beinhaltet das Benennen und Einräumen von Fehlern sowie die Klärung der Verantwortlichkeiten. Auch das Verhalten, Auftreten und Äußerungen, die öffentlich oder privat getätigt wurden, müssen hinterfragt werden. Entstandenes Unrecht gilt es – soweit möglich – wieder gutzumachen. Es müssen aus alledem Konsequenzen gezogen werden. Ämter sind neu zu besetzen und strukturelle Probleme zu beheben.
Teile aus Gesellschaft, Fachgesellschaften, Wissenschaftler und sogar den Medien forderten eine Aufarbeitung ein. Passiert ist nichts! Rein gar nichts. Die Aufarbeitung blieb bisher einfach aus. Wie das Kind eines katholischen Priesters wird sie verschwiegen, ignoriert und nicht angesprochen. In der Sprache der wunderbaren Zauberwelt von Harry Potter gibt es das Phänomen des Unsagbaren auch. „Der, dessen Namen nicht genannt werden darf“, wird der böse Zauberer dort umständlich umschrieben. Alles nur, um seinen Namen nicht aussprechen zu müssen. Und doch – alle Kinder und Erwachsenen kennen den Namen: Voldemort. Die Bedeutung des Namens stammt aus dem Französischen und bedeutet so viel wie „Diebstahl des Todes“. Die Geschichte würde nun zu weit führen. Letztendlich versucht der böse Zauberer, dem Tod zu entkommen. Hierzulande hat es den Anschein, als wolle man einer Aufarbeitung entkommen.
Wenige sind an einer Aufarbeitung interessiert
Besonders zurückhaltend geben sich die Teile der Gesellschaft, die maßgeblich an den drastischen Maßnahmen beteiligt waren. Allen voran die Politik. Eine Auswertung der Pandemie-Maßnahmen ist politisch nicht gewollt. Viele Entscheidungsträger sind noch im Amt. Nicht nur in der Bundespolitik. Diese Verweigerungshaltung wird kollektiv betrieben. Sie geht tief hinunter bis in die Kommunalpolitik und in die Verwaltungsstuben hinein. Denn auch dort wurden den Ungeimpften völlig unsinnige und menschenverachtende Maßnahmen auferlegt.
Der politische Druck, der von oben kam, war enorm. In Bayern duldete die bayerische Staatskanzlei weder Kritik noch ein Abweichen vom Kurs. Bis auf kommunale Ebene hinunter griff Markus Söder, wenn es ein Abweichler wagte, Kritik zu üben, durchaus persönlich ein. Das zeigte Wirkung.
Verheerende Wirkung. Niemand wagte es mehr, das Wort zu erheben. Kritik, das Element jeder Demokratie, jeden Fortschritts wurde sofort brachial unterbunden. Die Abnicker und Ja-Sager ernteten in den Behörden die Lorbeeren. Mit Beförderungen, Ämtervergaben und Auszeichnungen wurde und wird nun den Hilfssheriffs gedankt. Wer möchte sich diese angenehme berufliche Situation durch Aufarbeitung noch verspielen? Von einem kollektiven Schweigen profitieren somit viele.
Experten und Institutionen verweigern sich
Auch beratende Experten wie Christian Drosten, Melanie Brinkmann, Dirk Brockmann und Fachgremien wie die Leopoldiner, der Deutsche Ethikrat, das RKI, die Stiko und das PEI verweigern einen offenen Umgang und Diskurs zum Wohle einer Aufarbeitung. Einige der Genannten forderten sogar eine „Zero-Covid-Strategie“. Rückblickend gilt diese Strategie als besonders unsinnig, weil sie nicht erfolgreich sein kann.
Dies wirft ein schlechtes Bild auf Wissenschaftler, die dieses Modell forderten. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass beispielsweise Frau Brinkmann gänzlich von der öffentlichen Bildfläche verschwunden ist. Zu peinlich dürften ihre Aussagen und Forderungen für sie persönlich und beruflich sein. Zur Aufarbeitung gehört es, dass sie mit ihren eigenen Aussagen konfrontiert wird. Mit ein wenig Anstand sollte es ihr auch möglich sein, darauf einzugehen.
Die Demokratie leidet – viele Berufsgruppen machten mit
Die Verweigerung einer Aufarbeitung ist auch schlecht für die Demokratie. Eine ausbleibende Aufarbeitung wird die Spaltung der Gesellschaft aufrechterhalten. Sehr besorgniserregend ist, wie viel Vertrauen in Politik, Medizin und Wissenschaft verloren gegangen ist. Es ist zu befürchten, dass bei einer nächsten Pandemie die völlige Ablehnung von Maßnahmen erfolgt – selbst dann, wenn diese eines Tages angemessen wären.
Doch weshalb verweigern sich so viele einer Aufarbeitung? Verweigern am Ende gerade diejenigen eine Aufarbeitung, die zu dem ganzen Dilemma beitrugen? Wer traf die Entscheidungen? Es waren Politiker und sogenannte Fachexperten. Klar ist, es gäbe wirklich viel aufzuarbeiten.
Unsinnige Ausgangsverbote, Ausgrenzung durch 2G, Impfdruck, Impfpflicht, schwindelerregende Modelle, die uns glauben machen sollten, dass wir in sehr großer Lebensgefahr schwebten. Gelder in irrsinniger Höhe wurden ausgegeben. Krankenhäuser labten sich an Prämien, Privatpersonen gründeten unbürokratisch Testzentren und verdienten horrende Summen. Steuergelder wurden vom Staat derart schnell verteilt, dass einem schwindelig werden konnte. War das alles notwendig? Nein. Aber wo bleibt die Aufarbeitung? Sie wird gar nicht erst erwähnt. Weshalb? Nun, viele haben der Pandemie viel Positives für sich persönlich oder beruflich abgewinnen können. Viele Lehrer hatten während Corona eine schöne Zeit. Homeschooling konnte endlich bequem in der Jogginghose erledigt werden. Nervige Autoanfahrten an die Schule blieben aus. Elterngespräche konnten schneller mit Verweis auf den Infektionsschutz abgesagt werden. Für manche Lehrer eine herrliche Zeit.
Warum begehren die Gastronomen nicht auf und fordern eine Aufarbeitung? Litten sie doch stark unter den Beschränkungen des öffentlichen Lebens. Viele haben ihre berufliche Existenz verloren. Einige aber haben auch profitieren können. In München erhielten viele Restaurants, Cafés und Bars neue Außenbereiche. Die Schanigärten. Parkfläche zur Freischankfläche umzugestalten, war vor der Pandemie kaum vorstellbar, stellt jedoch eine lukrative Möglichkeit für die Gastronomie dar. Nun haben die Verantwortlichen der Stadt München beschlossen, dass die Schanigärten, die sich in der Pandemie etablierten, eine feste Einrichtung werden. Dafür ist eine Genehmigung notwendig. Die Gewerbetreibenden werden es sich mit den Behörden nicht verspielen wollen.
Was war mit den Medien? Die Mainstream-Medien waren präsent. Sie waren das Sprachrohr für Angst- und Panikmache. Sie waren bei Diffamierungen, hetzerischen Aussagen und der Verbreitung der politischen Ansagen ganz vorn dabei. Viele Journalisten wurden von Ministerien bezahlt, wie nun bekannt wurde. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird durch die öffentliche Hand finanziert.
Dies war deutlich zu bemerken. Kaum eine Talkshow lud Personen mit kritischem Blick auf die Maßnahmen ein. Die Bühne wurde den Politikern und deren Experten dargeboten. Karl Lauterbach nahm Einzug in die Wohnzimmer und konnte seine Botschaften zu den besten Sendezeiten verbreiten. Durch Wiederholung werden Aussagen glaubhafter. Dieses Phänomen kennen die Politik und die Werbeindustrie. Und genau das geschah während der Pandemie. Vieles, was anfänglich völlig absurd anmutete, wurde durch ständiges Wiederholen für wahr und richtig empfunden.
Wenn die Wiederholung auf Unsicherheit beim Adressaten trifft, dann wirkt der Wahrheitseffekt noch stärker. Die Medien, die dieses Spiel mitmachten oder gezielt betrieben, haben nicht nur versagt, sondern haben ihre Seriosität verloren. Etablierte Zeitungen fingen an, reißerische Artikel zu veröffentlichen, Personen offen zu diffamieren und in die „rechte Ecke“ zu stellen. Es verwundert, dass der Presserat diese Berichterstattung ohne Konsequenzen laufen ließ. Denn es gibt ethische Standards für Journalisten, die in der Pandemie abhanden kamen. Der Pressekodex legt die Richtlinien für Journalisten fest. Hierin findet man Regelungen zur Vermeidung von Diskriminierung, Sensationsberichterstattung, ordnungsgemäßen Medizin-Bericht-Erstattung oder der Wahrung der Unschuldsvermutung.
Warum wird der Pressekodex nicht ernst genommen? Die Medien genossen Narrenfreiheit und gerieten in einen richtigen Diffamierungsrausch. Zur Diskriminierung der Ungeimpften trugen große Teile der Medienlandschaft maßgeblich bei und hielten diese über lange Zeit am Leben. Die sogenannten alternativen Medien, die sich trauten, Kritik zu äußern, erhielten allesamt einen rechten Stempel. So einfach hat man es sich gemacht. Ohne Konsequenzen.
Wo bleibt der Aufschrei der Judikative? Von Richterinnen und Richtern, die sich kritisch mit Maßnahmen, Verordnungen und Einzelschicksalen auseinandersetzen, war kaum etwas zu vernehmen. Die massiven Eingriffe in die Versammlungsfreiheit hätten nicht passieren dürfen. Hier hätte die Richterschaft ein Korrektiv bieten müssen. Was aber mit Richtern passierte, wenn sie sich trauten, gegen die damalige Stimmungslage zu entscheiden, wurde öffentlich zur Schau gestellt.
Die Ermittlungsbehörden ahndeten Verstöße gegen die Maßnahmenverordnungen in hoher Zahl. Aussagen von Kritikern wurden auf den Tatbestand der Volksverhetzung geprüft, Ermittlungsverfahren eingeleitet und Hausdurchsuchungen durchgeführt. Früher undenkbar. In der Pandemie sanken die Hürden. Kritiker wurden an den öffentlichen Pranger gestellt. Einen solchen Stempel werden die Betroffenen nur schwer los. Die persönlichen Einbußen und der Vertrauensverlust in die Behörden wiegen schwer.
Bußgelder, die für bestimmte Verstöße gegen die bayerischen Corona-Ausgangsbeschränkungen im Frühjahr 2020 verhängt wurden, müssen nun zurückgezahlt werden. So will es das Bundesverwaltungsgericht. Die verantwortlichen Behörden haben auch diesen Fehler ausgesessen, ohne Konsequenzen in den eignen Reihen zu ziehen. Viele sind gegen die Bußgelder mittels Einspruch vorgegangen und haben daraufhin eine gerichtliche Entscheidung kassieren müssen. Auch dies muss nun rückabgewickelt werden. Wie es so weit kommen konnte, sollten die verantwortlichen Politiker, Beamte, Ermittlungsbehörden und Gerichte durch eine Aufarbeitung klären.
Schwere Zeiten für Daten
In der gesamten Zeit der Pandemie konnten keine exakten Sterblichkeitszahlen generiert werden. Weshalb nicht? War das so schwer? Wohl kaum. Es muss klar sein, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik und die Institutionen massiv leidet, wenn man mit wenig guten und aussagekräftigen Zahlen grundrechtseinschränkende Maßnahmen vollzieht. Die Inzidenzwerte waren freihändig gestrickt. Ob mit oder an Corona verstorben, konnte bis zum Ende der Pandemie nicht unterschieden werden. Im Laufe der Pandemiejahre wurden die Todeszahlen und Infektionszahlen einfach Jahr für Jahr aufsummiert.
Mit der neuartigen Impfung gegen Covid begann das große Dilemma. Man glaubte einen Ausweg aus der Pandemie gefunden zu haben. Zu irrsinnigen Preisen und völlig inakzeptablen Vertragsbedingungen sicherte sich Deutschland in überdimensionalen Mengen diesen Impfstoff. Er musste natürlich auch verimpft werden. Auch das beschleunigte Zulassungsverfahren dieser Impfung wirft Fragen auf. Und wieder begannen die Lügen der Politiker und Experten. Die Impfung sei der Ausweg aus der Pandemie. Wenn jeder ein Impfangebot hätte, dann könne man alles wieder öffnen. Die Impfung schütze vor Ansteckung und Erkrankung. Nichts davon entsprach der Wahrheit.
Eine Redakteurin twitterte, dass sich Jesus impfen lassen würde. Der Tweet wurde von ihr gelöscht. Immerhin. Dennoch zeigt dieses Beispiel sehr gut, mit welch fragwürdigen Methoden die Impfung an und unter die Bevölkerung gebracht werden sollte. Pro Impfung war alles zu sagen erlaubt. Gegen die Impfung durfte das Wort in keiner Weise erhoben werden. Die Think-Tanks der Politik und der Pharmaindustrie haben sehr gute Arbeit geleistet. Politiker, Experten und Prominente wiederholten mantraartig zu den besten Sendezeiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Wichtigkeit und Harmlosigkeit der neuartigen Impfung.
Kritik war nicht erwünscht. Doch gerade auf diese hätte man hören sollen. Denn dass die Impfung alles andere als nebenwirkungsfrei ist, ist bekannt und hat großes Leid verursacht. Weshalb Politiker derartige Unwahrheiten konsequenzlos verbreiten konnten und weshalb Kritiker, die Recht behielten, so gnadenlos von den Behörden oder ihren Berufskammern verfolgt worden sind, sollte dringend aufgearbeitet werden.
Dr. med. Friedrich Pürner, MPH
Facharzt Öffentliches Gesundheitswesen und Epidemiologe
Teil 2 folgt am Montag, den 26. Juni 2023