Wenn alles Familie ist, ist nichts mehr Familie. Das ist die Essenz der „größten familienrechtlichen Reform der letzten Jahrzehnte“, die der Justizminister Marco Buschmann (FDP) angekündigt hat. „Die Vielfalt des familiären Zusammenlebens“ sei größer geworden, meint der Minister mit Blick auf „Trennungs-, Regenbogen-, Patchworkfamilien und andere Formen des Zusammenlebens“. Man wolle „diese Familienkonstellationen besser schützen“ und rechtlich anerkennen, ergänzt der Queerbeauftragte, Sven Lehmann (Grüne).
Der „Ehe für alle“ müsse die „Familie für alle“ folgen. Ein „normales Familienmodell“ gebe es ohnehin nicht mehr, behauptet Lehmann. Familie sei so bunt wie das Leben. Dem widerspricht eine aktuelle INSA-Umfrage deutlich. Die Vater-Mutter-Kind-Familie in einer Ehe sei das am häufigsten praktizierte und angestrebte Modell.
Eine Ausnahme ist das Fantasy-Genre. Hier überwiegen die auf die Familie projizierten Sehnsüchte. Der Twilight-Vampir hält romantische Ideale wie starke Familienbande und kein Sex vor der Ehe hoch, während den schwärmenden Mädchen im Kinosessel das Verhütungsmittel durch die Blutbahn zirkuliert. Bei Harry Potter heiraten die Figuren ihre Jugendliebe, bleiben zusammen und schicken ihre Kinder auf dieselbe Schule, auf die sie selbst einst gegangen sind.
„Familie für alle“-Motive sind im Fantasy-Film eher selten. Und wenn das Gerücht aufkommt, dass Elsa aus dem Film Frozen lesbisch werden soll, gibt es Protest: die heile Welt bitte nicht kaputtmachen! Political Correctness hin oder her – was heil und was kaputt ist, das ist jedem Kind, das ist allen Eltern und das ist auch queeren Disney-Produzenten klar, denn das Gefühl für Familie ist uns Menschen trotz aller Brüche in die Seele gelegt. Wenigstens im Märchen soll es ein Happy End geben.
Während „Familie für alle“ als neues Ideal in den fantastischen Welten noch Anlaufschwierigkeiten hat, läuft die Dekonstruktion von Familie in den verfilmten Alltags- und Krimiwelten auf Hochtouren. Laut einer Studie des Grimme-Instituts zu Familienbildern im Fernsehen dominiert das Bild der Alleinerziehenden, also einer kaputten Elternbeziehung. In vielen Fernsehserien lebt der Plot geradezu von fragilen Beziehungskisten.
Die monogame Ehe, aus der Kinder hervorgehen, taugt nicht als Daily Soap. Besser verkauft sich die als Suche nach der großen Liebe getarnte Promiskuität. Grey’s Anatomy erzählt in mittlerweile 18 Staffeln, wer mit wem im Bett landet. Beziehungen, die auch mal halten, tauchen, wenn überhaupt, als belächelte Pärchen auf. Ohne Dates und aufregendes Party- und Liebesleben fristen sie ihr häusliches Dasein und werden in skurriler Symbiose vorgeführt wie etwa Marshal und Lilly aus How I met your Mother, oder Carla und Turk in Scrubs.
Die Serien bilden die Lebensrealität fluktuativer Beziehungen überspitzt ab und die komprimierten Bilder wirken zurück ins junge Publikum. Sie bestätigen bestehende Normen. Penetrante Botschaften beschleunigen gewisse Tendenzen aber auch. Über ein hohes Identifikationspotential solcher Figuren wie Barney Stinson (How I met your Mother), der jeden Abend eine andere Frau und ein extra dafür angemietetes Apartment hat, entwickeln sich neue moralische Standards unter Heranwachsenden, und zwar in der breiten Masse.
LGBT-Werbung, die im Kinofilm noch auffällt, ist im Fernsehen Standard. Der Zuschauer hat sich an die Zerrbilder gewöhnt, die in dieser Dichte die Realität übertreffen und offenkundig queeren Lebensentwürfen huldigen. Figuren aus dem LGBT-Spektrum sind die Sympathieträger. In Grey’s Anatomy entwickelt sich die Figur Callie Torres analog zum Zeitgeist. Ihrer Scheidung folgen wechselnde Beziehungen zu Männern, dann das Verhältnis mit einer Frau. Bei einem Hetero-Ausrutscher wird sie schwanger, aber sie findet zu ihrer lesbischen Freundin zurück. Gekrönt wird das Hin und her in einer happy Patchwork-Familie, bestehend aus dem lesbischen Pärchen, dem Baby und dem leiblichen Vater. Der Vater stirbt und die Beziehung der Frauen zerbricht. In der Serie ist immer Drama, immer wieder neue Beziehungen und liebenswürdige schwule Paare.
Dem Zuschauer, der die Promi-News verfolgt, bieten sich bei der sexuellen Orientierung der Schauspieler Parallelen zur Fiktion. Sara Ramirez, die Callie Torres spielt, hält mit dem Wording der LGBT-Szene exakt mit: 2016 outet sie sich als bisexuell, 2020 bezeichnet sie sich als nonbinär, und seit 2021 will sie nur noch mit dem genderneutralen Pronomen they angesprochen werden. In den sozialen Medien wird alles kommentiert und bewertet. Je weiter die Stars von der heterosexuellen Norm abweichen, umso größer der Applaus und Respekt für den „mutigen Schritt“. Ellen Page, die jetzt Elliot genannt werden will, hat sich an die Spitze der Avantgarde katapultiert. Das entfaltet seine Wirkung im jugendlichen Publikum. Sich als trans zu outen, macht einen zur Queen of Queerness in der schulischen Peergroup.
Das Ganze nimmt religiöse Züge an und stößt immer mehr Menschen bitter auf. Netflix hat sich der LGBT-Agenda verschrieben und im ersten Quartal 2022 ganze 200.000 Abonnenten verloren. Elon Musk twittert, was viele denken: “The woke mind virus is making Netflix unwatchable”, und: “It´s a world without humor”. Wer zahlt noch Abo-Gebühren für die humorbefreite Propaganda-Show?
Kinder sind nicht in der Lage, Medien reflektiert zu konsumieren, doch gerade an sie richten sich unter dem Vorwand des Bildungsauftrags indoktrinierende Inhalte. Ein Gastbeitrag von Wissenschaftlern „Wie ARD und ZDF Kinder sexualisieren und umerziehen“ in der Welt sorgt dieser Tage mächtig für Furore.
Das erinnert an die Sexualpädagogik der Vielfalt. Kinderlose LGBT-Aktivisten zieht es mit ihrer perversen Botschaft wie magisch in die Kindergärten und Schulen. Sie trachten nach den heilen Kinderseelen. Angeblich habe man die pädagogische Absicht, Kinder zur Akzeptanz von vielfältigen Lebens- und Liebesweisen zu erziehen. Man wolle schon die Jüngsten dafür sensibilisieren, dass es neben der Ehe zwischen Mann und Frau auch noch andere, aber gleich wertvolle Beziehungsformen gebe. Eine Farce! Wer Kindern beibringen will, dass jeder Mensch gleich wertvoll ist, muss nicht das Intime ausleuchten. Warum will man Kindern die sexuellen Kombinationsmöglichkeiten zwischen Männern und Frauen aufzeigen? Warum sollen sie Transgender-Operationen als Weg ins Glück kennen lernen? Warum sollen sie es normal finden, dass man angeblich auch zwei Mütter oder Väter haben kann?
Das Überangebot an kaputten Familien und sexueller Vielfalt ist nicht allein dem Druck der Queer-Lobby geschuldet, sondern auch Indikator dafür, was Medienschaffende innerlich antreibt. Was in einem rumort, sei es die sexuelle Neigung oder die brüchige Biografie, das artikuliert sich im Kreativen, ohne dass eine ideologische Absicht dahinter stehen muss. Man spürt die wunden Punkte.
Große Produzenten müssen finanziell erfolgreich sein, und den Geschmack der Masse treffen: Sex sells statt Unsere kleine Farm. Das Überzeichnete ist interessanter als das Alltägliche. Angesichts absurder Beziehungskonstellationen kommt sich die gewöhnliche Patchworkfamilie auf der Fernseh-Couch vermutlich recht bieder vor, und sexuell verklemmt derjenige, der nur ein paar Ex-Beziehungen und Tinder-Dates in seiner Vita stehen hat.
Eine Ausnahme ist das öffentlich-rechtlich Produzierte: Dem finanziellen Erfolg nicht verpflichtet, kann man der guten Absicht frönen, zur „offenen Gesellschaft“ beitragen und die Akzeptanz fördern. Das merkt man den plumpen Plots auch an. Die Serie Becoming Charlie ist zum Bersten voll mit queerer Diversität. Da wird die nonbinäre Hauptfigur aus heiterem Himmel gefragt, welches Pronomen sie benutze, als gehörten exotische Gender-Diskurse im migrantischen Milieu Offenbacher Plattensiedlungen, wo die Serie spielt, zum Repertoire.
In ÖRR-Sendungen für die Allerjüngsten gibt es Queer-Propaganda mit dem Vorschlaghammer: Da sitzen die Moderatoren von der Sendung mit der Maus inmitten von Regenbogenfahnen und erzählen, wie toll Transgender ist und besuchen einen ehemals obdachlosen Mann, der jetzt eine superglückliche im Leben angekommene Transfrau ist. Die Kindernachrichten logo! führen ein 12-jähriges Mädchen vor, das sich als Junge definiert und Pubertätsblocker spritzt. Die Beispiele ließen sich fortsetzen.
„Leihmutter- und Mehrelternschaft: Es ist Zeit für die Familie für alle“, forderte unverblümt der Deutschlandfunk Kultur. Das schwule Paar spürt, dass zu ihrer familiären Vollständigkeit noch ein Kind gehört. Doch es ist kein Geschenk ihrer Liebe, sondern das Produkt einer Eizellspende in einer fremden Gebärmutter, eine gekaufte Ware. Das Künstliche wird ausgeblendet. Man will nicht nur ein Kind zum Vorzeigen beim Spazierengehen, sondern dem Machbarkeitsgedanken von „Familie für alle“ liegt die Sehnsucht nach dem natürlichen Familien-Dreiklang zugrunde.
Verachtung und Sehnsucht sind ein Widerspruch, den die Familie-für-alle-Apologeten nicht auflösen können, selbst wenn alle Benachteiligung aus der Welt geschafft ist. Ihre Enttäuschung nährt sich am inneren Abgleich mit dem Ideal, der die homosexuelle Beziehung und das gekaufte Baby nicht über die Imitation von Familie hinauskommen lässt. Egal, wie viel Regenbogen-Idylle in die Gesetze einfließt, echte Zufriedenheit mag sich nicht einstellen. Egal, wie sehr Familie in Shows und Serien zum Randphänomen degradiert wird, das Gefühl diskriminiert zu werden, hört nie auf. Es scheint, als gewinne das geschmähte Ideal durch die vergebliche Nivellierung geradezu an Strahlkraft. Denn der größte Trigger sitzt in der eigenen Psyche.
Dr. Martin Voigt, Jahrgang 1984, ist Jugendforscher und Publizist. Er studierte in München Germanistik und Soziologie. Für die Bundespolizei initiierte er ein Präventionsprojekt, das auf seiner Forschung zur Identitätsentwicklung in den sozialen Medien basiert. Als Buch ist 2015 erschienen: „Mädchen im Netz. Süß, sexy, immer online“ Springer Spektrum.