Mit dem Ende des Bundestagswahlkampfes und der augenblicklichen Hängepartie um die Formierung einer Jamaika-Regierung sind auch die Bundeswehr und ihre Ministerin aus der veröffentlichten Meinung verschwunden. Nahezu keine skandalisierten Schlagzeilen mehr, aber auch keine tieferen Diskussionen, was verteidigungspolitisch in der nächsten Legislaturperiode Vorrang haben sollte oder welche Voraussetzungen die politiische Führung des Verteidigungsministeriums inklusive der Staatsekretäre mitbringen sollte. Von der Zuweisung der Sitze im Verteidigungsausschuß in den Fraktionen des Parlamentes, das die Armee sein Eigen nennt, ganz zu schweigen.
Damit steht zu befürchten, dass das zweite Außenministerium wieder jemandem anheim fällt, dessen fachliche Erfahrung ein Spatz auf dem Schwanz wegträgt. Mit diesem Bild hat einst Generaloberst Rudolf Schmidt seinem Oberbefehlshaber Adolf Hitler geantwortet, als dieser sich abfällig über die Generalität und ihre mangelnde Kriegserfahrung aus dem I. Weltkrieg geäußert hatte. Ohnehin ist Rudolf Schmidt ein weiteres Gegenbild zum vielfach verbreiteten Stereotyp des preußisch-deutschen Wehrmachtsoffiziers. In der nationalsozialistischen Diktatur kostete ihn das die Karriere, bewahrte ihn wohl auch vor größerer Schuld, aber nicht davor, von den Sowjets als Kriegsverbrecher behandelt zu werden.
Diese Verbindung zwischen dem Diktator und der Frage der Besetzung des Verteidigungsministers im heutigen Deutschland ist keine Provokation, sondern die Quintessenz dessen, was die Verantwortung der politischen Führung in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Militär aber auch der äußeren Sicherheit des Landes ausmacht, wenn auch hier die vielfach beschworenen Lehren aus der Geschichte gezogen werden sollen. Es geht um Vertrauen in die Kompetenz derjenigen, die politisch die Existenz des deutschen demokratischen Staatswesens zu verantworten haben und während im eigenen Land Frieden herrscht, Soldaten der Herausforderung aussetzen, zu töten und getötet zu werden.
Aber gerade mit Blick auf die sicherheitspolitische Bedeutung Deutschlands und seiner Interessen als Exportweltmeister ohne einheimische Rohstoffe, muss ein anderes Verständnis in die Politik einziehen, wie herausragende Schlüsselpositionen in einer Regierung und Parlament zu besetzen sind. Dazu verpflichtet auch das vieldiskutierte und gern im Munde geführte Konzept der Inneren Führung für die Streitkräfte. Es ist eine Bringschuld des Dienstherrn, d.h. des Parlamentes und der Regierung, statt innerparteilichem Quoten-und Karrieredenken, die fachpolitische Qualifikation als Kernpunkt zu betrachten. Welcher Innenminister ist nicht Jurist? Welcher Finanzminister hat noch nie vorher in einem Finanzausschuß gesessen?
Dabei sei die charakterliche Eignung zur Menschenführung noch nicht einmal so hoch aufgehängt, wie es ansonsten der Bericht des Wehrbeauftragten oder die Presse oder die politisch Verantwortlichen bei vermeintlichen oder wirklichen Verstößen gegen die Menschenwürde bei der Truppe in und nach Dienst tun. Ein Typ der seine Mitarbeiter bei Wutattacken mit Akten bewirft, wie es dem ehemaligen Innenminister Otto Schily nachgesagt wird, würde als Soldat wohl kaum geduldet werden. Dass der ehemalige Verteidigungsminister Rühe auch als „Volker Rüpel“ bekannt wurde, sei hier nur der Ausgewogenheit wegen erwähnt.
In Deutschland kann davon nicht die Rede sein. Besonders seit die kriegsgediente Generation der Minister wie Strauß, Schmidt oder Leber ergänzt um andere Minister und Parlamentarier mit gleichen Erfahrungen abgetreten sind. Ein Mann wie Manfred Wörner ist heute ebenfalls nicht in Sicht – auch nicht als Frau. Dabei lohnt es sich, die Diskussionen dieser Generation im Bundestagsausschuß zur Wiederbewaffnung zu betrachten. Hier wird deutlich, mit wie viel politischer aber auch militärischer Kompetenz der heute noch beliebte Ansatz einer Europaarmee diskutiert wurde – inklusive militärkultureller Aspekte. Dass die Redakteure des Spiegels sich der gerade erfolgten Fertigstellung der zentralen Führungsvorschrift des Heeres widmen würden, so wie ihre Vorgänger das im Jahre 1970 mit der „Tante Frieda“, der Vorschrift zur Truppenführung (TF) getan haben, scheint heute ausgeschlossen. Lieber berichtet man über Haar-, Bart- und Tätowierungsvorschriften. So fällt das, was heute zur Bundeswehr nach außen dringt oder sporadisch in der öffentlichen Diskussion geboten wird, deutlich ab. Leider auch deshalb, weil aktive Soldaten sich kaum zu Wort melden bzw. zu Wort melden können. Das allgemeine Interresse an der Bundeswehr scheint doch sehr begrenzt. Und eine eigene sicherheits- oder gar militärpolitische Rubrik in den Medien, die auch das Finden relevanter Informationen erleichtern würde, gibt es faktisch nicht. Damit herrscht auch jetzt wieder die Ruhe vor dem nächsten zu entfesselnden Entrüstungssturm über skandalträchtiges Fehlverhalten einzelner.
Hodges: „Wissen Sie, als die Bundeskanzlerin sagte, die Zeiten, in denen die Deutschen sich auf andere verlassen könnten, seien vorbei, hat mich das durchaus getroffen, und ich habe mich gefragt, ob sie das tatsächlich ernst gemeint hat. Aber ich akzeptiere, dass Politiker unterschiedliche Zielgruppen unterschiedlich ansprechen müssen. Ich kann nur sagen: Beurteilen Sie uns nach dem, was wir tun, nicht nach dem, was der Präsident twittert.“
In Deutschland wären solche Sätze selbst für einen ausscheidenden General außergewöhnlich. Hodges hat noch ein Jahr und kann dann vielleicht das erreichen, wofür sich auch das nun im Zentrum des nordeuropäischen NATO-Territoriums liegende Deutschland einsetzen könnte.
Hodges: „Ich hätte gerne mehr Fortschritte gemacht, um einen militärischen Schengen-Raum in Europa zu schaffen. Es ist für die Nato von großer Wichtigkeit, dass wir die Bewegungsfreiheit für militärische Operationen innerhalb Europas verbessern, um Einheiten schneller verlegen und an ihre Einsatzorte bringen zu können. Ich habe immer wieder versucht, den politisch Verantwortlichen zu erklären, warum das so wichtig ist und dass größere Flexibilität in dieser Hinsicht auch die politischen Optionen erweitert. Aber vielleicht bin ich nicht überzeugend genug gewesen.“
Während in den Niederlanden erst kürzlich der Rücktritt der Verteidigungsminsterin folgte, weil sie die Verantwortung für den Tod zweier Soldaten und einen Schwerverletzten bei einer Explosion in Mali übernahm, steht das nach dem Tod zweier Tigerpiloten in Mali in Deutschland nicht zur Debatte. Dabei würde dieser tragische Tod vor dem Hintergrund der langen Liste rüstungspolitischer Fehlschläge und dem Bericht in der Zeitung Die Welt, dass der Einsatz des Tigers eine politische Entscheidung gegen den ausdrücklichen Rat der Militärs gewesen sei, eine tiefere Betrachtung lohnen. Das niederländische Beispiel liest sich dagegen wie die erstbeste Gelegenheit, diesem Amt zu entfliehen. Dort heißt es, dass eine Untersuchungskommission das Ministerium für den Unfall verantwortlich gemacht habe, wonnach die explodierte Munition schadhaft, nicht geprüft und in Mali nicht sachgemäß gelagert worden war.
Dazu sei abschließend angeführt, dass nach der in 2016 bei der Münchner Sicherheitskonferenz durch den Bundespräsidenten und die Verteidigungsminsterin betonten größeren militärischen Verantwortung Deutschlands in der Welt, Frau von der Leyen 2017 folgendes mit Blick auf den Krieg in Syrien betonte: „Wir bilden über 100 Berufe aus: vom Elektriker bis zum Feuerwehrmann“. Mit „wir“ meinte sie die Bundeswehr, die nun syrische Flüchtlinge für den Wiederaufbau des Landes vorbereiten könne. Nicht nur angesichts der aktuellen militärischen Herausforderungen dort, war das sicher nicht das, was die Anwesenden von einer deutschen Verteidigungsministerin erwartet hatten, wenn allgemeinere Betrachtungen mit konkreten Maßnahmen verdeutlicht werden sollen. Vor dem persönlichen Erfahrungshintergrund der Ministerin aber auch den deutschen historischen wie zeitgeistigen Wirkungsfaktoren in Gesellschaft und Politik sind solche Schwerpunktsetzungen jedoch nicht überraschend.
So ist zu hoffen, dass in Konkurrenz zu vielen anderen Themen, die verteidigungspolitischen Antworten einer zukünftigen Bundesregierung inhaltlich wie personell eine größere Nähe zu den nachhaltig wirkenden, praktischen Problemen der militärischen Sicherheitsvorsorge und Krisenbewältigung erfahren.
Dr. Jan Hoffmann ist Mitbegründer der WerteUnion in der CDU und Mitglied im Landesvorstand der WerteUnion NRW. Er ist seit fast dreißig Jahren Soldat. Derzeitiger Dienstgrad Oberstleutnant.