Im Schatten des bekannten Falls Asia Bibi, die unter dem Vorwurf der Gotteslästerung acht Jahre lang in einer pakistanischen Todeszelle saß, leiden weltweit noch viel mehr Menschen unter Einschränkung der Meinungsfreiheit durch sogenannte Blasphemie-Gesetze.
Zur Erinnerung: Im Wesentlichen war es ein Satz, der Asia Bibi in die missliche Lage brachte: „Ich glaube an meine Religion und an Jesus Christus, der für die Sünden der Menschheit am Kreuz gestorben ist.“ Mehrere hundert Männer, Frauen und Kinder sitzen oder saßen seit Ausweitung der entsprechenden Gesetze Mitte der 80er Jahre in Pakistan hinter Gittern, weil ihnen die Beleidigung der islamischen Religion zur Last gelegt wurde oder wird. Schwerwiegend ist besonders der Vorwurf der Beleidigung des islamischen Propheten Mohammed, für den laut Paragraph 295 C im Strafgesetzbuch die Kapitalstrafe zu verhängen ist.
Texte bei Facebook werden zum Aufhänger
Auch wenn sie, wie Patras, weder lesen noch schreiben können, nutzen junge Leute aus armen christlichen Familien in Pakistan gerne Kurznachrichtendienste und soziale Netzwerke zum Austausch von Fotos und Piktogrammen. Wer ihnen etwas Böses tun möchte, kann ihnen dort leicht etwas unterschieben, so wie es Patras geschehen ist. Menschenrechtler sprechen von Cyber-Blasphemie-Fällen. Vor zwei Jahren kam es in Pakistan sogar zu Entführungen von Bloggern, die sich für Menschen- und insbesondere Minderheitenrechte stark gemacht hatten. Eine islamistische Gruppe zeigte sie, während sie noch vermisst waren, wegen Cyber-Blasphemie an.
Diese Bestrebungen werden weltweit unterstützt. Am vergangenen Freitag forderte etwa der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu nach dem Anschlag in Christchurch, „Hasssprache“, die sich gegen Muslime richte, dürfe nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt sein.
Die christliche Hilfsorganisation „Barnabas Fund“ aus Großbritannien kritisiert die europaweit gültige Vereinbarung, der zufolge Betreiber sozialer Netzwerke binnen 24 Stunden Einträge zu löschen haben, die private Organisationen für Hassrede halten, die Beleidigungen gegen Religionen mit einschließt. Unter den in Islamabad versammelten muslimischen Repräsentanten war auch die Palästinensische Autonomiebehörde vertreten, die am 11. Juli 2017 ein Verbot von sogenannter „Hassrede im Internet“ erließ und diese mit Gefängnisstrafen zu ahnden sucht. Schon ein „Like“ auf Facebook kann einen Internetnutzer demnach hinter Gittern bringen, selbst wenn der tatsächliche „Tatort“ im Ausland liegt.
Nicht nur Christen geraten ins Visier
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte in Frankfurt setzt sich seit vorigem Jahr für die Freilassung des evangelischen Pastors Abraham Ben Moses, alias Saifuddin Ibrahim, ein, weil er am 7. Mai vorigen Jahres zu vier Jahren Gefängnis wegen Gotteslästerung verurteilt wurde. In sozialen Netzwerken kursiert ein Video, das den ehemaligen Muslim bei einem eifrigen Glaubensgespräch mit einem Taxifahrer zeigt. Er sprach von Widersprüchen in der islamischen Lehre und warb für den Übertritt zum Christentum. Aber nicht nur gläubige Christen geraten ins Visier von Eiferern mit dem Gesetzbuch in der Hand: Der Fall einer Buddhistin ist aktuell vor dem Obersten Gerichtshof anhängig, die für 18 Monate ins Gefängnis gehen soll, weil sie sich über die Lautstärke des Muezzinrufs beklagt hatte. Fanatiker nutzten das offen bekundete Ruhebedürfnis der Frau als Steilvorlage, um buddhistische Tempel anzuzünden, wie Amnesty International berichtete. Wegen Hassrede saß Zweifler Alexander Aan 2012 bis 2014 hinter Gittern, der auf Facebook seine Gedanken angesichts des Leids in der Welt öffentlich machte und die Rede von Himmel und Hölle, Engel und Teufel als Mythen bezeichnete.
In manchen Ländern droht die Todesstrafe
Knapp ein Prozent der mehr als 40 Millionen Einwohner Algeriens sind Schätzungen zufolge Christen, überwiegend ehemalige Muslime. In 18 von 20 Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas wird Kritik am Islam als Straftat geahndet. Außer in Pakistan schreibt auch das Gesetz im Iran die Todesstrafe für Gotteslästerung vor. Saudi-Arabien aber verhängt sogar grausame Körperstrafen, die letztlich einer Todesstrafe gleichkommen. 71 Länder der Erde verfolgen Gotteslästerung laut der zuständigen US-Kommission für internationale Religionsfreiheit als Straftatbestand, überwiegend mit Gefängnisstrafen, auch in Lateinamerika und Europa.
Dieser Beitrag von Michaela Koller erschienen zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur, der wir für die freundliche Genehmigung zur Übernahme danken.