Das deutsche Grundgesetz garantiert das Recht auf Meinungsfreiheit und (GG5) und „Freiheit des Glaubens“ (GG4). Steht die politische Wirklichkeit mit diesen Verfassungsnormen im Einklang, wenn es um den Islam geht?
Der Autor dieses Beitrags ist deutscher Staatsbürger islamischen Glaubens und syrischer Herkunft, der fünf Jahrzehnte lang zwischen Deutschland, der Welt des Islams und den USA als Wissenschaftler und als Begründer der Islamologie hin und her gependelt ist. An der Uni Göttingen hatte ich eine Professur inne und lernte dabei den Unterschied zwischen Verfassungsnormen und Verfassungswirklichkeit kennen; beide stimmen oft nicht überein. Im heutigen Deutschland unter dem Regiment Merkels und ihrer medialen Hilfstruppen vermisse ich die im GG gewährten Freiheiten. Deshalb bin ich intellektuell in die Schweiz geflüchtet, wo ich meine Essays in BaZ und NZZ veröffentlichen kann, und in die USA, wo meine Bücher bei Yale University Press und Routledge erscheinen.
Der Klassiker des liberalen Denkens, John Stuart Mill, schrieb in seinem als Bibel der Demokratie verehrten Buch „On Liberty“, dass es bedauerlicher Weise „andere Mittel als bürgerliche Strafen“ gebe, um kritisch denkende Menschen zum Schweigen zu bringen.
Unter der medialen Hegemonie eines links-grünen Narrativs gehören zu diesen Mitteln Verfemung, Schubladendenken, Diffamierung und Verweisung in die rechte Schmuddelecke.
Fakten statt „links“ und „rechts“
Bei der im Mittelpunkt dieses Essays stehenden Frage „Gehört der Islam zu Deutschland“, vertrete ich weder eine „linke“, noch eine „rechte“ Position.
Die Statistik gibt uns folgende Auskünfte: Um 1950 lebten in Westeuropa an die 800.000 zugewanderte Muslime, also weniger als eine Million. 2018, bewegt sich die Schätzziffer zwischen 30 und 35 Millionen. Das international anerkannte US-PEW-Research-Center mit Sitz in Washington schätzt den Zuwachs der Muslime in Westeuropa von heute 4,9 Prozent auf 14 im Jahr 2050, in Deutschland jedoch – dem Land der Willkommenskultur – von 6,1 Prozent 2016 auf 20 im Jahr 2050 (FAZ 30.11.2017). Nicht nur die Rekordzahlen der „illegalen Zuwanderung“ (Urteil des Europäischen Gerichtshofs, Welt 27.07.2017), sondern die in Deutschland übereifrig betriebene Familienzusammenführung tragen hierzu bei.
Ein Beispiel, das kein Einzelfall ist: Ein 2016 nach Montabaur gekommener syrischer Flüchtling brachte im Rahmen der Familienzusammenführung „vier Frauen und 23 Kinder in die pfälzische Gemeinde“ (Welt 28. 01.2018). Das ist kein Einzelfall, denn, allein in Berlin wird der „Anteil arabischer Männer mit Zweitfrauen auf 20 bis 30 Prozent“ geschätzt (Welt, ebenda).
Gläubige Muslime oder islamische Verbände?
Gewiss gibt es nicht wenige Muslime, die sich als ihren Aufnahmeländern zugehörige „Citoyens“ verstehen, als Bürger, die die europäischen Werte und Verfassungsnormen anerkennen. Solche Akzeptanz westlicher Werte besteht jedoch mehrheitlich nicht. Aufgeklärte, reformorientierte Autoren wie Abdel-Hakim Ourghi, Ahmad Mansour und andere haben ein „Protokoll des Scheiterns“ in Bezug auf Integration zusammengetragen. Aber der deutsche Staat „kapituliert unter dem Beifall der Kirchen und der Medien vor dem Islam“, wie ich in einem Interview mit der NZZ feststellte (5.04.2018 – Beitrag wurde eine Viertel Million mal im Internet abgerufen). Man hört nicht auf die aufgeklärten, reformorientierten Muslime, sondern auf die Vertreter des illiberalen organisierten Islam.
Exemplarisch dafür ist die Islam-Konferenz, ein ministeriell gehätscheltes Gremium, das Wunschdenken mit einer Methode der Integration verwechselt. In Wahrheit findet bei dieser Veranstaltung der Unehrlichkeit kein Dialog zwischen dem Staat und den muslimischen Verbänden statt, sondern ein Spiel mit Tricksereien um politische Macht. Am Anfang war ich selber dabei. Da konnte hinter die Fassaden blicken. In den offiziellen Diskussionen gaben sich die arabischen und türkischen Funktionäre integrationswillig, aber in den Pausen klang es ganz anders. Ich beobachtete – sozusagen als Feldforscher – eine „Soumission“ d.h. eine politische Unterwerfung.
Der deutsche Staat kapitulierte vor dem organisierten Islam. Der damalige Innenminister de Maizière akzeptierte das Ansinnen, keine Einzelpersonen zuzulassen, womit sachverständige Frauen wie Seyran Ateᶊ und Necla Kelek und alle liberalen Muslime aus der „Islam-Konferenz“ entfernt wurden. Geblieben sind jene Funktionäre des organisierten Islam, die sich zwar verbal zur Integration bekennen, aber sie in ihrem alltäglichen Handeln unterlaufen oder behindern.
Jetzt wird die Konferenz von vier Verbänden getragen, die allesamt aus dem Ausland finanziert werden und islamistisch und schriftgläubig orientiert sind. In der Islam-Konferenz geht es nicht um Integration, sondern um die Nutzung von Minderheitsrechten als Machtinstrument des organisierten Islam. Über Themen wie Sicherheit oder die Regulierung von Zuwanderung oder gar den durch Migranten importierten neuen Antisemitismus weigern sich die Verbände zu reden.
Insbesondere hat der deutsche Staat DITIB aufgewertet. Dieser Religionsbehörde der türkischen AKP-Islamokratie gewährte man lange freie Hand in der Bundesrepublik und bezahlte ihr Millionen Euro für Integrationsprojekte. Dabei weiß jeder Depp, dass sich DITIB nicht für Integration einsetzt. Der Verband will die Türken in Deutschland als selbstständige ethische Community erhalten und als Instrument der AKP-Politik nutzen. Und dafür spendet Deutschland Geld – ist das nicht Wahnsinn? Kurz vor den Wahlen 2017 wurden dann doch die Zahlungen eingefroren, als einige Skandale nicht mehr vertuscht werden konnten. Unter anderem kam heraus, dass DITIB-Imame Türken bespitzelten , die sie als Gülen-Anhänger verdächtigten. Die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit wurde zu Geheimdienstaktivitäten genutzt.
Das Kirchenmodell der deutschen Politik ist offensichtlich nicht übertragbar auf den Islam, da es von den Verbänden zur Schaffung antidemokratischer, illiberaler Enklaven umfunktioniert wird.
Die Ignoranz der Regierenden
Auf der Basis solcher Fakten stelle ich zwei Fragen an die Bundeskanzlerin, die vom glücklosen Ex-Bundespräsidenten Wulf die Leerformel „Der Islam gehört zu Deutschland“ übernommen hat:
1.) Auf Grund welcher Fakten rechtfertigt sich diese Behauptung?
2.) Von welchem Islam spricht sie angesichts der vielen Richtungen und Spielarten des Islam?
Als Wissenschaftler und als Begründer der Islamologie bedauere ich die völlige Abwesenheit von Kenntnissen bei Merkel in Bezug auf den Islam.
Sie scheint keinerlei Fachberatung bei solchen postfaktischen Aussagen heranzuziehen.
Nach Max Weber, dem Klassiker der politischen Soziologie, gehört der Rationalismus zu den zentralen Leistungen der säkularen westlichen Zivilisation. Die heutigen postmodernen Multikulturalisten, die nach ihrer eigenen Aussage alles „dekonstruieren“ (also praktisch zerstören) wollen, stellen auch diese Errungenschaft zur Disposition. Sie schaffen das Streben nach Objektivität ab, wenn sie über den Islam reden ̶ und darin folgt ihnen Frau Merkel.
Die historische Realität einer vielfältigen islamischen Zivilisation kennt aber keinen einförmigen Islam. Deshalb die Frage an die deutsche Dauerkanzlerin: Welchen Islam meint sie denn, wenn sie von „dem Islam“ als Einheit spricht? Welcher gehört zu Deutschland?
Ich kam 1962 aus Damaskus nach Frankfurt zum Studium. Damals gab es in der BRD nur wenige Tausend vorwiegend türkische Muslime, die aus Anatolien d.h. aus den rückständigen Teilen der Türkei angeworben worden waren. Diese „Gastarbeiter“ waren weitgehend ungebildet, ohne Berufsausbildung, und sie wurden primär bei den Niedriglohntätigkeiten eingesetzt. Heute hat sich die Zahl der Muslime vervielfacht, besonders seit der Flüchtlingskrise 2015. Als diese begann, betrug die Zahl der in Deutschland lebenden Muslime etwa fünf Millionen. Heute, im Jahr 2018, sind mindestens zwei, eher drei Millionen zusätzlich hinzugekommen. Wo sind die funktionierenden Konzepte der Integration? Was macht Deutschland, außer sich pausenlos über das Pro und Contra der Willkommenskultur zu zanken?
Als Antwort möchte ich eine islamische Zuwanderin zitieren. Violet Kiani kam als Vierjährige Anfang der 1980er-Jahre aus dem Iran nach Deutschland. Integration ist für sie „viel mehr als nicht negativ aufzufallen“ (Die Welt, 9.04.2018). Zur Integration gehöre, „sich voll und ganz als Deutsche zu fühlen und zu verstehen.“ Deutschland sei ein Zuwanderungsland, aber „kein Integrationsland“. Kiani wünscht sich: „Der Tag, an dem man mich wie selbstverständlich und gerne als Deutsche bezeichnet, wird ein schöner Tag sein. Für mich und für Deutschland, meine geliebte Heimat.“
Aus meinen USA-Erfahrungen weiß ich, dass eine Gesellschaft durchaus Migranten das Gefühl von Zugehörigkeit vermitteln kann, wenn sie nämlich auch selbst den Wunsch haben, Amerikaner, also loyale Bürger ihres Aufnahmelandes zu werden. Das erfordert aber auf beiden Seiten Anstrengungen. Ich kenne viele muslimische Migranten, die ähnlich denken. Islam-Funktionäre der aus der Türkei und Saudi-Arabien gesteuerten Verbände hingegen suchen das zu verhindern.
Bemerkenswert war ein Bericht von Zeit-Autor Jochen Bittner, der skizzierte, wie Debatten in Deutschland stattfinden: „Es geht so: Ein Konservativer fordert etwas, und Linke brüllen ihn nieder. Warum? Weil beide Seiten hartnäckig nicht dazulernen.“ Herr Bittner wird dies nicht gern hören: Aber was er beanstandet, gilt in noch verschärfter Form für die Zeit. Nachdem die Zeit-Redakteurin Mariam Lau zwei Wochen auf einem privaten Seenotrettungsschiff zugebracht hatte, erörterte sie in ihrer Zeitung die Sinnhaftigkeit der privaten Rettungs-Aktivitäten. Über ihren ausgewogenen Artikel „Oder Soll Man es lassen?“ ( Zeit 12.07.2018) erregte sich die linksgrüne Öffentlichkeit so sehr, dass sich die Redaktion schändlich von der eigenen Redakteurin distanzierte. Thomas Schmid konstatierte dazu in der Welt (20.07.2018): „So sieht Hamburger Liberalität aus“. Ich füge hinzu:Verlogen!
Der leitende Redakteur des Ressorts Aussenpolitik der Welt, Jacques Schuster beklagt, was mit denjenigen passiert, die anders denken: „Geschickt im Gewerbe der Niedertracht, nutzen zahlreiche Politiker und Kommentatoren den Widerwillen gegen alles Rechte, der seit 1945 herrscht. Sie verwandeln alle diejenigen zu Halb- und Vollnazis, die meist weder das eine noch das andere waren, sondern nur die Missstände beim Namen nennen.“
Integration zugewanderter Muslime – Schaffen wir das?
Als Islamologe und muslimischer Migrant verweise ich Merkels Spruch „Wir schaffen das“ in jene ideologische Rumpelkammer, in die auch der Merksatz „Der Islam gehört zu Deutschland“ geschoben werden sollte. Als nach Merkels Willkommensspruch in den Jahren 2015 und 2016 über 1,5 Millionen Muslime ungehindert die Grenze nach Deutschland überquerten und sich deren Zahl später durch
Familienzusammenführungen verdoppelte, wurde deutlich, dass Merkel jegliches Wissen über den Islam fehlt. Um den zweiten Schritt, die Integration, zu schaffen, bedürfte es eines überzeugenden Politikkonzepts. Davon ist aber bis heute nichts zu entdecken. Merkel wird in die Nachkriegsgeschichte als tragische Figur und schlechteste Bundeskanzlerin eingehen.
Generell halte ich als Islamologe, der Forschungen in 22 islamischen Ländern durchgeführt hat, die deutsche Islam-Diskussion für bedenklich. Als Begründer der Denkschule „Euro-Islam“ in Paris versuche ich das europäische und das islamische Sozialisationsmuster meines Lebens in Einklang zu bringen. Ich verstehe dies als paradigmatischen Brückenbau über die realen Zivilisationskonflikte. Linksgrüne Moralisten werfen mir absurderweise Polarisierung vor, unterstellen mir „Islamophobie“, „Populismus“, „Rassismus“ und anderen Nonsens. Ich bin bekennender, kulturell und textuell sozialisierter Muslim. Zugleich bemühe ich mich um ein kritisches, der Rationalität verpflichtetes Denken in der Tradition von Adorno, und halte mich im amerikanischen Sinne auch für einen Realisten und Pragmatiker, der frei ist von Gesinnungsethik und Wunschdenken. Ich bedaure es, dass linksgrüne Atheisten einem Muslim Islamophobie vorwerfen und somit das demonstrieren, was islamische Theologie Jāhiliyya, also „Ignoranz“ nennt. Auf solch seichtem Niveau lässt sich keine fruchtbare Debatte über Integration führen.
Integration ist weit mehr als Alimentierung, Unterbringung und Sprachkurse; sie erfordert harte Arbeit auf beiden Seiten, und sie ist eine Chance für Europa. Jāhiliyya/ „Ignoranz“ als Gegensatz zu „Wissen“ über den Islam ist dagegen für die Zukunft Europas angesichts der wachsenden Bedeutung des Islam nicht nur katastrophal, sondern tödlich.
Heute beträgt der Anteil der Muslime an der Weltbevölkerung ca. zwei Milliarden, darunter 400 Millionen Araber. Wer die Welt des Islam kennt, weiß, dass es die Araber sind, die darin kulturell und politisch dominieren, die bestimmen, welche Richtung eingeschlagen wird. Muslime leben als Mehrheit in 57 Staaten und als Minderheiten in aller Welt. Sowohl der schiitische Iran als auch das sunnitische Saudi-Arabien – aber auch die Türkei – versuchen die muslimische Minderheit von 35 Millionen, die in Staaten der EU lebt, zu hijacken. Diese Regime wollen keine Integration sondern islamische trojanische Pferde in Europa. Reform-Muslime treten für das Gegenteil, also für Integration ein. Ohne Integration der in Westeuropa lebenden Muslime kann der Islam nicht zu Europa gehören – es geht um Europa, nicht nur um Deutschland, wie ich im Untertitel meines Buches „Europa ohne Identität“ ausgeführt habe. Es geht um den Konflikt zwischen zwei Visionen: Europäisierung des Islam oder Islamisierung Europas.
Islamophobie und Redefreiheit:
In einem NZZ-Gespräch habe ich provokativ behauptet „Der deutsche Staat kapituliert vor dem Islam“. Er lässt die mächtigen muslimischen Verbände bestimmen, wo es langgeht. Ebenso muss ich leider feststellen, dass hierzulande in der Wissenschaft eine freie Diskussion über Migration und Islam behindert wird. Eine linksgrüne Minderheit dominiert die Medien und die öffentliche Meinung. Viele Menschen kritisieren diese Zustände in privaten Gesprächen, aber öffentlich schweigen sie aus Angst. Es gibt eine Atmosphäre der Selbstzensur, die den den NZZ-Chefredakteur Gujer veranlaßte, von der „Zensur-Republik Deutschland“ zu schreiben.
Wirkliche Integration würde voraussetzen, dass der Integrierte eine Bürgeridentität annimmt und Loyalität gegenüber seiner neuen Heimat entwickelt. Zu Heimat gehört Identität, aber beide Themen gelten als „rechts“ kontaminiert und politisch unkorrekt. Wenn man aber kein Identitätsangebot an die Zuwanderer macht, blockiert man jede wirkliche Integration. Auch die Muslime haben dabei eine Bringschuld. Wer diese einfordert oder einen Teil der Verantwortung für ein Scheitern auch bei der islamischen Seite konstatiert, der riskiert, als „islamophob“ denunziert zu werden.
Deutsches Wunschdenken und Lebenslügen
In den vergangenen Jahren habe ich in Gesprächen mit Schweizern, Österreichern, Briten und Franzosen oft eine Empörung über die deutsche Tendenz festgestellt, die eigenen Lebenslügen zu verabsolutieren und sich als moralischer Lehrmeister der Welt aufzuspielen
Wunschdenken macht blind gegenüber der Realität. Zwei Intellektuelle haben mir geholfen, diese Erscheinung besser zu verstehen. Einer davon ist ein deutscher Jude und Mitstreiter, Michael Wolffsohn. Dieser diagnostizierte ein „Wirklichkeitsdefizit als Teil der neudeutschen Krankheit“ (Welt 4.05.2018). Der Publizist Rüdiger Safranski ergänzte diesen Befund mit dem Verweis auf die deutsche Tradition des„romantischen Unbehagens an der Normalität“, das nicht nur zu „verhängnisvollen“, sondern auch zu „gefährlichen“ Konsequenzen führen kann. Der Umgang mit dem Islam ist dafür exemplarisch. Er wird teilweise durch die multikulturalistische Brille ähnlich wahrgenommen wie Befreiungsbewegungen bei der Linken in den 60er und 70er Jahren. In seinem Buch „ Romantik eine deutsche Affäre“ schildert Safranski die Gefahren politischer Romantik. Romantische Verklärungen in der öffentlichen Meinung verhindern die sachliche Auseinandersetzung mit dem Machtstreben der Verbandsfunktionäre und ihrer politischen Hintermänner. Deren Wertesystem ist eine gefährliche Herausforderung jeder „offenen Gesellschaft“ (Karl Popper). Nicht nur deutsche Nazis und Rechtsradikale sind deren Feinde, der Islamismus mit seinen ausländischen Förderern gehört inzwischen an oberster Stelle zu ihren Bedrohungen.
Als erster Muslim, der als Research Fellow for the Study of Antisemitism am Holocaust-Museum in Washington DC wirkte, sehe ich eine weitere große Gefahr. Ich schäme mich als Syrer, wenn an deutschen Schulen Judenhass als Kritik an Israel toleriert wird. Ich weiß, dass mehrere Schulleitungen alle Themen, die den Nahostkonflikt betreffen, aus dem Unterricht fernhalten, um arabische Jugendliche nicht zu reizen. Mein soeben erscheinendes Buch „Basler Unbequeme Gedanken: Über illegale Zuwanderung, Islamisierung und Unterdrückung der Redefreiheit“ enthält zwei Kapitel mit Belegen über den islamischen Judenhass unter Zuwanderern. Ich selbst kam als Antisemit nach Deutschland. Jedoch haben mir die Studienjahre bei Adorno und Horkheimer geholfen, von dieser Krankheit kuriert zu werden. Es geht mir hier nicht um eine allgemeine Anklage islamischer Flüchtlinge. Der Einzelne kann nichts dafür, dass er im Orient zum Antisemiten erzogen wurde. Mariam Lau schrieb – vor ihrer Maßregelung durch die Zeitredaktion (vgl. oben) – einen Artikel über den Antisemitismus unter den Migranten. Darin konstatiert sie richtig „Islamische Zuwanderer kommen aus Ländern, in denen der Antisemitismus so selbstverständlich ist wie Essen und Trinken“ (Die Zeit, 9. Februar 2017). Ich füge hinzu: Dieser Aspekt hat für Gelingen oder Mißlingen von Integration eine zentrale Bedeutung: das Thema darf nicht tabuisiert werden.
Die Alternativen
Ich schließe diesen Essay über die deutsche Islamdebatte mit zwei zentralen Aspekten.
Beim Antisemitismus-Thema sehe ich nicht nur die Notwendigkeit von Aufklärung ohne Tabus, sondern vor allem den Bedarf für ein robusteres Vorgehen der Behörden gegen islamischen Judenhass.
Im Dezember 2017 haben mehrere tausend Muslime in Berlin demonstriert mit Parolen wie „Hamas, Hamas Juden ins Gas“. Ich glaubte nicht recht zu hören! Aber bei Arabern lässt man das durchgehen als Protest gegen Israel. Jedes Mal, wenn eine Schändung bzw. ein Angriff auf eine jüdische Einrichtung in Deutschland erfolgt, kommen die Täter (nach Spiegel von 30.Juli 2016) „ mit geringen Strafen davon“.
Zwei Drittel der Anschläge auf Synagogen werden von deutschen Gerichten nicht als antisemitisch dargestellt, weil als Motiv „Protest gegen Israel“ konstatiert wird.
Die Logik solchen Denkens ist folgende: Die deutschen Juden sind Teil eines Kollektivs, das zu Israel gehört; sie werden als ein solches von einem anderen Kollektiv, der arabisch-islamischen Diaspora, für die israelische Regierungspolitik bestraft. Und hierfür bringen deutsche Richter nicht nur Verständnis auf, sondern verhängen auch ganz milde Strafen. Folgt man Adornos Aufsatz „Erziehung nach Ausschwitz“, dann steckt in dem Verständnis für die muslimischen Täter die verdeckte Sympathie für die alten Naziressentiments. Die Reduktion des Menschen auf ein Kollektiv, gleich welcher Art, rassisch, ethnisch oder religiös mündet als „blinde Identifikation mit dem Kollektiv“ letztlich in der Barbarei. Er schlussfolgerte als selbst betroffener Jude: „Gegenüber der Gefahr einer Wiederholung (von Ausschwitz) halte ich dafür, der blinden Vormacht aller Kollektive entgegenzuarbeiten.“
Zu den größten Leistungen der europäischen Aufklärung gehört das Bild des Menschen als Individuum. Der Islam kennt dies nicht und verlangt von allen Muslimen, sich dem weltweiten Umma-Kollektiv zu unterwerfen. Integrationswillige Muslime sind daher herausgefordert, ihre Religion zu reformieren. Denn ein schriftfundamentalistischer Islam ist mit dem GG nicht vereinbar. Nur ein Reform-Islam ist integrationsfähig. Bereits im Jahre 2004 habe ich in der Monografie „Der neue Totalitarismus“ (WBG) diese Problematik untersucht. Der unreformierte Islam ist religiöser Absolutismus. Die religiöse Aufladung von Politik durch den Islamismus mündet nach Faschismus und Kommunismus in einem neuen Totalitarismus. Ich sehe keine Möglichkeit, wie eine Demokratie mit ihrem Normen die islamistische Ablehnung von Pluralismus der Religionen und der Gleichheit der Geschlechter zulassen kann. Hier liegen die Grenzen der Political Correctness und des kulturellen Relativismus. Die schicksalsträchtigen Alternativen lauten: Europäisierung des Islam oder Islamisierung Europas. Das ist der Inhalt meines Buches „Europa ohne Identität“. Darin habe ich als Reform-Muslim mit Migrationshintergrund mein Integrationskonzept eines Euro-Islam entwickelt.
Summa Summarum: Die Integration des Islam und der Muslime in das säkular-demokratische Europa ist eine Jahrhundertaufgabe und nicht mit Alimentierung, Sozialleistungen und Sprachkursen zu bewältigen. Integration müssen beide Seiten wirklich wollen. Wenn dies mißlingt, dann muss man sich realistisch – wie warnende Buchtitel lauten –, auf den „Selbstmord Europas“ (Douglas Murray) oder auf „Die letzten Tage Europas“ (Walter Laqueur) einstellen.