Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock ist viel unterwegs. Alle paar Tage besucht sie ein Land rund um den Globus, von Mali über Indien bis zum Nordkap. Über das, was sie dort sagt, hört man wenig, und das ist gut so, weil Frau Baerbock der Sprache, der deutschen ebenso wie der englischen, nur unvollkommen mächtig ist. Dieser Tage hat sie vor dem Europa-Rat erklärt, dass „Wir“, also die dem Rat angehörigen Staaten, gegen Russland kämpfen. Eine Äußerung, mit der sie nicht nur bei zahlreichen Ratsmitgliedern, sondern in Moskau schlecht angekommen ist. Die russische Propaganda tat sich nicht allzu schwer, aus Baerbocks leichtfertigen Worten herauszulesen, dass Deutschland sich, anders als von der Regierung behauptet, als Kriegspartei betrachtet.
Ihre unglücklichen Auftritte sind Ausdruck dessen, was Frau Baerbock eine wertebasierte Außenpolitik nennt. Wo diese Werte, ihre Werte, ins Spiel kommen, wird alles andere zum Formelkram, der weder Beachtung noch Rücksicht verdient. Wie alle Parteileute geht sie mit Scheuklappen durch die Welt, kann sich nicht vorstellen, dass andere Völker und andere Kulturen andere Werte verehren als sie. Gegen Russland fordert sie ein Sondertribunal, ohne der Frage nachzugehen, wie dessen Urteile vollstreckt werden könnten; ohne den zweifelhaften Ruf zu berücksichtigen, der solchen Tribunalen anhaftet; ja, ohne zwischen Gericht und Tribunal, zwischen Richtern und Anwälten zu unterscheiden. Sie geht aufs Ganze und hat für Kompromisse keine Zeit.
Das Ergebnis läuft auf das Gegenteil von dem hinaus, was sie verkündet. Frau Baerbock betreibt Außenpolitik im Stil ihrer Lieblingssportart, des Trampolinspringens, bei dem die Volte um so besser gelingt, je elastischer, je nachgiebiger, je weicher die Basis ist. Als Mitglied einer Partei, die sich zum Pazifismus bekennt, spricht sie wie eine Bellizistin. Sie redet gern, wenn auch nicht gut, selbst beim Ablesen vom Blatt macht sie noch Fehler. Ihr Feind ist die Vergangenheit, die sie bewältigt, indem sie abräumt: in Münster ein Kreuz, das an den Friedensschluss von 1648, im Auswärtigen Amt ein Bismarck-Porträt, das an den eisernen Kanzler erinnert. Erinnerung lädt zum Vergleichen ein, und das Vergleichen ist ihr peinlich. Wenn man ihr zuhört, weiß man auch, warum.
Dr. Konrad Adam ist Journalist, Publizist und ehemaliger Politiker der AfD. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt in Berlin.