Tichys Einblick
Wegen Stromimporten

Atomstrom-Anteil in Österreich bei 12 Prozent – Umweltschützer sind bestürzt

Energieunternehmen müssen darlegen, wie viel Strom aus fossilen, atomaren und erneuerbaren Quellen stammt. Umweltschützer sind bestürzt über die neuesten Zahlen für Österreich: Danach sind die Anteile des erneuerbaren Stroms gesunken, während die des Atomstroms gleich blieben. Das liegt an den Importen. Von Wolfgang Kempkens

Österreich importiert auch Strom, der im Kernkraftwerk Dukovany in Tschechien erzeugt wird, Aufnahme vom 18.08.2022

IMAGO / H. Tschanz-Hofmann

Am 5. November 1978 wurde das im Bau befindliche Kernkraftwerk Zwentendorf per Volksabstimmung zu Fall gebracht. Mit 50,47 Prozent hatten die Kernenergiegegner die Nase knapp vorn. Das hinderte Österreich allerdings nicht, Atomstrom im großen Stil zu importieren. Selbst aus Tschernobyl kam Strom, auch nach der Katastrophe 1986. Noch heute liegt der Atomstrom-Anteil in Österreich bei nahezu zwölf Prozent.

Dass die Nachbarn das wissen, liegt an der Stromkennzeichnungspflicht, die auch in Deutschland gilt. Danach muss jedes Energieunternehmen darlegen, wie viel Strom aus fossilen, atomaren und erneuerbaren Quellen stammt. In Österreich sind Umweltschützer bestürzt über die neuesten Zahlen. Danach sinken die Stromkennzeichnungsanteile für erneuerbaren Strom, ausländische Herkunftsnachweise nehmen zu und es gibt den ersten zertifizierten Atomstrom.

Die Enstroga GmbH verkaufte 2022 Strom, der zu 73,79 Prozent aus Kernkraftwerken stammt, so E-Control, eine österreichische Behörde, die die Herkunftsnachweise überwacht. Der Entstroga-Strom kommt zu 74 Prozent aus Finnland und zu 21 Prozent aus Deutschland, im Jahr 2022 ebenfalls noch Atomstrom-Produzent. „Leider haben wir es in den letzten Jahren nicht geschafft, den Atomstromanteil in Österreich wesentlich zu senken“, sagt Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft, der darauf drängt, dass Windenergie die Kernkraft zurückdrängt.

Während der Atomstrom-Anteil in den letzten Jahren auf demselben Niveau geblieben ist, hat der Anteil des erneuerbaren Stroms sukzessive abgenommen. Waren 2020 noch 85,9 Prozent der Nachweise aus erneuerbaren Energien, lag der Anteil 2022 mit 83,72 Prozent 2,54 Prozentpunkte niedriger. Der Anteil an ausländischen Herkunftsnachweisen ist in den letzten drei Jahren um ein Viertel auf 37.2 Prozent gestiegen und damit regelrecht explodiert.

„Leider haben die großen Versprechungen der Stromkennzeichnung nicht dazu geführt, dass weniger Atomstrom in unserem Stromnetz zu finden ist“, klagt Moidl: „Dass aber der Anteil des ausgewiesenen erneuerbaren Stroms laufend abnimmt und nun sogar ausgewiesener Atomstrom in Österreich zu kaufen ist, ist ein neuer Tiefpunkt.“

„Nachdem die Stromkennzeichnung der letzten Jahre zeigt, dass ein atomstromfreies Österreich so nicht sichergestellt werden kann, ist der einzig gangbare Weg der rasche Ausbau der Erneuerbaren“, so Moidl. Doch es fehle an ausgewiesenen Flächen für Windgeneratoren und ähnlich wie in Deutschland dauerten die Genehmigungsverfahren zu lange. „Jedes Windrad in Österreich bedeutet weniger Atomstrom in den heimischen Stromnetzen“, wirbt er für sein Anliegen, wobei er verschweigt, dass Windräder auf dem Land allenfalls 3000 Stunden pro Jahr den Nennstrom liefern. Importierter Atomstrom fließt dagegen mehr als 8000 Stunden pro Jahr.

Dass im österreichischen Stromnetz nennenswerte Mengen an Atomstrom fließen, liegt an den Importen. Tschechien ist traditionell hinter Deutschland das größte Stromlieferland. Fast 40 Prozent des tschechischen Stroms werden in zwei Kernkraftwerken mit sechs Reaktorblöcken in Dukovany und Temelin erzeugt. Außerdem liefern die Schweiz (Atomstrom-Anteil 29 Prozent), Frankreich (65 Prozent), Ungarn (47,5 Prozent), Slowenien (36,9 Prozent) und Finnland (37,9 Prozent) Atomstrom.

Vor allem Dukovany ist österreichischen Umweltaktivisten ein Dorn im Auge. Das Kernkraftwerk ist nur 100 Kilometer von Wien entfernt. Der Betreiber CEZ will dort einen weiteren Block mit einer Leistung von 1200 Megawatt bauen.

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