1. Kaum schmeichelhaft: Deutschland 2015 im Schulunterricht 2115
Dirk Schmidt, Kommunikationsberater, zeigt uns, wie Deutschland 2015 im Schulunterricht 2115 aussehen könnte.
Wen die Götter strafen wollen, so sagt ein chinesisches Sprichwort, den lassen sie in einer interessanten Zeit leben. Und interessant ist unsere Zeit ohne Zweifel. Begleitet vom Trommelwirbel der Medien treiben uns die aktuellen Ereignisse vor sich her und es bleibt wenig Gelegenheit über den Horizont des Unmittelbaren hinauszublicken.
Nun also die Flüchtlinge. Gibt es etwas Interessanteres, als Zeuge einer Völkerwanderung zu sein? Mittendrin zu stecken? Alltäglich ist das jedenfalls nicht. Einige, die jetzt auf die Sechzig zugehen und auf ein noch nie dagewesenes halbes Jahrhundert Frieden und Wohlstand zurückblicken, werden sich vielleicht schon gefragt haben: „Wo bleibt denn die große Katastrophe in meinem Leben?“
Eltern und Großeltern wussten noch von zwei Weltkriegen zu erzählen, die ihr Leben mehr oder minder stark geprägt haben: Von Zeiten, in denen das Dasein nicht wie ein ruhiger Fluss vor sich hinplätscherte, sondern in denen das Unvorhersehbare jederzeit mit der Gewalt eines Sturmes das Leben und die persönlichen Wünsche und Ziele gehörig durcheinander rütteln konnte; von Zeiten, wo viele ihre Lektion in Bescheidenheit und Demut auf die harte Tour lernten.
Nun also die Zuwanderer. Viel ist bereits darüber geschrieben und verlautbart worden, vieles Dumme, Beängstigende, Euphorische, Kritische, Warnende oder schlicht Gedankenlose. Tatsache ist: Kein Mensch weiß derzeit, wohin diese Ströme von Asylbewerbern führen werden. Sie werden dieses Land verändern, gewiss, aber weder Kritiker noch Befürworter dieser ungeordneten Zuwanderung können derzeit die Risiken abschätzen oder sagen, ob es eine Veränderung zum Guten oder Schlechten sein wird. Würde Vernunft regieren, wäre allein dies schon ein hinreichender Grund, diese Flüchtlingswelle sofort zu stoppen. Aber Vernunft ist selten in diesen Tagen.
„Dschihad durch Einwanderung“ – ?
Und dann ist da noch der Islam, den nahezu 80 Prozent der Flüchtlinge im Gepäck tragen. Das Wissen um den Expansionsdrang dieser mittelalterlichen Religion, die anders als das heutige Christentum auch Autorität im Alltag beansprucht, macht Angst. Wir haben dem nichts entgegenzusetzen, da können wir noch so sehr mit dem Grundgesetz winken. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass wir es hier und heute mit einen „Dschihad durch Einwanderung“ zu tun haben und dass am Ende ein mehr oder minder muslimisches Europa stehen könnte.
Was wird in den Geschichtsbüchern im Jahr 2115 über unsere Zeit stehen? Werden die Schüler genauso wie wir angesichts des Unterrichts über die Nazizeit fassungslos mit dem Kopf schütteln und sich fragen: „Wie konnten die Deutschen damals bloß … hat das denn keiner kommen sehen?“ Wir wissen es nicht. Aber wir können sicher sein, dass die Menschen in 100 Jahren mit genauso viel Schmunzeln, Unverständnis und Mitleid auf unsere Zeit zurückblicken, wie wir das im Hinblick auf die Zeit vor 100 Jahren tun. Viele unserer Ideale, Ideologien, Visionen, ja sogar ein großer Teil der wissenschaftliche Erkenntnisse, auf die wir uns so viel einbilden, werden im Sog des Fortschritts verschwunden und durch Neues ersetzt worden sein.
Dennoch hat es etwas Beruhigendes, sich aus dem Klammergriff der Tagesaktualität zu befreien und sich einmal vorzustellen, was man in 100 Jahren über unsere Generation sagen oder schreiben wird. Vorausgesetzt natürlich, es gibt dann noch eine Geschichtsschreibung wie wir sie kennen und nicht nur ein schlichtes: “Und dann fegte der Prophet die europäischen Kuffar (Ungläubigen) mit einem gewaltigen Sturm hinfort.“
In der Unterstufe wird es im Jahr 2115 noch recht einfach zugehen. Zuerst wird ein Geschichtslehrer im Unterricht wohl eine unumstößliche Tatsache anführen: „Die Deutschen haben aufgehört sich zu reproduzieren. Mit einer Geburtenrate von 1,4 Kindern pro Frau haben sie einen weltweiten Negativrekord aufgestellt.“ Der arme Schüler, der dann von dem Lehrer oder der Lehrerin mit den Worten „Peter (oder Mahmut), was glaubst du, woran lag das?“ aufgerufen wird, kann einem heute schon leidtun. Hoffentlich stielt sich der pfiffige Schüler mit den Worten „Die hatten keinen Bock mehr, ihre Zeit war abgelaufen“ unter dem Beifall der Klasse und dem mahnenden Blick des Lehrers aus der Affäre.
Ein Volk von Sinnen?
Welche Erklärung wird man in der Zukunft für das Ungeheuerliche, das in diesem Land vor sich ging, haben? Die dramatisch gesunkene Geburtenrate ist sogar heute kaum mehr als eine Fußnote wert. Darüber wird nicht diskutiert. Es ist halt so. Dieses Volk hat scheinbar kollektiv beschlossen aus der Welt zu verschwinden. Welch ein Wahnsinn! Gibt es in der Geschichte dieses Planeten etwas Vergleichbares? Dass eine Gruppe von Lebewesen, ein Stamm, bei guten Lebensbedingungen die Reproduktion einfach einstellt?
Vielleicht wird man in der Zukunft eher auf ein multikausales Erklärungsmodel setzen. Den Deutschen ging es zu gut, wird es dann heißen, die waren zu beschäftigt mit Geldverdienen und Konsum, hatten kein Interesse daran, langfristig Verantwortung zu übernehmen und haben es zugelassen, dass eine kleine Gruppe Genderbesoffener in einem kühnen Handstreich traditionelle Rollenmuster über Bord warf. Derart orientierungslos geworden, gaben sich die Deutschen hemmungslos den Verführungen der Moderne hin, dem scheinbar endlosen Strom von technologischen Gadgets, unbeschränktem Medienkonsum und den damals enorm günstigen Reisen – Materialismus pur. Vor allem aber waren sie pausenlos damit beschäftigt, ihr persönliches Leben zu optimieren, mit Karriereratgebern, Fitness-Studios, Ernährungskonzepten, Schönheitsoperationen, Statussymbolen und nicht zuletzt mit einer besonders in Deutschland ausgeprägten Marotte: der Jagd nach Schnäppchen. Da blieb keine Zeit mehr, Kinder aufzuziehen. Ein Volk von Sinnen halt.
Es ist zu befürchten, dass wenig Schmeichelhaftes über uns in den Geschichtsbüchern der Zukunft zu finden sein wird. Und das wird vermutlich nicht nur für „Den Deutschen“, die Individuen also, gelten, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes.
„Gab es eine deutsche Gesellschaft im Sinne einer Wertegemeinschaft?“ könnte ein gefürchtetes Thema für die Geschichtsklausuren in der Mittelstufe lauten. Wem da nur einfällt: „Nein, die Deutschen hatten genug damit zu tun, Fußball-, Export-, Bürokratie-, Geburtenrückgangs- und Asylweltmeister zu werden“, hat schlechte Karten. Obwohl: So verkehrt ist das nicht. Sieht man von einem kleinen Wertediskurs Ende der sechziger Jahre ab, hat sich die deutsche Gesellschaft nie die Frage aller Fragen gestellt: „In welcher Gesellschaft wollen wir eigentlich leben?“ Man hatte den Krieg verloren, es wurden eilig eine Gesellschaftsform und ein Grundgesetz gebastelt, und die Deutschen wurden – ähnlich einer Modelbahnlokomotive – auf das ihnen zugedachte Gleis gesetzt.
Und dann wurde Gas gegeben, immer schneller, immer effizienter dampfte man auf diesem Gleis anderen Nationen davon. Warum sollte man etwas Druck aus dem Kessel nehmen und über so etwas Abstraktes wie Werte sprechen? Warum sich fragen, ob es andere Gleise gibt, wo man auf diesem so flott vorankommt? Der Deutsche liebt es handfest, berechenbar und mit nachweisbarem Nutzen. „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, sagte einmal ein deutscher Bundeskanzler. „Wer über Werte sprechen will, gehört in die Irrenanstalt“, möchte man hinzufügen.
Keine Wertegemeinschaft
Nein, von einer Wertegemeinschaft kann man im Zusammenhang mit der deutschen Gesellschaft um die Jahrtausendwende wohl kaum sprechen. Zu fragmentiert war die Wertelandschaft, und vielleicht erklärt sich daraus auch die an Manie grenzende Besessenheit der Deutschen, wenigstens mit den Koordinaten „rechts“ und „links“ etwas Orientierung zu schaffen.
Ein Volk, das die Reproduktion weitgehend eingestellt hat, eine wertemäßig fragmentierte Gesellschaft auf Rekordjagd ohne noch über Sinn und Zweck nachzudenken, das wäre wahrscheinlich das nüchterne Urteil, das man über die Deutschen in der Zukunft fällen wird. Eine Kultur reif zur Übernahme. Nahezu blind für die Bedrohungen durch den Islam oder andere irrationale Vorstellungen. Vor einem deutschen Beamten hätte ein überzeugter Hassprediger stehen können, den Bürokraten würde nur interessieren, dass er das Formular exakt ausfüllt.
Die Schüler werden vom Thema „Die Deutschen zu Beginn des 21. Jahrhunderts“, das sie durch alle Jahrgangsstufen verfolgt, bald genauso genervt sein, wie wir vom Unterricht über den Nationalsozialismus. Mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit, Abscheu und der jeder Generation eigenen Überheblichkeit werden sie auf uns Heutige herabblicken.
Vermutlich werden viele Schüler Leistungskurse in den naturwissenschaftlichen Fächern belegen, um dem Thema wenigstens in der Oberstufe und bei den Abiturklausuren zu entkommen. Schade, denn dort wird es anspruchsvoll zur Sache gehen, mit einer weitwinkeligen Perspektive, die wir uns heute kaum vorstellen können.
Ein berüchtigtes Thema für die Abiturklausur könnte lauten: „Wie tolerant darf eine säkulare Gesellschaft gegenüber Religionen sein? Bitte begründen Sie Ihren Standpunkt unter Berücksichtigung der Ereignisse in Deutschland in den Jahren um 2015 und legen Sie einen evolutionären, menschheitsgeschichtlichen Maßstab zugrunde.“
Erleichtert werden die Schüler sein, die sich vorher im Internet die entsprechenden Tutorials angesehen und in den Curricula die Lernziele studiert haben. Sie wissen, dass es darauf ankommt, klar zwischen dem individuellen, transzendenten Teil der Religion (jeder darf glauben, was er will) und dem sozial-normativen Element zu unterscheiden. Ersteres darf und sollte eine freie Gesellschaft tolerieren, Letzteres muss sie bekämpfen. Mit dieser Unterscheidung wären die Schüler der Zukunft schon mal erheblich weiter als viele Politiker und Publizisten heute. Dennoch wird das höchstens für ein „ausreichend“ in der Klausur reichen.
Wer eine bessere Benotung anstrebt, muss in der Zeit weiter zurückgehen und zeigen, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit dem Ende des „viktorianischen Zeitalters“ die normative Kraft des Sozialen durch Status, Haltung und Befolgen erstarrter Handlungsmuster abgelöst wurde durch eine dynamische, auf Vernunft und Wissenschaft basierende Epoche, der die Menschheit ihre größten Fortschritte zu verdanken hat. Er wird zeigen, dass jeglicher Rückschritt in statische Muster, seien es religiös begründete oder weitgehend säkulare, wie etwa Nationalsozialismus oder Kommunismus, letztlich verhindert werden muss. Und genau aus diesem Grund darf eine fortschrittliche und freie Gesellschaft keinerlei Toleranz gegenüber dem sozial-normativen Element der Religion zeigen. Kurz: Religion muss Privatsache sein. Die Gesellschaft muss sich wehren.
Wer so argumentiert, dem dürfte eine gute Note sicher sein. Für eine „Eins“, so sagt das Curriculum für den Geschichtsunterricht im Jahr 2115, muss der Schüler zeigen, warum im Deutschland um die Jahrtausendwende ein zunehmender Überdruss am Dynamisch-Rationalen um sich griff und zunehmend weitgehend irrationale, sozial-normative und statische Haltungen zunahmen. Warum beispielsweise Ökologie zu einer Ersatzreligion wurde, Political Correctness den gesellschaftlichen Diskurs verdrängte und ein selbstmörderischer Toleranzbegriff die Grundlagen der Gesellschaft unterminierte.
So könnte es sein, wenn man in der Zukunft auf unsere Zeit zurückblickt. Aber die Zukunft ist eben ungewiss. Vielleicht kommt ja auch alles ganz anders und für das Abi reicht das Aufsagen auswendig gelernter Suren aus dem Koran.
2. Konsensbildung ist erste Bürger- und Politiker-Pflicht
Christian Edom, Blogger, Christdemokrat mit Marke Katholische Soziallehre, mahnt zum Werben um Zustimmung statt Moral-Diktatur.
Demokratie fußt auf dem Werben um Zustimmung. Dieses Grundprinzip, diese Gepflogenheit und politische Realität setzt die Tatsache des Verfassungsrangs des Asylrechts keineswegs außer Kraft. Bestehen überhaupt Alternativen zu demokratischer Konsensbildung? Diese sind staatsrechtlich und auch in der politischen Praxis eng begrenzt und auf ein erträgliches Minimum zu beschränken. Die oberste Maßgabe muss sein, sich nicht einseitig konfliktverschärfend, sondern nach Möglichkeit perspektivisch konfliktauflösend zu verhalten.
Die Kirchen vernachlässigen ihre Aufgabe auszugleichen und zu mäßigen
Die Asyldebatte leidet nicht nur darunter, vom Druck der Entwicklungen und Ereignisse enorm getrieben zu sein. Es ist zum Merkmal gerade dieser Debatte geworden, wenig Raum zum Austragen politischer Differenzen und zur Bewältigung von Dissens zuzulassen. Charakteristisch und mithin stilprägend ist die Dominanz moralischer Forderungen. Es wird so getan, als bestünde ein unversöhnlicher Zielkonflikt zwischen einem einerseits zwingend würdigen Umgang mit schutzsuchenden Flüchtlingen und andererseits einem angemessenen Gespräch mit der eigenen Bevölkerung. Das ist belastend und wirkt neben anderen wenig glücklichen Faktoren konfliktverschärfend. Die politische Notwendigkeit verlangt Konfliktauflösung. Stattdessen wird der Ton eines anti-liberalen Dezisionismus bemüht.
Das Szenario einer moralischen Notlage wird durch die Beiträge aus den Reihen der großen Kirchen eher verstärkt, als dass beide ausgleichend und mäßigend wirkten. Solchen moralischen Rigorismus tragen sie an anderer Stelle keineswegs derart unreflektiert vor. Religion und Staat treten den Bürgerinnen und Bürgern moralisch fordernd gegenüber. Es besteht ein Ungleichgewicht, was die überdeutlichen Hinweise auf Pflichtschuldigkeit und die zu leistende Gefolgschaft betrifft. Die Politik verlangt über die Regierung hinaus einseitig Konsens und Loyalität, tut selbst aber wenig für Konsensbildung..
Spät hat die Bundesregierung die Initiative an sich gezogen und auf den anschwellenden Zustrom von Menschen nach Deutschland reagiert. Wie bereits auf dem Höhepunkt der „Pegida-Proteste“ in ihrer Neujahrsansprache hat die Bundeskanzlerin dabei über Gefühle wie Hass gesprochen. Dadurch blieb die originär politische und dezidiert ideologische Konfliktdimension zunächst ausgeblendet, welche Aufmärsche verkörpern, aus denen heraus bedrohliche Parolen gerufen werden. Ganz zu schweigen davon, wenn damit zu rechnen ist, was Neonazis und Straßengangs anzetteln, wenn sie koordiniert und planmäßig Straftaten in politischer Absicht verüben.
Konfliktlösungen statt Moralurteile
Die momentane vehemente moralische Parteinahme für Zuwanderer ersetzt jedoch keineswegs jene Fürsprache, die diese in unserer Gesellschaft dauerhaft benötigen werden. Es wären allen geholfen, wenn Politiker – und auch die Kirchen – konziliant sowie besser und stärker werbend und bittend in ihren Appellen aufträten statt dominant gebietend in Sachen Moral aufzutreten und bestenfalls sachlich neutral in der Zuwendung zu verfahren. Dieses Beispiel könnte auch die Tonlage im Feld Social Media entspannen, wo sich längst schon ein bitterer, verbissener und rebellischer Ton breitgemacht hat und Resonanz erheischt. Auch hier sind Konfliktlösungen und Antworten bitter notwendig.
Merkels Stil hat derzeit zur Folge, dass tendenziell negative Gefühle und Befürchtungen in der Bevölkerung über Missstände in Sachen Integrationsqualität umgehend delegitimiert werden oder als verpönt und unerwünscht gelten. Hat denn aber die Politik überhaupt Wahlmöglichkeiten, der Bevölkerung vorzuschreiben, in welcher Form sich Dissens zu äußern hat? Es ist somit an der Zeit, verloren gegangenes und gestörtes Einvernehmen wiederherzustellen und zurückzugewinnen.
Wenn die Kirchen in ihren Voten auf das christliche Gebot der Nächstenliebe verweisen, liegt es aber an ihnen selbst, deutlich zu machen, worin denn genau der Unterschied zwischen praktizierter Nächstenliebe und dem Verlangen an das Kirchenvolk besteht, sich unkritisch zu Verwaltungshandeln und staatlichem Machthandeln zu verhalten und diesem in keinem Fall die Zustimmung zu versagen.
Es gibt eine problematische Tendenz, eine Transformation der Wegweisung Jesu als Botschaft der Liebe in hartleibige, neuzeitliche Prinzipienmoral zu betreiben, die ihre Härte und Präzision aus dem Wesen der Erfindung der modernen Naturwissenschaft und dem Szientismus als Messlatte zieht. Wer die Wegweisungen Jesu zum streng nomologischen Gebot erniedrigt, handelt wider Luther, für den das Evangelium gerade kein Gesetzbuch und keine Gebotslehre darstellte. Gesetz und Evangelium sind kritisch zu unterscheiden, der Glaube nicht in eine Gesetzesreligion zu verwandeln. Nächstenliebe und ihre Universalität reduziert sich unversehens auf Sozialethik und Strukturprinzipien der Gerechtigkeit. Eine Erinnerung und Mahnung an den Auftrag der Liebe muss eben auch selbst im Geist der Liebe artikuliert und vermittelt werden, ansonsten reduziert sich Kirche darauf, eine beliebige politische oder lediglich moralische Instanz sein zu wollen.
Kräfte bündeln, nicht spalten
Liebe bedeutet darum gerade im christlichen Kontext deutlich mehr und anderes als nur Toleranz. Der Liberalismus zum Beispiel verschärft mit seinem Gebot der Toleranz Konflikte, anstatt sie zu bewältigen. Er verlangt Menschen nicht wirklich ein positives Verhältnis zu Menschen, Anschauungen, Kulturen und Gesinnungen ab, die spürbar anders sind als man selbst. Das Wesen von Fremdheit darf daher nicht auf eine bloße bedeutungsarme Andersartigkeit reduziert werden, der nur bedeutungslose Beliebigkeit zukommt. Die religiöse Botschaft wiederum ist selbst wie fremd im Vergleich zur irdischen Weltlichkeit. Wenn Goethe einst zu verstehen gab, Toleranz allein genüge nicht, zielte dies tendenziell darauf ab, dass vom Wesensverhalt her ein positives Verhältnis zu etwas gefragt ist und nicht bloße Toleranz. Zudem darf nicht übersehen werden, dass Liebe mehr ist als ein moralisches Gutsein.
Es ist also sowohl mehr Konfliktbereitschaft als auch Liebe und Toleranz nötig, um all das zu meistern, was Deutschland zu bewältigen hat. Dabei genügt es nicht, auf die Stärke der Nation zu verweisen, um Zuversicht zu erzeugen, wenn dabei kein klares Maß für die Stärke wie auch Rechenschaft hinsichtlich der eigenen geistigen Position besteht. Konsensbildung ohne Vorverurteilung des je anderen ist von daher unabdingbar und verlangt ihr Eigenrecht in jeder reifen Demokratie. Rein moralische Forderungen genügen nicht, wenn mehr nötig ist als Toleranz, um das Zusammenleben der Menschen als Bürger untereinander zu hegen und zu pflegen.
Akzeptanz und Duldung seitens der Bevölkerung reichen hier nicht aus. Wenn die Politik mehr Konfliktbereitschaft und Einsatz riskiert, kann sie mit Leichtigkeit Bewegungen wie „Pegida“ bezwingen und die demokratische Praxis stärken.
Gerade dann, wenn man auch die Möglichkeit der Ablehnung bejaht und einräumt, kann man volle Zustimmung erwerben. Verweigert man dies vorab, gelingt es viel schwerer, eine umfassende Zustimmung ohne Beigeschmack zu erlangen; über eine moralische Gewissensbildung hinaus einen tragfähigen Konsens zu finden, in den sich möglichst viele Bürger einbezogen fühlen und diesen Konsens ihrerseits aktiv anderen gegenüber politisch vertreten und nicht geneigt sind, nur betreten und ratlos zum Thema zu schweigen.
Es ist zu wenig, der Bevölkerung kurzfristig Zustimmung aus der Not heraus abzuringen, ohne dass sie sich dabei auch dafür entscheidet, die Belange der Flüchtlinge wirklich zu ihren eigenen zu machen, und sich nicht lediglich dazu bringen lässt, nichts offen gegen Asylanten zu haben, weil dies moralisch unerträglich sei und als unanständig gilt. Nur wenn die Politik erkennt, was für interne Leistungsgrenzen ihre Linie hat, wird sie ihr Handeln zu optimieren können.
3. Wann hören Einwohner und Zuwanderer die Wahrheit über das Wohnen?
Hans-Peter Kroll, Bauingenieur, bringt Klarheit und Wahrheit ins Wohnungsthema, in die Wirklichkeit deutscher Abläufe.
Gestern wurde gemeldet, dass 1 Milliarde Euro für die Unterbringung von Migranten zur Verfügung gestellt werden. Diese Summe würde für die Schaffung von Wohnraum für 100.000 Personen reichen. 2015 kommen aber etwa 1.500.000 Zuwanderer!!!
Nach früheren Meldungen ist ein Sozialwohnungsbauprogramm mit 500.000 Wohnungen notwendig. Angenommen wir schaffen das, wir bauen diese Wohnungen und Geld spielt bei einer Verschuldung von 2,2 Billionen Euro keine Rolle.
Das bedeutet, dass um den Standort unserer 50 stärksten Industrieregionen jeweils 10.000 Wohnungen gebaut werden müssen. Schließlich sollen all die Facharbeiter, Ingenieure, Ärzte usw. hier beschäftigt werden.
Das bedeutet auch, dass regelrecht neue Siedlungen oder Wohnbaugebiete entstehen müssen. Angenommen wir schaffen es, Bebauungspläne mit reduzierten Aufwand, also ohne gesetzliche Vorgaben wie Umweltverträglichkeitsprüfung, Landschaftsschutz und ohne Prüfung der sozialen Verträglichkeit in kürzester Zeit bis Anfang 2016 umzusetzen.
Dann müssen diese Gebiete geplant und erschlossen werden: also Straßenbau einschließlich Anbindung an das bestehende Verkehrsnetz, Gas-, Wasser- und Stromversorgung sowie Telekommunikations-Versorgung einschließlich notwendiger Erweiterungen des Bestandes.
Nicht zu vergessen ist die Abwasserversorgung mit Prüfung der vorhandenen Kapazität der Kläranlagen plus erforderlicher Erweiterung oder Neubau von Zwischenspeichern – Regenüberlaufbecken und Regenrückhaltebecken (RÜB und RRB). Möglich wäre natürlich auch die Senkung der hohen Standards für die Abwasserreinigung mit allen Folgen.
Ende 2016: Bauvorbereitung, 2017: Baubeginn
Diese erforderlichen Baumaßnahmen müssen geplant und ausgeschrieben werden. Dazu ist jedoch mindestens ein halbes Jahr erforderlich. Und schon sind wir bei Mitte bis Ende 2016. Natürlich kann man um Zeit zu sparen auch eine „freihändige“ Vergabe der Planungs- und Bauleistung vornehmen. Das würde jedoch zur Verteuerung dieser Leistungen führen sowie Spekulation und Korruption Tür und Tor öffnen. Dann wäre nur noch eine direkte Bilanzierung und Beauftragung der Ingenieurbüros und Baufirmen mit Festpreisen (wie in der DDR 1.0) sinnvoll.
Okay, auch das schaffen wir. Bleibt nur noch der erforderliche Grunderwerb. Hier ist ein Zeitraum von mindestens einen Jahr erforderlich. Alternativ wäre auch die Ausrufung des Notstandes und eine direkte Enteignung. Zu all Diesem müssten jedoch die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden.
Egal, schaffen wir.
Damit könnten wir etwa im Herbst 2016 mit Bauen beginnen – zuerst mit den Versorgungs- und Entsorgungsleitungen und dem Straßenbau. Dauer, wenn der liebe Gott gnädig ist und es ein milder Winter wird, circa 1 Jahr. Und schon sind wir im Jahr 2017.
Anschließend kann der Hochbau erst in Angriff genommen werden. Bei den bereits angedachten reduzierten Standards ist auch noch nicht klar, was damit gemeint ist. Vielleicht kann man ja die Anforderungen an den Brandschutz oder die gerade erst vorgenommene Erhöhung der Wärmedämmung wieder zurücknehmen und den Innenausbau auf das Niveau von 1960 zurückführen.
Egal, schaffen wir auch. Bei großem Optimismus dann für den Erstbezug der Zeitraum Ende 2018 – Anfang 2019 realistisch.
Wollen wir das wirklich schaffen? Wollen wir neue Siedlungen oder Baugebiete mit vorwiegend muslimischen Bewohnern, vielleicht etwas durchmischt mit einem sozial schwachen deutschen Bevölkerungsanteil. Wollen wir die Aushebelung des Rechtsstaates, vielleicht der freien Marktwirtschaft und des Rechts auf Eigentum. Wollen wir die Rückführung von Umweltstandards, Bauvorschriften oder in der Ausstattung. Wollen wir einen Plattenbau 2.0?
Und was ist mit denen, die nach 2015 zuwandern wollen?
Für die erforderlichen Planungs- und Bauleistungen stehen die notwendigen Kapazitäten nicht zur Verfügung und müssen erst geschaffen werden. Wie sieht es weiter mit der erforderlichen Infrastruktur aus? Also Nahverkehr, Abfallentsorgung, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten. Wer betreut diese Wohnungen und die Infrastruktur einschließlich deren Unterhaltung. Fragen über Fragen und Stille an der Regierungs- und Parteienfront.
Also wer sagt wann der Bevölkerung die Wahrheit, dass sie auf die Turnhallen, Schulen und weitere Gemeindeeinrichtungen bis 2018 eher bis zu deren Renovierung 2019 verzichten müssen? Wer sagt ihr, dass all diese Maßnahmen nur für die 2015 kommenden Migranten 40 bis 50 Milliarden Euro kosten. Und wer sagt den Zuwanderern, dass die Mehrheit von ihnen außer dem jetzigen Winter noch mindestens zwei weitere Winter in provisorischen Unterkünften leben müssen.
Und wer sagt es den Migranten, die in den nächsten Jahren noch kommen wollen?