Tichys Einblick
Statt Geld für Moscheen Hilfe für Flüchtlinge

Asylkrise: Bafög für Flüchtlinge?

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch kritisiert die Bundesregierung und insbesondere die Bundeskanzlerin für ihre Asylpolitik. Auch das jetzt getroffene Maßnahmen-Paket umfasst nur einen Teil des Notwendigen. Die "Wir-schaffen-das"-Berichterstattung habe die Umsätze der Schlepper vervielfacht.

Deutschland ist in diesen Wochen und Monaten Zielland einer noch nie dagewesenen Flucht- und Migrationsbewegung. Mit einem Nachlassen des Flüchtlingsstromes ist nicht zu rechnen – im Gegenteil, die Prognosen werden kontinuierlich nach oben korrigiert. Die Probleme sind real und schon längst in Deutschland angekommen.

Auf Krisen sind Staaten und Rechtsgemeinschaften wie die Europäische Union vorbereitet. Man schließt Verträge und verständigt sich präventiv auf Rechtsnormen, die im Eventualfall greifen sollen. Im Zuge der Erweiterung und politischen Vertiefung der EU wurden daher eigens umfassende Rechtsgrundlagen für den geregelten Grenzverkehr geschaffen. Dazu gehören die Dublin III-Verordnung, das Schengen-Abkommen, die Prümer Beschlüsse und unabhängig davon im nationalen Recht der Grundgesetzartikel 16a. Dublin III regelt, dass ein Asylbewerber in dem EU-Mitgliedstaat seinen Asylantrag stellen muss, in dem er den EU-Raum erstmals betreten hat. Dort haben auch Registrierung und Durchführung des Asylverfahrens zu erfolgen. Das Schengen-Abkommen regelt die Kontrolle der EU-Außengrenzen durch die Mitgliedstaaten. Bei den Prümer Beschlüssen geht es um die grenzüberschreitende Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität. Artikel 16a GG verneint einen Asylanspruch für Einreisende aus sicheren Herkunftsstaaten.

Deutsche Standards „europäisieren“

Diese europäischen Regelungen werden in der Praxis jedoch vielfach ignoriert. Wenngleich sich Deutschland in Europa den Ruf als Musterknabe der Gesetzestreue erarbeitet hat, gehören wir nun auch offiziell zu den 19 Mitgliedsstaaten, gegen die die EU-Kommission Vertragsverletzungsverfahren zur Asylgesetzgebung eingeleitet hat. Deutschland wird unter anderem vorgeworfen, Abschiebungsgesetze nicht einzuhalten.

Zurecht mahnte jüngst der bayerische Finanzminister, Markus Söder (CSU), dass die anderen EU-Partner nicht bereit seien, die hohen Standards des deutschen Asylrechts zu übernehmen; vielmehr werde Deutschland von einigen EU-Partnern vorgeworfen, mit seinen liberalen Regelungen und Sozialleistungen Menschen geradezu anzulocken: „Wer also eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise anstrebt, muss bereit sein, die deutschen Standards zu europäisieren, also zu reduzieren.“

Es war das gleiche Horn in das jetzt der ungarische Regierungschef Viktor Orbán stieß, als er der Bundesregierung „moralischen Imperialismus“ in der Flüchtlingskrise vorwarf. Statt über Wochen hinweg zu Lasten der Grenzstaaten – und damit letztlich dann auch auf unsere Kosten – ein Feuerwerk der Willkommenskultur abzubrennen, hätte sich vor allem Deutschland klar zu den bestehenden Rechtsgrundlagen des geregelten Grenzverkehrs bekennen müssen. Stattdessen aber hallte das Echo der Selfie-unterfütterten „Wir-schaffen-das“-Berichterstattung über syrische Smartphones nicht nur in die (Bürger)-Kriegsgebiete, sondern auch in die Flüchtlingslager des mittleren Ostens. Die Anziehungskraft Deutschlands wurde damit gesteigert, die Umsätze der Schlepper vervielfacht.

Die Sicherheit wieder gewährleisten

Doch die anfängliche Euphorie weicht allmählich einem ernüchterten Realismus. So zeigen aktuelle Umfragen, dass sich knapp 80 Prozent der Deutschen eine Verschärfung der Grenzkontrollen und damit eine Rückbesinnung auf geltendes europäisches Recht wünschen. Noch während die Weltpresse über die hiesige Willkommenskultur frohlockte und selbst der ehemalige griechische Finanzminister Varoufakis die deutsche Solidarität mit den Flüchtlingen in einem Gastbeitrag in der moralphilosophischen Tradition Immanuel Kants verortete, kam Innenminister de Maizière die undankbare Aufgabe zu, Anspruch und Wirklichkeit der deutschen Flüchtlingspolitik wieder einander anzunähern: das Schengen-Abkommen wurde ausgesetzt und Kontrollen an den südlichen Landesgrenzen wieder eingeführt. Das war ein wichtiger erster Schritt.

Neben dem Kampf gegen Schleuserkriminalität geht es dabei vor allem auch um einen Aspekt, der in der öffentlichen Debatte leider nur wenig prominent vertreten ist: nämlich das gravierende Sicherheitsrisiko, das wir in Kauf nehmen, wenn Straftäter und potentielle Terroristen ungehindert und unkontrolliert im Schutz der unübersehbaren Massen einreisen können. Der IS macht keinen Hehl daraus, so viele Anhänger wie möglich in den gewaltigen Flüchtlingsstrom zu schleusen. Die griechische Regierung hatte im Verhandlungspoker um frische Milliarden im Frühjahr bereits angedroht, es mit den Grenzkontrollen nicht ganz so genau zu nehmen. Wenn hierdurch potentielle Straftäter nach Europa kämen, sei es nicht ihre Verantwortung. Sicherheit zu gewährleisten, um Freiheit zu ermöglichen, ist aber Uraufgabe des Staates. Dieser Aufgabe muss er wieder nachkommen.

Höhere Ausgaben für Asylbewerber als für Ausbildung?

Im Bewusstsein der dringenden Reformbedürftigkeit des deutschen Asylrechts, hatte sich de Maizière sodann an einen entsprechenden Gesetzentwurf gemacht, der eine deutliche Verschärfung des Asylrechts vorsah. Zurecht wies der Innenminister darauf hin, dass unser Asylrecht zwar prinzipiell keine Obergrenze kenne. Doch gerade deshalb müsse man über den Abbau von Fehlanreizen eine faktische Begrenzung der Zuwanderung bewirken. So sollten offensichtlich unbegründete Asylanträge schon an der Grenze abfertigt werden können und Leistungen für ausreisepflichtige Asylbewerber drastisch gekürzt und auf reine (Rück-) Reisebeihilfen reduziert werden. Außerdem sollten Geld- und Sachleistungen für Asylbewerber gestrichen werden, die entgegen der Dublin-Verordnung nicht in dem Land einen Antrag gestellt haben, in dem sie EU-Boden betreten haben, sondern – vor allem nach Deutschland – weitergereist sind. Lediglich eine Rückfahrkarte sollten sie erhalten.

Diese Maßnahmen waren folgerichtig, überfällig und insbesondere auch gegenüber unseren Partnerländern gerecht, die unter der Anziehungskraft unseres Sozialsystems schließlich mitleiden. In den Verhandlungen innerhalb der Koalition und mit dem zu beteiligenden Bundesrat konnte bisher leider nur ein Teil dessen durchgesetzt werden. Der Bund will jetzt 670 Euro pro Asylbewerber und Monat über die gesamte Laufzeit des Verfahrens bereitstellen. Das entspricht dem Bafög-Höchstsatz. Kostenpunkt: mindestens 4 Milliarden Euro und damit knapp 1 Milliarde mehr, als im Rahmen der Ausbildungsförderung für unsere Schüler und Studenten aufgewandt wird. Sichtlich verärgert, machte der Innenminister nun seinem Unmut Luft: „Außer Kontrolle geraten ist es mit der Entscheidung, dass man aus Ungarn die Menschen nach Deutschland holt.“

De Maizières Forderung nach einem Flughafen-Verfahren auf dem Landweg, also einem Asylschnellverfahren, nach dem offensichtlich unbegründete Anträge, vor allem aus sicheren Herkunftsstaaten, schon in einer Transitzone an der Grenze abgefertigt werden sollen, ist aber noch nicht vom Tisch. Der Innenminister will einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.

Unterstützung erhielt de Maizière von seinem Vorgänger und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, Hans-Peter Friedrich. Flüchtlinge aus Ungarn unkontrolliert und ohne Registrierung ins Land zu lassen, sei „eine beispiellose politische Fehlleistung“, die „verheerende Spätfolgen“ nach sich ziehe. „Wir haben die Kontrolle verloren“, sagte Friedrich. Man könne nicht abschätzen, wie viele der Einreisenden IS-Kämpfer oder islamistische Schläfer seien.

Der Staat hat die Zügel aus der Hand gegeben

Auch der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident, Horst Seehofer, kritisierte die Flüchtlingspolitik: sie sei ein „Fehler, der uns noch lange beschäftigen“ werde. „Warme Worte, kluge Kommentare und nutzlose Ortstermine helfen uns nicht weiter.“ Die bestehenden Asylregeln würden von Deutschland außer Kraft gesetzt, der Staat habe die Zügel schon völlig aus der Hand gegeben.

Das Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs lässt zumindest hoffen, dass wir uns innerhalb der EU auf eine gemeinsame Asyl- und Flüchtlingspolitik verständigen können. Das wäre auch dringend geboten, denn die bisherigen Maßnahmen lindern bestenfalls kurz- bis mittelfristig die Symptome der Flüchtlingsproblematik. Die eigentlichen Fluchtursachen wie Bürgerkriege, die Destabilisierung ganzer Staaten und terroristische Gefahren blieben unberührt. Nach den Beschlüssen des Sondertreffens sollen europäischen Unterstützungsleistungen daher jetzt verstärkt in die kritischen Regionen vor Ort fließen. Das ist wichtig. Denn wenn wir die Flüchtlingskrise langfristig bewältigen wollen, müssen wir unser Handeln auf die eigentlichen Ursachen konzentrieren. Die vielen jungen Männer unter 30, die schon hier oder auf dem Weg zu uns sind, sind im besten wehrfähigen Alter. Die Menschen werden in ihrer Heimat gebraucht, auch für den zivilen Wiederaufbau nach Vernichtung des IS. Der Brain-Drain, also die Abwanderung von Spezialisten und Fachkräften, hat für die Krisen- und Entwicklungsländer verheerende Folgen. Sie werden damit sich selbst überlassen und verlieren jede Perspektive auf einen politischen, institutionellen und infrastrukturellen Neuanfang. Was kurzfristig gut für den Einzelnen sein mag, wird also auf lange Sicht die Lösung der Krise verzögern, wenn nicht sogar die Abwärtsspirale hin zum failed-state beschleunigen.

Für mich gilt daher: Je mehr Menschen ihre Heimat gar nicht erst verlassen müssen, desto besser – sowohl für die Flüchtlinge, als auch für Deutschland, das nur begrenzt Menschen aufnehmen kann. Ohne militärische Komponente wird es jedoch nicht gehen: wir brauchen zusätzlich einen wirksamen Küstenschutz und entschlossenes Vorgehen gegen Schlepper und Menschenhändler, um dem Sterben auf dem Mittelmeer ein Ende zu setzen.

Auch die quotierte Verteilung von Flüchtlingen ist ein Schritt nach vorne. Das Quoten-Modell kann allerdings nur funktionieren, wenn die Außengrenzen des Schengen-Raums wirksam gegen illegale Migration abgeschottet werden. Sollte die Einreise nicht durch die geltenden Rechtsgrundlagen für geregelten Grenzverkehr konditioniert werden, wird die Quote zur Makulatur. Daher müssen jetzt unsere Nachbarländer – insbesondere an den EU-Außengrenzen – mitziehen. Sonst bleibt die Maßnahme nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Immerhin: Albanien, Kosovo und Montenegro sollen zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Aus dem Balkan kommt derzeit nahezu die Hälfte aller Asylanträge. Auf Grundlage der sicheren Drittstaatenregelung könnte man hier also konsequent abschieben. Wenn wir diese Konsequenz in der Asylpraxis aber nicht an den Tag legen, bleibt die Erweiterung der Liste nur ein Lippenbekenntnis.

Rückbesinnung auf geltendes Recht

Die Rückbesinnung auf geltendes Recht und dessen strikte Durchsetzung würde zudem zu einer erheblichen Entlastung der Behörden und Kommunen beitragen. Denn laut aktueller Asylgeschäftsstatistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) befinden sich unter den sieben stärksten Herkunftsländern allein vier, die bereits jetzt oder im Zuge der angestrebten Erweiterung der Liste unter die sichere Drittstaatenregelung fallen. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2015 wurde über 43.887 der 55.587 gestellten Asylanträge aus Syrien entschieden. Davon erhielten 38.656 die Rechtsstellung als Flüchtling. Das bedeutet eine Gesamtschutzquote von 88,5 Prozent. Aus Albanien (Platz 2; 38.245), Kosovo (Platz 3; 33.824), Serbien (Platz 4; 20.864) und Mazedonien (Platz 7; 10.244) wurden im gleichen Zeitraum insgesamt 103.177 Asylanträge gestellt. Lediglich 22 (!) davon erhielten die Rechtsstellung als Flüchtling bei einer Gesamtschutzquote nahe null Prozent. Da wundert es auch nicht, dass sich laut Bundespolizei die Anzahl gefälschter syrischer Pässe im Vergleich zu 2014 mehr als verdoppelt hat. Der Schwarzmarkt boomt aufgrund der hohen Anerkennungsquote. Wir müssen endlich durchsetzen, dass Asylbewerber ohne Anspruch und Schutzbedarf gar nicht erst nach Deutschland kommen bzw. nach erfolgter Ablehnung des Asylantrages in ihre Heimatländer zurückkehren – notfalls auf dem Wege der Abschiebung. Wir müssen konsequent danach differenzieren, wer politisch verfolgt ist bzw. als Kriegsflüchtling zu uns kommt und wer offenkundig nicht schutzbedürftig ist. Schutz­bedürftige gilt es schnell zu identifizieren, als Flüchtlinge anzuerkennen und zu inte­grieren. Asyl kann aber nicht die Antwort auf Armut in der Welt sein. Von den bislang 256.938 Asylantragstellern in diesem Jahr stammt nur ein Fünftel aus Syrien.

Im Übrigen finde ich es bemerkenswert, wie wenig Solidarität die Flüchtlinge derzeit von ihren muslimischen Glaubensbrüdern erhalten. Von subsidiärer Hilfe in der arabischen Welt keine Spur. Das zynische Angebot Saudi-Arabiens, 200 Moscheen für Flüchtlinge in Deutschland zu bauen, kann da nur noch konsterniertes Kopfschütteln hervorrufen. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende und Integrationsexperte Armin Laschet fand dazu klare Worte: „Statt darüber nachzudenken, in Deutschland Moscheen zu finanzieren, sollte Saudi-Arabien lieber Flüchtlinge aufnehmen und die Finanzierung des IS einstellen.“

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