Tichys Einblick
Selbstbestimmungsgesetz

Wie die FDP Freiheitsrechte der „Queerpolitik“ opfert

Die Absurdität des neuen Selbstbestimmungsgesetzes kennt keine Grenzen: eine Frau kann noch während der Schwangerschaft das Geschlecht wechseln und als "Mann" ein Kind gebären. Einen solchen Menschen als "Frau" zu bezeichnen, hat in Zukunft rechtliche Konsequenzen - dank FDP. Von Stefan Fuchs

IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Am Mittwoch beriet der Bundestag darüber, wie „Männer“ Kinder gebären können. Denn das ist tatsächlich eine Konsequenz des von der Ampel-Regierung eingebrachten Gesetzes zur „Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag“. Es sieht vor, dass „jede Person, deren Geschlechtsidentität von ihrem Geschlechtseintrag im Personenstandsregister abweicht“, vom Standesamt verlangen kann, ihren Geschlechtseintrag zu ändern. Dafür muss sie lediglich selbst erklären, dass der neu gewählte Eintrag ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht“ (§2). Gutachten sind dafür nicht mehr erforderlich, weder von Medizinern noch von anderen Sachverständigen. Ziel des sog. Selbstbestimmungsgesetzes ist es, die „personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung und die Vornamenswahl von der Einschätzung dritter Personen zu lösen“ (§1). Das gebietet die Menschenwürde der Betroffenen, lautete das Totschlagsargument der Befürworter des Gesetzes.

Die absurden Konsequenzen des Gesetzes blendeten sie dabei völlig aus. Zu diesen gehört, dass auch eine schwangere Frau ihren Geschlechtseintrag ändern und dann als rechtlicher „Mann“ ein Kind gebären kann. Solche Fälle gibt es tatsächlich. Dem Bundesverband Trans* zufolge haben weltweit schon Dutzende „trans* Männer“ nach ihrer Transition leibliche Kinder geboren. Einen solchen „Mann“ wahrheitsgemäß als Frau und Mutter zu bezeichnen, wird künftig verboten sein. Denn es verstößt gegen das „Offenbarungsverbot“ im Selbstbestimmungsgesetz.

Demnach darf der frühere, vor der Änderung eingetragene Geschlechtseintrag (wie auch der Vorname) nicht „offenbart oder ausgeforscht werden“ (§ 13). Das soll verhindern, dass transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen gegen ihren Willen geoutet werden“, erklärt Sven Lehmann, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfamilienministerium und „Queer-Beauftragter“ der Bundesregierung. Hinsichtlich des „Offenbarungsverbots“ geht ihm der Gesetzentwurf nicht weit genug, weil er Ausnahmen für „nahe Angehörige“ (Kinder, Ehepartner) vorsieht. Nach Auffassung des „Queer-Beauftragten“ sollten auch Kinder, die ihre biologischen Eltern als Vater oder Mutter bezeichnen, Bußgelder zahlen. Diese Strafen für Aussprechen der Wahrheit sollen dem Zweck dienen, dass „das Recht jeder Person auf Achtung und respektvolle Behandlung in Bezug auf die Geschlechtsidentität zu verwirklichen“ (§ 1).

Die sogenannte „Geschlechtsidentität“ (gender) ist der Dreh- und Angelpunkt des Gesetzes. Um sie dreht sich auch Lehmanns Weltbild. Die biologische Realität des Geschlechts (sex) stört da nur, insbesondere die Mutterschaft. In einem Fachgespräch zur „Geburtssituation“ in Deutschland, kritisierte Lehmann, dass die Geburtshilfe in Deutschland zu „frauenzentriert“ sei. „Queere“ Familien würden sich da nicht hinreichend berücksichtigt. Lehmanns Mission ist die „sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“. Die „binäre“ Geschlechtereinteilung in Frauen und Männer hält er für „unwissenschaftlich“. Dafür kann er sich auf das Bundesverfassungsgericht berufen. In seinem Urteil zum „Dritten Geschlecht“ (2017) verlautbarte das Gericht, dass

sich das Geschlecht nicht allein nach genetisch-anatomisch-chromosomalen Merkmalen bestimmen oder gar herstellen lässt, sondern von sozialen und psychischen Faktoren mitbestimmt wird“.

Schlicht als „Unfug“ bezeichnete diese Aussage die Biologin und Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard in einem lesenswerten Interview mit der EMMA. Sie erklärte:

„Wie man sich fühlt, das lässt sich durch soziale und psychologische Umstände ändern. Das biologische Geschlecht aber eben nicht. Das ist dort, wo wirklich Wissenschaft betrieben wird, auch völlig unstrittig. … Natürlich gibt es beim Gender, dem sozialen Geschlecht, eine Bandbreite, während es beim biologischen Geschlecht nur weiblich oder männlich gibt.“

Nüchtern erläutert die Biologin, dass Geschlecht ein biologisches Schicksal ist:

„Menschen behalten lebenslang ihre Geschlechtszugehörigkeit. Natürlich kann man durch Hormongaben erreichen, dass zum Beispiel ein Mädchen, das Testosteron nimmt, eine tiefe Stimme und Bartwuchs bekommt. Aber davon wachsen dem Mädchen keine Hoden und es wird keine Spermien produzieren. Und biologische Männer produzieren auch durch Hormongaben keine Eier und können keine Kinder gebären. Das Problem dabei entsteht, wenn es zu irreversiblen Eingriffen kommt.“ #

Zu solchen irreversiblen Eingriffen kommt es immer häufiger. Ausweislich der Krankenhausstatistik ist die Zahl der „Operationen zur Genitalorganumwandlung“ an 15-25-Jährigen seit 2007 um mehr als das 15-fache (!) gestiegen. In absoluten Zahlen: Von 54 im Jahr 2007 auf 917 im Jahr 2021. Diesen Genitaloperationen geht die (jahrelange) Einnahme von Hormonen voraus. Zu diesen Hormonbehandlungen werden keine Zahlen erhoben. Skandalös in einer Zeit, in der „evidenzbasierte“ Medizin gefordert wird. Zumal es hier um junge Menschen geht. Die hormonellen Behandlungen können bei ihnen zu irreversiblen Schäden und Infertilität führen. Sie beginnen mit der Einnahme sog. Pubertätsblocker (GnRH-Analoga). Das sind synthetische Hormonpräparate zur Unterdrückung der natürlichen Geschlechtshormone, die in der Humanmedizin hauptsächlich in der Krebstherapie zum Einsatz kommen.

Erfahrene Kinder- und Jugendpsychiater wie Alexander Korte warnen vor Pubertätsblockern. Eine normale Pubertätsentwicklung sei für junge Menschen nötig, um sich mit ihrem Geschlecht und ihrer Identität auseinanderzusetzen und zu reifen. Korte und sein Kollegen beobachten, dass es vor allem junge Frauen sind, die meinen das „falsche“ Geschlecht zu haben und behaupten „trangender“ zu sein. Das „Selbstbestimmungsgesetz sieht er kritisch, weil es Minderjährigen ab 14 Jahren ermöglicht, ihren Geschlechtseintrag zu ändern. Hormonelle und operative Behandlungen können sie dann auch gegen den Willen ihrer Eltern und den Rat von Ärzten vornehmen lassen. Dazu meinte Nüsslein-Volhard gegenüber der EMMA:

„Das ist Wahnsinn! Mit 14 sind ganz viele Mädchen in der Pubertät unglücklich. Ich kenne das ja selbst. Ich war mit 14 auch unglücklich und wollte lieber ein Junge sein. … Aber dann muss man einen Weg finden, wie man sich durchsetzt. Das ist es doch, was man den Mädchen raten und wobei man sie unterstützen muss.“

Eben dies ist der Ansatz des Jugendmediziners Korte, der auf Psychotherapien zur Behandlung sogenannter „Geschlechtsdysphorie“ setzt. Nach seiner Erfahrung können Therapien vielen jungen Frauen, die sich im falschen Geschlecht, tatsächlich helfen. Denn hinter der Selbstidentifikation als „trans“ verbergen sich oft andere Probleme, gerade bei pubertierenden Mädchen. Dass immer mehr Mädchen meinen, „trans“ zu sein, führt er auf Gruppendynamiken und einen medialen Hype zurück. Eine besonders fatale Rolle spielen dabei Influencer(innen) auf Social Media. Aber auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk fördert die Trans-Agenda. Das zeigt Korte gemeinsam mit mehr als 100 Naturwissenschaftlern in dem Dossier „Ideologie statt Biologie im ÖRR“. Die Analyse war schmerzhaft für die Queer-Lobby. Das zeigte unter anderem die Reaktion Lehmanns, der sie als „transfeindlich“ und „menschenfeindlich“ denunzierte.

„Transfeindlich“ bzw. „transphob“ sind für Lehmann Befürchtungen, dass Männer durch Umfirmierung zur „Frau“, in Schutzräume für Frauen eindringen könnten. Dass beispielsweise Sexualstraftäter nach einer Transition zur „Frau“ verlangen könnten, in Frauengefängnissen untergebracht zu werden. Wie etwa in Schottland, wo im letzten Winter ein zur „Transfrau“ mutierter Vergewaltiger das neue Gender-Gesetz nutzen wollte, um in ein Frauengefängnis verlegt zu werden. Es gibt Frauenrechtlerinnen, die diese Probleme sehen und deshalb den gesetzlichen „Geschlechtswechsel“ durch bloße „Selbstidentifikation“ ablehnen. Lehmann nennt sie „TERF“ (Trans-Exclusionary Radical Feminists). Alle Kritiker der Transgenderideologie will er geächtet sehen. Deshalb ist Lehmann das „Offenbarungsverbot“ so wichtig. Kritische Stimmen sollen zum Schweigen gebracht werden. Das widerspricht zwar allen liberalen Prinzipien. Der FDP-Justizminister aber behauptet, dass es dem Gesetz „nicht um Identitätspolitik oder Zeitgeist“, sondern um die „Würde der Person“ ginge. Wieder einmal gibt die FDP urliberale Prinzipien auf und das für ein Gesetz, das jeder Vernunft Hohn spricht.


Dr. Stefan Fuchs promovierte bei Prof. Dr. Tilman Mayer zu Familienpolitik und Fertilität und veröffentlichte bei Springer-Verlag die Monographie „Gesellschaft ohne Kinder. Woran die neue Familienpolitik scheitert“.

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