„Energiewende ausgeträumt – droht jetzt der Blackout?“ lautete der Titel des noch jungen TV-Formats Tichys Ausblick des Frankfurter Wirtschaftsjournalisten Roland Tichy. Tichy, nein das ist nicht der Raumpilot von Stanislaw Lem, sondern der langjährige und einflussreiche Redaktionspilot seines nun seit Jahren eigenen Magazins TichysEinblick.de. Tichy, nie verlegen, um sich auch harten Themen in ungeschminkter Sprache zu widmen, griff mit seinen drei hochrangigen Gästen, dem Kraftwerksingenieur Frank Hennig, dem Umweltsenator a.D. Prof. Dr. Fritz Vahrenholt und dem Unternehmer und MdL Albert Duin ein heftiges Thema auf: Energie-Unsicherheit.
In der Standardpresse fehlen diese Informationen meistens. In Fachkreisen ist aber alles längst bekannt. Alle Grundzüge dieser Diskussion ergeben sich aus dem Gespräch der drei Experten zusammen mit einem kundigen Moderator. Deshalb wollen wir hier nichts abschreiben, aber auch die Worte als Partner für sich stehen lassen. Denn diesen ist kaum etwas hinzufügen. Das hätten wir kaum besser gekonnt. Faktisch ist zusammenzufassen: Wir geraten in Deutschland in einen katastrophalen Energie-Notstand. Das war vorauszusehen, als die Merkel-Regierung einseitig und überhastet den Ausstieg aus Kohle und Atomenergie fast gleichzeitig befahl. Das war wie eine Übersprungshandlung, um politisch verlorenes Land im Volk zu gewinnen. Das war aber auch die dümmste Entscheidung der nächsten Jahrzehnte und die schlimmste für die deutsche Entwicklung im Privaten wie in der Industrie.
Das bedeutet, dass Deutschland keine eigene Energievorsorge für die Grundlast mehr hat und sie auch nicht mehr haben kann. Der Grund ist einfach. Wind weht einmal und einmal nicht, und vor der Sonne gibt es auch des öfteren Wolken, und wir sind kein kleines Land wie Norwegen, dass sich auf Wasserkraft, Erdöl und später Thorium verlassen kann. Wir sind Deutschland, wie es steht und liegt. In Deutschland benötigen wir über 600 Terawatt-Stunden (THw), um unseren Energiebedarf zu decken gegenwärtig und künftig wahrscheinlich noch 15 bis 20 Prozent mehr. Woher soll der künftige Strom kommen? Und was ist mit der Grundlast? Das ist die Energiemenge, die immer vorgehalten werden muss.
Die Tankeralternative, also durch die USA mit Öl aus Fracking versorgt zu werden, ist nicht viel besser. Noch ist aber das Terminal in Bremen nicht fertig, das dauert auch noch zehn Jahre, um dort mit „umweltneutralen und sauberen“ Großtankern Öl anlanden zu können. Für Elektroautos ist nicht einmal im Ansatz genug Strom da. Das liegt daran, dass die Spitzenlasten keine Chance haben, irgendwie aufgefangen werden zu können, da die Verbraucher in der Regel zur gleichen Zeit beziehen und weil sich Strom nicht im Netz speichern lässt. Demzufolge rechnet Duin vor, brauchen wir konservativ gerechnet für nur 10 Millionen PKW allein für private Wagen 18 Terawatt, das sind dann 1,5 Kernkraftwerke. Ähnlich ist das mit der Wasserstoffsynthese, für die es übrigens auch hauptsächlich Erdöl braucht, für die dann allerdings nicht genügend „grüner” Strom da sein wird. Ein „wir schaffen das“ kann nicht klappen, da es weder Flächen noch geeignete Technologien gibt.
Dann kommt noch das Recycling-Problem für viele der längst schon marode gewordenen Windkraftanlagen und für die verschlissenen Solaranlagen dazu. Wenn die Betriebsgrenze erreicht ist, gehen die kleinen Tochtergesellschaften einfach in Insolvenz, während die Gewinne längst abgeflossen sind, und die Kommunen und privaten Eigner müssen mit der teuren Entsorgung fertig werden. Statt staatlicher Förderung muss es hier einen amtlichen versicherten Rücklagenvorbehalt geben, wie es im Bergbau für die Ewigkeitskosten vorgesehen ist. Es wird keine Probleme geben, wie fast alle Politiker immer und immer wieder versicherten. Das sehen wir ganz anders, denn die Katastrophe ist längst schon absehbar. Wir werden Energie-Preissteigerungen um das Dreifache haben. Das ergibt sich dann aus der absichtlichen Verteuerung der CO2-Emission, dem ein Drittel Mehrkosten für Transport und Rückverstromung, den Abgaben an den Staat und dem völlig ungelösten Problem der Spitzenlasten.
Wir sind in einer neuen Abhängigkeit. Und damit wird ganz nebenbei die industrielle Basis in Deutschland zerstört. Das sitzt tief, nur kaum jemand hat es bereits begriffen, während sich die Politiker das Problem schön reden oder besser: es verschweigen. Aus Bayern kommt der Ruf. Es klingt wie ein Hilfeschrei vom MdL Duin: „Wir können ganz Deutschland überdachen, mit Photovoltaik und Windkraft, es langt nicht.“ Das ist nämlich mit 8.760 Stunden Windkraft eben nicht zu machen, und die Verwunderung ist groß, dass das nicht endlich mal einer begreift. Das hat nämlich selbst im Sonnenstaat California alles nicht geklappt. Wo man Kohle und Gaskraftwerke abgeschaltet hat und die Versorgung zusammenbricht, wenn alle um 17:00 Uhr ihre Klimaanlagen anschalten und beginnen, ihre E-Mobile zu laden.
Die energieintensiven Unternehmen – Glas, Stahl, Alu, Serverfirmen wandern ab. Sie werden, einmal abgewandert, nie wieder zurückkommen. Hilfreich kann jetzt nur sein, die Laufzeit der bisherigen sechs Kernkraftwerke zu verlängern. Allerdings hatte sich die Industrie vielerorts auch schon darauf eingestellt. Eher nicht mehr durch produktive Arbeit, sondern durch Kompensationen oder Ausgleichszahlungen Geld zu verdienen. Das ist Staatsversagen pur und der Normalbürger ist nicht viel besser, weil er das so hinnimmt.
Torsten Kurschus