Der Kulturbetrieb war schon lange, wenn er politisch war, weitestgehend ideologisch links. Aber im 20. Jahrhundert vertrat er auf mehr oder weniger kreative Weise die Opposition und dadurch entstand ein kreatives Gegengewicht zu den herrschenden Konservativen.
Die Zeiten haben sich geändert: Heute ist die Kunst immer noch „links“. Aber seit die Leitkultur der Political Correctness die Macht im öffentlichen Raum übernommen hat, ist die Kunst nur noch der künstliche Arm der herrschenden Ideologie. Abweichler werden nicht geduldet. Sie werden ausgeladen, diffamiert, Cancel Culture eben. Dem „falschen“ Denken soll auf keinen Fall eine Bühne gelassen werden, Deplatforming. Erinnerungen an totalitäre Systeme des 20. Jahrhunderts werden wach.
Das Erstaunliche dabei ist, dass sich die herrschenden Identitätslinken immer noch als Opposition inszenieren. Dies ist offenbar Grundlage ihres Selbstverständnisses. Und es zeugt von ihrem kompletten Realitätsverlust.
Der NZZ-Kolumnist Milosz Matuschek eine Spendenkampagne gegen die „Cancel Culture“ gestartet. Ausgelöst wurde dies durch die Skandale um die Kabarettisten Dieter Nuhr und Lisa Eckhart, die leider nicht die einzigen dieser Art sind. Auch ich wurde schon Opfer der Cancel Culture, wieder ausgeladen aufgrund der falschen politischen Ansichten. Auf der Webseite der Kampagne gegen Cancel Culture heißt es:
Das Spendenziel sind 200.000 Euro, von denen u.a. ein Unterstützungsfonds für alle von Cancel Culture Betroffenen eingerichtet werden soll. Auch Aufklärungsarbeiten über Cancel Culture an Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geplant.
Allerdings muss man wohl sagen: Der ehemalige NZZ-Kolumnist Milosz Matuschek. Denn möglicherweise wurde Milosz Matuschek nun selbst Opfer der Cancel Culture. Er schreibt auf facebook, dass seine Kolumne vom 1. September nun auch seine letzte war, sprich: Er wurde von der NZZ „gekündigt“.
Das undemokratische Canceln von Worten
Wie Umfragen klar machen: Die Bevölkerung ist zu drei Vierteln gegen den Gendersprech und Umbenennungen von Straßen. Aber Demokratie hat noch keine Ideologie interessiert, wenn sie der Ideologie widerspricht. Gender Mainstreaming, Multi-Kulti-Ideologie, Cancel-Culture usw. sind solche von oben verordneten und nicht im Volk gewachsenen und vom Volk bestimmten ideologischen Leitkulturelemente.
Es wurde verschiedentlich vermutet, die Umbenennung der Zigeunersoße von Knorr sei eine Anpassung an den Meinungsdruck der herrschenden Antirassismus-Ideologie. Ich glaube, es ist viel schlimmer. Knorr sieht sich selbst als Vertreter der herrschenden Ideologie und will deshalb seine eigene Identität, seine eigene Geschichte canceln. Aber es gibt schließlich auch die Firma Kühne. Dort gibt es die Zigeunersoße noch. Lassen wir es uns schmecken.
Die von oben verordnete Sprachreinigung
Eine herrschende „Elite“ beschließt, welche Worte aus der Sprache zu tilgen seien. Dann wird das Volk weichgekocht, bis es nicht mehr weiß, wie ihm geschieht. Man sollte sich fragen, ob man sich noch traut, in der Öffentlichkeit ohne jede Diskriminierungsabsicht das Wort „Neger“ oder „Zigeuner“ zu benutzen. Dann merkt man, wie tief bereits ins Unterbewusstsein vieler Menschen eingedrungen wurde.
Die wenigen, die sich trauen, unangepasst zu sein, wischt man weg und dämonisiert man, wie derzeit im Falle der Proteste gegen die Corona-Politik: Nazis, Leugner, Phobiker, Covidioten. Sie können nur krank sein. Auch hier drängen sich Assoziationen zu dunklen Zeiten auf.
Es geht längst nicht mehr um Meinungsfreiheit
Wenn in den Medien, in den Schaltstellen der Gesellschaft, in Kunst und Kultur alle die gleiche ideologisch geprägte Meinung haben, was hilft dann die Meinungsfreiheit? Wahrscheinlich gibt es dort sogar Meinungsfreiheit tatsächlich, weil eben alle der gleichen Meinung sind. Im Neuen Deutschland der DDR gab es auch Meinungsfreiheit, solange alle der richtigen Meinung waren.
Wer Karriere im Sinn hat, passt sich überall an. Er wird dies nicht einmal wahrnehmen, es vollzieht sich automatisiert im Unterbewusstsein. Vor einigen Tagen beklagte im Deutschlandfunk ein deutscher Kunstkurator ohne Ironie die mangelnde Meinungsfreiheit für Künstler in China. Warum verwies er nicht auch auf Deutschland? Weil es ihm vermutlich im Traum nicht einfiel, sich ein politisch unkorrektes Kunstwerk vorzustellen. Ein Kunstwerk, das gerade deshalb ein Recht auf Ausstellung hat, aber gerade deshalb nicht ausgestellt wird. Ein Grund, sich dies nicht vorstellen zu können, ist vielleicht auch die Tatsache, dass solche Kunstwerke schlicht nicht sichtbar sind.
Also stellt sich die Frage, wie frei unsere Gesellschaft wirklich ist, wenn nur politische Kunst zu sehen ist, die sich als links versteht? Wie frei ist unsere Gesellschaft, wenn die Lesungen der wenigen „rechtskonservativen“ Künstler und Schriftsteller gestört und gesprengt werden? Wie frei ist unsere Gesellschaft, die von einer rigide durchgesetzten identitätslinken Leitkultur geprägt ist, die von einer politisch korrekten Ökobourgeoisie vorgegeben wird? Wie frei ist sie, wenn der Widersprechende mit Mobbing oder seiner medialen Hinrichtung rechnen muss?
Und es ist eine Frage der Sichtweise: Mobbing kann auch aktives Zeichen der „richtigen“ Moral werden als heldenhafter Einsatz für das Gute und Wahre. Als Haltung zeigen, sogar vom Bundespräsidenten gefordert.
Filmförderung
Die deutsche Filmförderung, die für die Subventionierung deutscher Filme zuständig ist, produziert Filme mit politisch korrekten Wahrheiten. Das heißt, sie bestimmt, was im Film gesagt werden darf und was nicht.
Es entstehen Filme, die der aktuellen political Correctness entsprechen. Das Frische, Neue, das Widerborstige: Fehlanzeige. Dass diese moralischen Vorgaben eingehalten werden, darüber entscheiden, die Gremien, die Jurys, die Redakteure, alle politisch korrekt eingenordet. Der neue deutsche Film ist inzwischen so spannend, wie der alte DDR-Film. Ein ödes pseudoprogressives Einerlei, ein Erbauungskino der herrschenden Moral.
Meinungsvielfalt statt öder Einfalt
„Eine festgelegte Leitkultur richtet sich nur an unmündige Menschen, die der Leitung bedürfen“, so Jörg Scheller in einem Zeit-Online Artikel. Typischerweise fiel ihm nicht ein, dass es die Medien sind, die in rigider Weise ihre politisch korrekte Leitkultur durchsetzen. Für das Establishment ist die Leitkultur die Anderen, die Rechten. Die Machthaber können sich weder vorstellen, dass sie längst die Deutungshoheit und damit die Macht haben, noch dass sie selbst die Leitkultur definieren.
Aber wir brauchen weder Belehrungsmedien noch Belehrungskunst, die uns sagen, wo der moralische Barthel den grünroten Most zu holen hat. Wir brauchen keine einheitliche Beurteilung von Politik und Kunst in Medien, die als öde Felder einer medialen Monokultur erscheinen und deren Früchte höchstens durch eine unterschiedliche Intensität von rot, grün und violett zu unterscheiden sind. Wir brauchen Meinungsvielfalt. Wir brauchen bunte Widerspruchs-Kunst gegen eine öde, verordnete Leitkultur.
Die Linke und die Arbeiterkunst
Weil die herrschenden Identitätslinken stur an ihren Dogmen festhalten, verstehen sie das Unbehagen jener nicht, denen ökonomische, politische und kulturelle Ressourcen versagt bleiben. Der Linken ist die Unterschicht und die untere Mittelschicht egal, ihr sind die Arbeiter abhanden gekommen. Und die interessieren sich nicht für 99 Geschlechter und die daraus entstehenden Kunstfürze. Der Linken sind die Arbeiter egal (welch Ironie), solange sie ihre Divisionen in den Medien hat. Arbeiterkunst, nein danke. Das war mal in den 60ern.
Heute ist das RTL2. Deshalb sehe ich mit offenen Ohren und offenem Herzen: Shopping Queen und Ähnliches. Wer sich darauf einlässt, und auch mal in die Arbeiterkneipe geht, kann verstehen …
Die Quote für Anti-Mainstream-Kunst
Für Minderheiten, die angeblich nicht zu Wort kommen oder sich sonst irgendwie unterdrückt fühlen, wird heute von ihren identitstslinken Vormündern eine Quote gefordert.
Nun gilt es darüber nachzudenken, ob eine Quote für eine artenbedrohte Gattung, für ein oppositionelles Kunstbiotop durchzusetzen wäre.
Es stellt sich die Frage, ob eine bestimmte Quote der Kunstsubventionierung in nicht dem herrschenden Zeitgeist angepasste Kunst fließen muss.
Es stellt sich die Frage, ob die heute herrschende Kaste, wie die Konservativen in den 70er Jahren, Kritik an sich selbst nicht nur zulässt, sondern auch für deren Subventionierung sorgt.
Bei den nordamerikanischen Indianern hatten es die Verrückten gut. Sie wurden als Heilige betrachtet. Im Absolutismus der Vergangenheit bezahlten die Mächtigen Hofnarren, damit ihr eigenes Gedankeneinerlei wenigstens zeitweise durchbrochen werde.
Es geht also um eine Quote für abweichende Meinung in Kunst und Kultur, die heute dämonisiert wird als rechts, verschwörungstheoretisch, krank-toxisch (männlich), phobisch (Islamophobie) etc.
Also nicht Cancel Culture, sondern Abweichungskultur, das nicht an die herrschende politische Korrektheit Angepasste, braucht die Kunst.
Eine ungeheure Provokation? Ja, darf man das sagen? Darf man das denken?
Machen wir uns doch die Forderung nach Buntheit zu eigen: Eine Quote für subventionierte Kunst und Kultur, wenn sie bunt, also abweichend von der herrschenden Farbe ist, und zwar egal, welche Farbe herrscht.
Ich habe gehört, Provokation sei die Aufgabe moderner Kunst. Hei, da fliegen dann die Fetzen!