Tichys Einblick
Der Tatverdächtige von Hagen

Vom „Syrer“ zum „Hagener“ und zurück

Wie aus dem Hauptverdächtigen des vereitelten Anschlags auf die Synagoge in Hagen erst „ein 16-jähriger Hagener mit syrischer Staatsbürgerschaft“ dann doch ein „Syrer“ wurde.

picture alliance/dpa | Roberto Pfeil

In der ersten Nachricht am Donnerstag, dem 16. September, verbreitete sich die offizielle Täterbeschreibung zum vereitelten Anschlag auf die Synagoge in Hagen: „16-jähriger Hagener mit syrischer Staatsbürgerschaft“. So stand es in den Online-Ausgaben der Presse; die Tageschau (20:00 Uhr) ersetzte die „syrische Staatsbürgerschaft“ durch „syrische Wurzeln“. Die Zeitungen vom Freitag benannten den Tatverdächtigen schon verschieden: Für die Süddeutsche Zeitung war er „ein 16-jähriger Hagener Jugendlicher, der aus Syrien stammt“; für den Münchner Merkur „ein 16-jähriger Syrer, der in Hagen lebt und 2015 im Rahmen des Familiennachzugs über Beirut nach Deutschland gekommen ist“. Die Frankfurter Rundschau begnügte sich mit der Angabe „16-jähriger Jugendlicher“.

Gegen diesen 16-jährigen Jugendlichen namens Oday J. wurde am Freitagabend „wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ Untersuchungshaft angeordnet, und seit Samstag, den 18. September, ist er für die meisten Medien nicht mehr „ein Hagener“, sondern „ein Syrer“.

„Hagener“ und/oder „Syrer“?

Die Herkunftsangaben „Hagen“ bzw. „Syrien“ haben im vorliegenden Fall einen verschiedenen Informationswert. Oday J. wohnt derzeit in Hagen, ist also „Einwohner“ der Stadt und gilt für die Meldestatistik als „Hagener“. Eine besondere Beziehung zur Stadt wie im Ausdruck „ein echter Hagener“ ist damit nicht verbunden.
Andererseits stammt Oday aus Syrien; er wurde dort geboren sowie sprachlich, kulturell und religiös sozialisiert. Diese Herkunftsangabe trägt viel mehr dazu bei, Motive und Ziele des geplanten Anschlages zu verstehen, als sein heutiger Wohnsitz in Hagen, der nur eine technische Bedeutung hat, nämlich die örtliche Nähe zum Tatort.

Warum wurde Oday zunächst NRW-amtlich und in den Medien als „Hagener“ bezeichnet? Vermutlich aus politischer Korrektheit: Der Migrationshintergrund des Täters sollte in den Hintergrund rücken: Ein „Syrer“ schafft sprachlich Abstand und Abgrenzung gegenüber den „Deutschen“; ein „Hagener“ hingegen klingt wie „einer von uns“. Zwei Tage später hatte man allgemein begriffen, dass der Tatvorwurf „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ zu ernst ist für einen solchen Benennungstrick, und so wurde aus dem „Hagener“ wieder ein „Syrer“.

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