Tichys Einblick
Politischer Wortschatz

„Wumms!“ und „Doppelwumms!!“

Ein Wort, genauer: Empfindungswort (Interjektion), das man hauptsächlich aus Kinderbüchern und Comics kennt, tritt nun auch im politischen Kontext auf: „Wumms“. Aber was bedeutet es hier, und wie ist dieser Wortgebrauch zu bewerten?

IMAGO/photothek - Collage: TE

Auf die politische Bühne kam „Wumms“ zu Beginn der Corona-Zeit, genauer: am 3. Juni 2020, als der damalige Finanzminister Olaf Scholz ein großes Konjunkturprogramm vorstellte mit der Botschaft: „Wir wollen mit Wumms aus der [Corona-]Krise kommen.“ Zwei Jahre später, in der Energiekrise, legte Scholz als Bundeskanzler angesichts einer Vervielfachung der Gas- und Strompreise ein 200-Milliarden-Programm auf, das er in einer Videobotschaft am 29. September 2022 als „Doppelwumms“ bezeichnete; O-Ton:

„Ich hab einmal bei anderer Gelegenheit [als Finanzminister 2020] gesagt: Die Maßnahmen, die wir ergreifen, sind ein [Pause] Wumms! Man kann sagen, das ist hier ein Doppelwumms! Es soll dazu dienen, dass jetzt schnell, zügig und für alle schnell feststellbar die Preise sinken für Energie, so dass sich niemand Sorgen machen muss, wenn er an den Herbst und Winter denkt.“

Sprachlich erntete der Doppelwumms ziemlich Kritik: Der Ausdruck sei „infantil“, hieß es, die Regierung spreche zu den Bürgern „wie mit kleinen Kindern“. Und in der Süddeutschen Zeitung (8./9. Oktober 2022) bewertete der – dem Kanzler ansonsten wohlgesonnene – Kommentator Heribert Prantl dieses Neuwort als „sprachlich noch etwas täppischen Versuch“ eines „demokratischen Populismus“, um das Volk in seiner Breite anzusprechen.

In Wumms und Doppelwumms steckt als Grundwort die lautmalende (onomatopoetische) Interjektion wumm, die das dumpfe Geräusch eines Knalls oder Aufpralls nachahmt. Solche schallnachahmenden Wörter (bum, peng, plumps u. Ä.) gehören zum sprechsprachlichen Wortschatz; in der Literatursprache sowie in Sachtexten werden sie kaum verwendet. Die ersten schriftlichen Belege für wumm finden sich in Lesebüchern für Schulkinder, zum Beispiel dem „Lesebuch für Bürgerschulen“ (Hannover 1872): Im Gedicht „Bremse“ wird geschildert, wie das Insekt in einem Zimmer mit geschlossenen Fenstern hin- und herfliegt, herauskommen will und sich dabei an der Fensterscheibe zu Tode stößt:

Sie [die Bremse] fliegt und fliegt, mit Summ und Wumm […].
„Ich will hinaus! Ich muss hinaus!“
Sie stieß sich tot,   ̶ da war es aus! Wumm!

Auch Kanonen machen Wumms: Im Ersten Weltkrieg (1914–1918) wurde dafür das Verb wumm-ern gebildet, dessen Gebrauch der Frontoffizier und Schriftsteller Ernst Jünger (1895–1998) in seinem Tagebuch („In Stahlgewittern“, 1920) so erklärte: „Für das ferne Brodeln des Kanonendonners hatten wir den klangvollen Frontausdruck es wummert geprägt.“ Die militärische Metaphorik von wumm(s) war Scholz bei seinen Äußerungen durchaus bewusst: Er nannte die Maßnahmen des Doppelwumms auch einen „Abwehrschirm“ und die des Wumms eine „Bazooka“ (Gerät zum Abschießen von Raketen zur Panzerabwehr).

Zum Wortfeld von wumm(s) gehören auch umgangssprachliche Redewendungen wie Wumm(s) haben, mit Wumm(s), wo die Interjektion als Substantiv im Sinne von „Energie, Durchschlagskraft“ verwendet wird: „Der Stürmer schießt den Ball mit Wumms ins Tor.“

Heißt es wumm oder wumm-s? Beide sind – ähnlich wie bum und bums – als Interjektion üblich; Scholz benutzte die jüngere und heute häufigere Form: wumms.

Fazit: Wumm(s) weckt zwar kindersprachliche Assoziationen, hat aber auch eine umgangssprachliche Bedeutung, und diese meinte Scholz: Statt „Wumms“ und „Doppelwumms“ hätte er auch sagen können „Klotzen, nicht kleckern“. Jedenfalls wollte er mit seinem einfachen Stilregister alle Bürger ansprechen, was sich auch an einem anderen sprachlichen Merkmal zeigt: Scholz sagte, „dass sich niemand Sorgen machen muss, wenn er an den Herbst und Winter denkt“; gendergerecht müsste der Kanzler „er oder sie“ sagen – aber das würde in diesem ernsten Zusammenhang „blöd“ wirken.

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