Tichys Einblick
Die letzte Zündung Hollywoods:

Oppenheimer: Schwanengesang des Kinos

In „Oppenheimer“ wird viel geredet, dennoch ist der Film einer der wenigen Lichtblicke der im Niedergang befindlichen Kinokunst. Bittersüß erinnert Christopher Nolan an jenen schaurigen Moment, an dem der Liberalismus seinen Siegeszug begann, just zu einem Zeitpunkt, an dem dieser – wie das Kino – sich seinem Ende zuneigt.

IMAGO / Picturelux

Der neueste Film von Christopher Nolan, „Oppenheimer“, erzählt einige der bedeutendsten Episoden aus der Lebensgeschichte des titelgebenden Physikers (gespielt von Cillian Murphy), der unter dem Beinamen „Vater der Atombombe“ in die Geschichte einging. Der Plural „Episoden“ ist dabei entscheidend, denn weder wird die gesamte Lebensgeschichte erzählt noch lediglich der zentrale Teil der Entwicklung der Atombombe.

Der Film findet nicht-linear – so mag es Nolan – auf drei Ebenen statt: Die erste Ebene zeigt die Zeit von den Studienjahren Oppenheimers bis zur Fertigstellung und dem Einsatz der Atombombe, die zweite Ebene seine Anhörung im Jahre 1954, bei der ihm wegen angeblicher kommunistischer Verbindungen die Sicherheitsbefugnis zur Mitarbeit an Projekten nationaler Sicherheit entzogen wurde, und die dritte Ebene spielt im Jahr 1959 und handelt von der Senatsanhörung und schlussendlichen Ablehnung als Handelsminister von Lewis Strauss (dargestellt von Robert Downey Jr.), dem in dem Film die Rolle des Antagonisten zukommt.

Allein schon an diesem Überblick wird deutlich: Es wird in dem Film viel geredet. Und angehört. Das ist angesichts der Hauptthematik schon mal nicht so verwunderlich. Denn so visuell beeindruckend eine Atomexplosion auch sein mag, sie stellt nur einen kurzen Moment am Ende eines der Handlungsstränge dar, der Weg dorthin war vor allem von Berechnungen geprägt, die normalsterbliche Kinobesucher in Dialogform wohl nicht wirklich nachvollziehen können. Das stellt eine Herausforderung an sich dar und führt zwangsläufig dazu, dass dieser Weg dramaturgisch aufbereitet wird. Wenn Wissenschaftler zusammentreffen, reden sie in „Oppenheimer“ nie wirklich über Formeln, Zahlen oder Berechnungen, sondern über Politik im weitesten Sinne. Wie weit sind die Nazis? Kann man diesem oder jenem vertrauen? In welche allgemeinverständliche Richtung soll sich die Forschung bewegen? Wer grundlegende Kenntnis des atomaren Wettrüstens hat, wird am Für und Wider der Entwicklung der Wasserstoffbombe eine kleine Freude haben, denn es sind kleine Brotkrumen der Wiedererkennbarkeit in einer Materie, die ansonsten alles andere als cineastisch ist.

Nolan liebt seine Dialoge. In der Hinsicht ist er das europäische und intellektuelle Gegenstück zu Quentin Tarantino. Damit hören die Ähnlichkeiten nicht auf: Beide lieben nicht-lineare Erzählstrukturen, beide gelten als Liebhaber der cineastischen Kunst und setzen folglich gerne auf großformatige Produktionen. So wie Tarantino „Hateful 8“ mit großem Tamtam auf 70mm Großformat veröffentlichte, nur um letztlich 2 Stunden lang in einer kleinen dunklen Hütte Samuel L. Jackson beim Vortrag von Tarantino-Dialogen zuzuhören, so produzierte auch Nolan im IMAX-Format mit großem Aufwand einen Film, der über weiteste Strecken wie ein verfilmtes Kammerspiel der 50er Jahre wirkt.

Das ist an sich nichts Schlechtes, aber es steht dennoch in einem auffallenden Kontrast zum Anspruch, das Kino als Format zu lieben und zu pflegen. Wenn die Filme von Nolan und Tarantino die letzten Bastionen des Kinos als Erfahrung sein sollen, dann muss man feststellen, dass der allergrößte Teil dieser Erfahrung wohl genauso gut zu Hause gemacht werden kann. Das hat nebenbei auch den Vorteil, dass man bei einer Laufzeit von 3 Stunden auch guten Gewissens eine Pause zur körperlichen Erleichterung einlegen kann, ohne einen wichtigen Dialogbaustein zu verpassen.

Zwei Anhörungen sind eine zu viel

Denn bei Nolan erscheint jedes Dialogfragment bedeutsam. Zugegeben, es ist ihm über weite Strecken gut gelungen, die Entwicklung der Bombe in Dialoge zu verpacken, die nachvollziehbar sind und größtenteils offensichtlichste Plattitüden vermeiden. Selten fühlt man sich als Zuseher unangenehm berührt ob der „Hollywoodifizierung“ eines wissenschaftlichen Forschungsprozesses, nur an wenigen Stellen spürt man eine leichte Distanz zum Geschehen, da der Film eine Tour de Force der Bedeutsamkeit sein möchte und dabei selbst trivialste Handlungen emotional so stark auflädt, dass der Bogen manchmal überspannt wird.

Das erzeugt Nolan vor allem über den Einsatz der Musik von Ludwig Göransson, die mit einem hohen Hans-Zimmer-Gehalt fast pausenlos dröhnend durch den Film pulsiert und selbst einfachste Dialogszenen in eine Atmosphäre unmittelbar bevorstehender Katharsis taucht. Der Mangel an Ruhe ist bedauerlich, da gerade diese Ruhe wohl dem Film das letzte Quäntchen Güte verpasst hätte, mit dem eine größere emotionale Auslotung möglich gewesen wäre. Stattdessen steht der Film unter Dauerstrom und wirkt damit stellenweise fast unsicher ob seines eigenen Spannungsbogens, als ob dieser künstlich aufrechterhalten werden müsste, um den Zuseher nicht zu verlieren. Dabei wäre das gar nicht notwendig gewesen; weniger wäre, in diesem Fall, wohl eindeutig mehr.

Angesichts des dialoglastigen Aufbaus der Entwicklung der Atombombe wirken die zwei weiteren Handlungsebenen, die jeweils Anhörungen behandeln, aber als zusätzliche Erschwernis. Jede dieser Ebenen mag für sich genommen ein gelungenes Gerichtssaaldrama darstellen, hier aber führen sie dazu, dass die 3-stündige Biographie zu einem nahezu endlosen Gespräch über Oppenheimer und dessen vermeintliche Sympathien für den Kommunismus wird. Was fehlt, jedoch, sind zum Beispiel solche Momente, in denen der Charakter des Protagonisten stärker ersichtlich wird, denn die Person Oppenheimers lebt einerseits von faktischen Handlungen – er war ein Frauenheld, also sehen wir ihn mit Frauen – und andererseits von der charismatischen und markanten Erscheinung Cillian Murphys.

Weder die politischen Beweggründe noch seine Beziehungen zu Frauen (Sucht er einfach sexuellen Austausch? Sucht er Nähe? Ist es zwanghaft?) wird erörtert. Seine jüdische Identität kommt lediglich als Motivation zum Ausdruck, um vor den Nazis die Atombombe zu entwickeln, doch seine Hinwendung zu fernöstlicher Spiritualität wird ebenfalls nicht nachvollziehbar gemacht. Die Dinge sind einfach so, wie sie sind. Das gilt, nicht zuletzt, auch für Oppenheimers Gewissensbisse nach dem Abwurf der Bombe auf Hiroshima. Zwar vermittelt er bereits vor dieser Entscheidung ansatzweise Zweifel an dem Einsatz, doch wird nie wirklich deutlich, aus welcher inneren Quelle sich diese speisen, da ansonsten der Ehrgeiz und die Machbarkeit des Unterfangens bei ihm im Vordergrund stehen.

Der Moment, an dem der Film zündet …

Der Höhepunkt des Films ist zweifelsohne die abschließende Vorbereitung und Durchführung des ersten gelungenen Atomwaffentests. Es ist zugleich die Szene, die am ehesten dem Medium Film, wie sie von cinephilen Filmemachern wie Nolan und Tarantino besungen wird, gerecht wird. Der Dialog tritt hier hinter das Bild zurück und Nolan beherzigt die alte Grundweisheit des Kinos „show, don’t tell“ – „zeige, anstatt zu erzählen“. Dieser Höhepunkt ereignet sich nach knapp zwei Stunden des Films, jener Zeit also, die bei einem gewöhnlichen Film bereits das Ende darstellen würde. Doch in Oppenheimer folgt darauf noch eine gute Stunde weiterer Verhandlungen und Anhörungen, die zwar zum Ende hin an Dringlichkeit und Stringenz zunehmen, die allerdings dennoch das Ende des Films antiklimaktischer erscheinen lassen, als es eigentlich ist.

Es soll an dieser Stelle kein Zweifel darüber aufkommen, dass Oppenheimer ein gelungener und sehenswerter Film ist. Wer das Werk von Nolan kennt und schätzt, kommt vollends auf seine Kosten. Dennoch ist es lohnenswert, einige Aspekte im Detail zu betrachten, da der Film zu einer Zeit erscheint, in der das Hollywood-Kino, ja, die gesamte Filmindustrie sich in einem krisenhaften Zustand befindet.

Mit einem Budget von 100 Millionen Dollar ist der Film nicht billig, bewegt sich aber auch nicht in finanziellen Sphären, die ein Studio an den Rand des Ruins treiben können. Ein Teil der Kosten ist auf Nolans Vorliebe für cineastische und großformatige Produktionen zu erklären. Nolan filmte mit IMAX-Kameras und ließ Kodak sogar ein eigenes Filmnegativ entwickeln, was alles nicht zu vernachlässigende Kosten mit sich bringt. Darüber hinaus stellt der Film ein Schaulaufen von Hollywoodgrößen dar, die zwar alle wohl einen Rabatt in Kauf nahmen, um mit Nolan zusammen zu arbeiten, die aber dennoch einen beträchtlichen Teil des Budgets beanspruchten. Neben Cillian Murphy übernehmen der bereits erwähnte Robert Downey Jr., Matt Damon und Emily Blunt zentrale Rollen in dem Film. Doch selbst in den Nebenrollen finden sich bekannte Gesichter, wie z.B. Kenneth Branagh, der als Niels Bohr in einigen Szenen zu sehen ist, sowie Gary Oldman als Präsident Truman, der nur in der langen Liste im Abspann beiläufig erwähnt wird.

Einerseits ist die Frage, ob diese geballte Starpower für einen Film, in dem Menschen hauptsächlich in Räumen sitzen und reden, überhaupt notwendig ist und ob es da nicht unbekanntere Charakterdarsteller ebenso getan hätten. Andererseits muss man eben feststellen, dass das bereits erwähnte Charisma der bekannten Schauspieler jene Mängel in der Charakterisierung der Figuren ausgleicht, das ansonsten wohl eklatanter zu Tage getreten wäre. Während Emily Blunt als Ehefrau Oppenheimers vor allem in jenen Szenen punkten konnte, in denen sie sich über die Diffamierung ihres Ehemanns ärgerte, erschienen jene intimen Momente zwischen den Eheleuten, wie der Abschied vor dem alles entscheidenden Test der Bombe, forciert bedeutungsschwanger und wenig innig, was aber wohl eher dem Drehbuch und der Regie von Nolan anzulasten ist als den Schauspielern.

Wenn schwierigen Fragen ausgewichen wird

Die mangelnde Charakterisierung tritt aber am stärksten in der Figur von Downey Jr.’s Lewis Strauss zu Tage, der wie ein Antagonist aus dem Bilderbuch erscheint. Strauss tritt zunächst als Förderer von Oppenheimer auf, entpuppt sich aber, nachdem Oppenheimer ihn in Frage des Exports von Isotopen lächerlich macht, als rachsüchtiger Charakter, der nur auf seine eigene politische Karriere bedacht ist und Oppenheimer zerstören möchte. Wohlgemerkt, Strauss war tatsächlich die treibende Kraft, die die Anhörung Oppenheimers im Zuge der McCarthy-Ära initiierte, aber die Reduktion auf dieses Verhältnis beraubt die Geschichte einer Differenzierung, die dem Film vielleicht besser getan hätte als die Hinzufügung der zweiten Anhörung, jener, die über Strauss’ politische Karriere als Minister entscheiden sollte.

Denn im Verhältnis zwischen Strauss und Oppenheimer offenbart sich in der Realität auch so manches über den Charakter von Oppenheimer, der keinen Eingang in den Film fand. Strauss war konservativ-jüdisch geprägt und Mitglied sowohl der Republikaner als auch vieler jüdischer Organisationen. Demgegenüber stand Oppenheimer, der als weltlicher Jude seinen Glauben kaum pflegte und fernöstlicher Spiritualität näher stand. Im Film aber zeigt sich Oppenheimer beim ersten Treffen der beiden ob der ungewöhnlichen Aussprache von Strauss’ Familiennamen überrascht und insinuiert, dass dieser seine jüdische Herkunft verstecke, während man bei Oppenheimer schon aufgrund seines Namens sofort wüsste, dass er Jude wäre. Ebenso sprach sich Oppenheimer nach dem Krieg dezidiert gegen die radiologischen Untersuchungen in der Atmosphäre aus, die Strauss als Leiter der Atombehörde forderte, um etwaige Atombombentests der Sowjets zu erkennen. Allerdings war es genau solch ein Test, der die erste Zündung einer Atombombe der Sowjetunion richtig erkannte. Der Laie Strauss hatte in diesem Fall Recht behalten.

Darüber hinaus war Strauss nicht nur gegen den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima und Nagasaki (er plädierte stattdessen für ein symbolisches Ziel, das die gewünschte Wirkung auch ohne den Verlust zigtausender Menschenleben hätte leisten können), er plädierte nach dem Krieg auch vor allem für eine Entwicklung ziviler Atomenergie, die den Strom so billig machen würde, dass „die Zähler nicht mehr anschlagen würden“. Wenn Strauss auch nicht ohne Fehl und Tadel war: Das Deutschland des Jahres 2023 könnte einen Strauss in manchen Fragen gut gebrauchen!

Der hauptsächliche Konflikt zwischen Strauss und Oppenheimer handelt von der Frage, ob die Wasserstoffbombe entwickelt werden sollte oder nicht. Oppenheimer hatte diesbezüglich die Forschungen von Edward Teller bereits im Zuge des Manhattan Projekts behindert und sprach sich nach der Entwicklung der Atombombe für eine Abrüstung, statt für ein Wettrüsten aus. Gerade in der heutigen angespannten Weltlage mag man auch diesen Vorschlag wieder aufgreifen, dennoch lässt sich nicht mit eindeutiger Sicherheit sagen, ob die Strategie der Abrüstung international umsetzbar gewesen wäre. Das Wettrüsten mag unschön erscheinen, allerdings kann man zumindest feststellen, dass nach 1945 keine Atomwaffe mehr im Kriegsfall eingesetzt wurde.

Hat das Wettrüsten und die Politik der Abschreckung also doch funktioniert? Es ist eine womöglich nicht zu beantwortende Frage, aber deren gründlichere Erörterung hätte dem Film wohl mehr gedient als eine weitere Anhörung. Zumindest an einer Stelle des Verhörs mit Oppenheimer dringt durch, dass vielleicht auch der Stolz, der „Vater der Atombombe“ gewesen zu sein, bei seiner Ablehnung der Weiterentwicklung zur Wasserstoffbombe eine Rolle gespielt haben könnte. Aber nicht nur bleibt der Film eine eindeutige Antwort auf diese Frage schuldig, er liefert auch zu wenig Anhaltspunkte am Charakter Oppenheimers, um darüber überhaupt sinnvoll zu spekulieren.

Eine moralische Frage, die ausbleibt

Eine ähnliche Chance zur Ausleuchtung des Charakters, sowie der moralischen Motivation hinter dem Bau der Atombombe, hätte sich an jener Stelle des Films geboten, an der Niels Bohr nach erfolgter Flucht aus Europa in den USA auftaucht und Oppenheimer von seinem Treffen mit dessen deutschem Gegenspieler Werner Heisenberg (gespielt von Matthias Schweighöfer) erzählt. Im Film berichtet Bohr davon, dass Heisenberg ihn um seine Mithilfe bei der Entwicklung der deutschen Bombe gebeten hatte. Bohr selbst wollte mit dieser Entwicklung nichts zu tun haben, möchte aber auch nicht den USA dabei helfen. Er spricht in dieser Szene Oppenheimer auch über die möglichen Folgen dieser Entwicklung ins Gewissen.

Das Treffen zwischen Heisenberg und Bohr ist zwar historisch belegt, doch die Quellen über den Verlauf sind diesbezüglich uneindeutig. Der Spiegel – dem man sicherlich keine Nazi-Freundlichkeit vorwerfen kann – berichtete 1967 von dem Hergang dieses Gesprächs, bei dem angeblich Heisenberg derjenige war, der moralische Zweifel an der Entwicklung der sogenannten Uranbombe hatte und eine Verständigung zwischen deutschen und amerikanischen Physikern anstrebte, um vom Bau der Bombe abzusehen. Letztlich landete aber Bohr in den USA und berichtete, dass die Deutschen wüssten, wie man die Bombe baue. Allerdings gab Heisenberg auch zu bedenken, dass dies keinen entscheidenden Einfluss mehr auf die Forschungen in den USA hatte, da die Entscheidung dazu zu diesem Zeitpunkt bereits gefallen war.

Dieser Aspekt, ob es sich tatsächlich um ein Wettrennen mit Deutschland um die Bombe, oder doch um ein Projekt der Machbarkeit handelte, an dem selbst angesichts der deutschen Nichtbeteiligung an diesem Wettrennen festgehalten wurde, wird im Film allerdings nicht wirklich beleuchtet. Selbst als die Nachricht von Hitlers Selbstmord den ursprünglichen Zweck des Projekts ad absurdum führt, wird ohne größere Beleuchtung der moralischen Implikationen innerhalb einer Szene der Umschwung auf Japan als nächstes Ziel vollzogen. Hier hätte der Film eine Chance gehabt, die Geschichte, die letztendlich auch eine Geschichte vom Willen zur Macht ist, weitaus tiefgründiger zu erörtern als in einer relativ eindeutigen Skizzierung zwischen guten Kräften, die die bösen Mächte besiegen mussten.

Die moralische Frage wird in dem Film vor allem an einer Stelle eindringlich visualisiert, nämlich nachdem der Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki den Krieg beendet hat und Oppenheimer vor den versammelten Wissenschaftlern und ihren Familien eine kurze Rede hält. Die Menge ist aufgebracht und befindet sich in patriotischer Raserei, doch Oppenheimer sieht dies mit Schrecken und fühlt die Last der Opfer auf seinen Schultern. Wenngleich die Darstellung dieser Szene bei Nolan mit einem – wohl nicht unbeabsichtigten – Schuss Patriotismuskritik versehen ist, so bleibt es dennoch eine zentrale Szene, denn sie stellt jenen Moment dar, an dem die USA sich tatsächlich als neuer Hegemon der Welt etablierten.

Es war dieser Akt des Fortschritts, aber auch der Gewalt und Macht, der den USA den Platz an der Sonne als globales Imperium sicherte. Diese Darstellung erreicht uns nun aber in Kinos zu einem Zeitpunkt, an dem eben diese Hegemonie sich geopolitisch im Rückzug befindet. Oppenheimer erscheint so als ein Schwanengesang, nicht nur auf das Kino, sondern auf die gesamte Nachkriegsweltordnung. An manchen Tagen scheint es, dass beides in den letzten Atemzügen liegt. Auch wenn „Oppenheimer“ nicht perfekt ist, in diesem Film können beide noch einmal kurz Luft schnappen.

Anzeige
Die mobile Version verlassen