Tichys Einblick
Offener Brief an Marco Buschmann

Marco, ach Marco!

Von einem Sprachmeister an den Sprachpraktikanten Dr. Marco Buschmann, Bundesminister der Justiz, Berlin

IMAGO / Political-Moments

Lieber Marco,

Ihr Auftritt im Bundestag, in der Aktuellen Stunde zu den Berliner Silvester-Krawallen, war eine Klasse für sich: klare Aussagen („Wir haben etwa 145 Festnahmen erlebt, von Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte“), kantige Bewertungen („Das ist völlig inakzeptabel“) und, als Höhepunkt, die Homestory:

„Es kann doch nicht ernsthaft ein Zweifel darüber bestehen, dass eine Forderung wie die [der CDU-Berlin], die Vornamen von Tätern zu veröffentlichen, nichts, aber auch gar nichts zu einer seriösen Aufarbeitung beiträgt. […] Das kann ich ganz einfach erklären, an einem ganz persönlichen Beispiel. Wissen Sie, wie mein Vorname lautet? Marco, mit c geschrieben. Macht mich das jetzt zum Kind italienischer Einwanderer? Könnte man meinen, ist aber Quatsch.“

Nein, lieber Marco, „Quatsch“ ist das nicht, sondern „falsch“: Sie sind am 1. August 1977 in Gelsenkirchen geboren, und Ihre Eltern gaben Ihnen einen damals unter Deutschen beliebten Jungen-Vornamen: Marco.

In der Vornamenstatistik der 1977 Geborenen steht er auf Platz 19, die Varianten Marc bzw. Markus auf Platz 18 bzw. 3. Kulturell gesehen ist also Marco ein üblicher deutscher Vorname, auch wenn er sprachlich aus dem Italienischen kommt.

Übrigens: Der Vorname Ihres Chefs, Olaf, stammt aus dem Isländischen.

Sprachlich deutsche Vornamen kommen heute hauptsächlich unter Senioren vor: einen Konrad, Ludwig, Kurt-(Georg), Helmut oder Gerhard (um die Vorgänger Olafs zu nennen) werden Sie unter den in Berlin bei den Silvester-Krawallen festgenommenen „Deutschen“ nicht finden. Vermutlich aber einen Mohammed, Ali oder Mehmet, und das sind (noch) keine typischen Vornamen von Herkunftsdeutschen, sondern von Migrationsdeutschen, also eingebürgerten Zuwanderern oder in Deutschland geborenen Kindern zugewanderter Eltern.

Zu einer „seriösen Aufklärung“ der Krawalle gehört es, nun festzustellen, wie viele der deutschen Tatverdächtigen Herkunfts- bzw. Migrationsdeutsche sind, um daraus Folgerungen für die anstehende Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes zu ziehen. Am einfachsten wäre es, die vorhandenen staatlichen Personenregister auszuwerten. Solange dies nicht gemacht wird, bringt die namenkundliche (onomastische) Auswertung der Vornamen der Tatverdächtigen ein relativ exaktes Ergebnis. Natürlich ist diese Analyse für einen Sprachpraktikanten wie Sie noch zu schwierig, aber eine Fachkraft könnte sie ohne weiteres leisten.

Mit besten Grüßen
Ihr Sprachmeister
(Helmut Berschin)

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