Am Freitagabend erhielt die Bürgerrechtlerin und langjährige Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld in München den Dr. Mutschler-Preis für couragierte Publizistik. Lengsfeld beschreibt und kommentiert seit langem aus liberal-konservativer Sicht die Fehlentwicklungen von Politik und Gesellschaft in ihrem Blog.
Die Dr. Mutschler-Stiftung, gegründet von dem Mediziner Jörg Mutschler, sieht sich als Korrektiv gegen die Verengung des Debattenkorridors. Mit der Preisvergabe, so Mutschler, wolle die Stiftung Stimmen stärken, die sich für die Verteidigung der bedrohten Meinungsfreiheit einsetzen.
In seiner Laudatio würdigte Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft und Mutschler-Preisträger des Jahres 2018, die Courage Vera Lengsfelds als Vertreterinnen der DDR-Opposition. Lengsfeld war dort 1988 inhaftiert worden. Nach 1990 stellte sich heraus, dass ihr Ehemann sie jahrelang für die Staatssicherheit bespitzelt hatte.
Als die DDR zusammenbrach, so Wendt, habe es so ausgesehen, als habe sich die Freiheit, für die Lengsfeld gekämpft habe, gesamtdeutsch durchgesetzt. Tatsächlich erinnere die Verengung des Meinungsspektrums und die Verächtlichmachung von Regierungskritik heute in vielem an Praktiken in der DDR. Als Beispiel für die zunehmende Freiheitseinschränkung nannte Wendt ein von der NRW-Regierung im Bundesrat vorgelegtes Gesetz, nach dem künftig auch Äußerungen von Polizeibeamten in nichtöffentlichen Gesprächen strafbar sein können, etwa in privaten Chatgruppen. Bisher ist die Öffentlichkeit einer Äußerung Voraussetzung für die Verfolgung von Meinungsdelikten, etwa Volksverhetzung. „Äußerungen im privaten Bereich“, so Wendt, „gehen den Staat nichts an.“ Und er warnte: „Wenn dieses Gesetz durchkommt, dann versichere ich Ihnen, wird es in der nächsten Stufe nicht mehr nur um Polizeibeamte gehen, sondern um alle Bürger.“ Gegen diese Entwicklung brauche es kritische Stimmen wie Lengsfeld, „die die Fackel der Freiheit tragen“.
In ihrer Dankesrede sagte Lengsfeld, viele der heutigen Angriffe auf Regierungs- und Gesellschaftskritiker erinnerten sie an die so genannte „Zersetzung“, mit der die Staatssicherheit in der DDR Oppositionelle bekämpft habe. Sie sprach sich gleichzeitig gegen Resignation aus: Die Stigmatisierung von Kritikern als „rassistisch“, „rechtsextrem“ und Nazi“, meinte sie, dringe immer weniger durch. Für sie sei es entscheidend, sich zur Verteidigung der bürgerlichen Freiheiten immer wieder auf die Verfassung zu berufen, und auf den Kontrast zwischen verbrieften Rechten und der gegenwärtigen Praxis aufmerksam zu machen: „Unser bestes Mittel ist das Grundgesetz.“