„Besuchen Sie Europa, so lange es noch steht.“ Das sang Geier Sturzflug Anfang der 1980er Jahre. Heute wäre das undenkbar und politisch so unkorrekt, dass ein Auftritt nicht toleriert würde. Nicht wegen des Textes. Sondern wegen der Musik. Denn die Band aus dem Ruhrgebiet spielte Reggae. Das wiederum ist kulturelle Aneignung, sagen woke Aktivisten. Wenn privilegierte Weiße sich der Kultur der „People of Color“ bedienen, würden sie deren Geschichte verhöhnen. „People of Color“ heißt übrigens Farbige. Das deutsche Wort zu nutzen, gilt als rassistisch, sich des Englischen zu bedienen, ist indes politisch korrekt.
Veranstalter war die Berner „Brasserie Lorraine“. Das Restaurant wird als Genossenschaft betrieben. Diese übte sich zuerst in Selbstkritik. Die Verantwortlichen hätten „Sensibilisierungslücken“ bewiesen. Sie hätten das Publikum vor diesem Auftritt „schützen“ müssen. Reggae ist offensichtlich schwer zu ertragen, wenn er von „Weißen“ gespielt wird. Für das Wort „Weiße“ muss übrigens nicht aufs Englische zurückgegriffen werden. Das darf laut woker Logik auf Deutsch gesagt werden.
„Wenn vor zwei Jahren die gleiche Band gespielt hätte, wären die Reaktionen vielleicht anders gewesen“, teilen die Genossen mit. Sie sind also mit der Zeit gegangen. Ob sie richtig gehandelt hätten, wüssten sie selbst nicht: „Wir könnten es auch Überforderung nennen.“ Aber über Fragen wie, welche Frisuren „überhaupt noch ok“ sind, müsse eine Diskussion geführt werden. Jetzt beantworten könne man so etwas Komplexes noch nicht. Den Genossen gehe es in der Diskussion um die „Zwischentöne“ – deswegen haben sie die Haupttöne beim Konzert abgedreht.
Allerdings wandeln die Wirts-Genossen selbst auf dünnem Eis. Auf ihrer Speisekarte steht Focaccia. Ein norditalienisches Gericht. Wie sehr muss es einen Italiener verstören und verletzen, wenn ihm auf Schweizer Boden seine Kultur geraubt wird. Noch dazu in der deutschen Schweiz. Immerhin machen es die Genossen beim Sonntagsbrunch richtig. Dort gibt es Brot, Zopf, Ofenrösti und vier Sorten Käse. In einer bunten und vielfältigen Welt sollten Schweizer nur Schweizer Gerichte essen – und Deutsche nur deutsche Bananen.