Tichys Einblick
Kollision mit Realität

Waterloo für die Träume vom Buntland?

Nun geht es ans „Eingemachte“. Vizekanzler Habeck berichtet über das, was ihm Dritte an düsteren Botschaften zugetragen hätten: „Wenn weiterhin so viele Menschen so schnell kommen, bleiben uns außer Turnhallen keine Unterkünfte mehr. Und wenn dann der Turnunterricht ausfällt, kann man nicht erwarten, dass alle Bürger sagen: ‚Wir kriegen das schon hin‘.“

IMAGO/Political Moments

„Ich wollte es wäre Winter, oder die Leute kämen einfach nicht mehr!“ (Wellington-Zitat, abgewandelt)

So oder ähnlich klingt vielleicht das heimliche Stoßgebet vieler Berufspolitiker, die sich noch vor kurzer Zeit gerne öffentlich über die Popularität Deutschlands als Zufluchts- und Sehnsuchtsort so vieler Menschen gefreut hätten. Nun geht es ans „Eingemachte“. Vizekanzler Habeck berichtet über das, was ihm Dritte an düsteren Botschaften zugetragen hätten: „Wenn weiterhin so viele Menschen so schnell kommen, bleiben uns außer Turnhallen keine Unterkünfte mehr. Und wenn dann der Turnunterricht ausfällt, kann man nicht erwarten, dass alle Bürger sagen: ‚Wir kriegen das schon hin.‘“

Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling

Der angebliche Jahrhundertsommer 2023, der diesem Ruf in so vielfältiger Weise gerecht geworden ist, neigt sich schnell seinem Ende zu. Nach ihm kommen schlechte Reisebedingungen mit Eis, Schnee, rauer See und somit eine natürliche Abnahme des Zustroms der vielfach jungen und männlichen Zuwanderer. Viele deutsche Politiker, allen voran die Frau Innenministerin, werden natürlich versuchen, diesen Einbruch bei den Zahlen der Wirkung ihrer eigenen Tätigkeit, ihren eigenen markigen Ankündigungen zuzuschreiben. Aber ob „stationäre Grenzkontrollen“ oder die Pressestatements von solch gewichtigen Persönlichkeiten wie

tatsächlich dazu führen werden, dass der Gassenhauer von dem Land, in dem angeblich Milch und Honig, wenigstens aber die soziale Unterstützung ordentlich fließt, nicht mehr ausreicht, um davon abzuhalten, mühsam angesparte Notgroschen in Schleuserhände zu geben, ist sehr zweifelhaft. Die Leute, die hinter der Einschleusung Hundertausender nach Europa stehen, haben weder Skrupel noch schwache Nerven und durchschauen jeden Bluff. Würde jemand sie im Schein der Kameras zu ihren Motiven interviewen, würden sie keinesfalls mit den Tränen kämpfen – manche deutsche Berufspolitikerin eventuell schon.

Aus den ganzen doch immer noch sehr wolkigen und schüchternen Ankündigungen der Ampel und der Union machen viele Journalisten trotzdem eine Art migrationspolitischen Frühling, indem nun die „Ampelpolitik beginnt, die Asylpolitk zu ändern“ (Die Zeit), dieser „Vorstoß der Ampel“ (RND), diese „Bewegung der Migrationspolitik … für die die Ampel-Spitzen nun die Vorarbeit geleistet hätten“ (Münchner Merkur). Die Frankfurter Rundschau und auch der Tagesspiegel meinen zu erkennen, dass sich die „Ampel-Regierung bewegt beim Thema Zuwanderung“… denn „in die Verhandlung komme nun Bewegung“ (Fränkischer Tag) und der Focus jubelt sogar über: „Einigung auf schärfere Migrationsgesetze … Abschiebungen vereinfacht, Arbeitszugang erleichtert – das neue Ampel-Asylpaket“.

Vieles, eigentlich alles, deutet aber leider darauf hin, dass der Leidensdruck aus der „Peripherie“, die den Zustrom noch wenig bis gar nicht integrierter Leute aushalten und kanalisieren muss, noch viel, viel stärker werden muss, um wirklich wirksam und unmissverständlich zu signalisieren: „So geht es nicht weiter.“ So war es nämlich bisher immer: großes Getöse, keinerlei Wirkung, viele schöne Ausreden und Ausflüchte.

Jedem Alt-Unioner klingeln da die Ohren

Und ewig hallen die Echos genau der Floskeln und Ausflüchte der vergangenen mindestens zwanzig Jahre nach, die beispielsweise anlässlich der „Rütli-Schul-Krise“ in Berlin wieder und wieder durchgekaut und wiederholt wurden. „Wer in diesem Land wohnt, muss die Regeln akzeptieren“ – Wer erinnert sich nicht mit Grauen an die unseligen Diskussionen über die heute zum Tabuwort erklärte „Leitkultur“ (die die Union krachend verlor)? Oder die kategorische Forderung: „Gewalt gegen Einsatzkräfte, das geht gar nicht!“ Gerne auch regelmäßig wiederholt: „Wir müssen dafür sorgen, dass wir wissen, wer zu uns kommt.“ „Menschen, die unser Land wieder verlassen müssen, sollen zügig in ihre Heimatländer zurückgeführt werden.“ „Wir brauchen mehr Menschen, die uns nützen, und weniger die uns ausnützen.“ Aber diese einfache Weisheit ist ja heute fast schon eine Beleidigung aller, die eben grade mal nicht nützlich sein möchten.

Jedes Mediengewitter geht einmal zu Ende. Erstaunlich, dass sich die Debatte um die Begrenzung der Zuwanderung trotz der üblichen Anschuldigungen, etwa „menschlich kalt zu sein“ (Ministerin Svenja Schulze) und vor dem Hintergrund der gewaltigen Dramen im Nahen Osten und der Ukraine trotzdem so lange in den Schlagzeilen gehalten hat. Nun ist es an der Zeit zu warten, bis die Adventsruhe sie endgültig zum Verstummen bringt. Wir werden sehen, ob jemand dieses Medienkarussell wieder anwerfen kann.

Die normative Kraft des Faktischen: „Es schaffen“ wird einfach ersetzt durch „Platz schaffen“

Spätestens im Februar werden Regionalpolitiker entnervt und überwältigt vom nicht versiegenden Zustrom aufgeben, das Handtuch werfen und das tun, worauf die Grünen schon länger mit Ungeduld warten dürften: sich einfach zu Verwaltern und Unterbringern machen zu lassen. Sie können und werden eskalieren.

In der Praxis wird das so aussehen: Die Anbieter von Schnellbausystemen, Zelt- und Containerlösungen werden einen Boom an Aufträgen erleben. Die derzeit brachliegende Baubranche wird gerne übernehmen. Weitere Bundesliegenschaften werden freigeräumt. Nur die heiligen Sporthallen werden aufgrund der hier besonders starken Sensibilitäten verschont, zumindest teilweise.

Die Schlangen vor den Ämtern werden länger, das wird aber mit einer verstärkten elektronischen Erfassung zu bewältigen sein. Generell wird man insbesondere in bereits sehr migrantischen Vierteln zusammenrücken. Aber durch die Übernahme noch mehr einfacher Tätigkeiten und Sozialarbeit werden Migranten noch sichtbarer im öffentlichen Raum werden. „Da geht noch mehr“ (Bundeskanzler Scholz mit Blick auf Arbeitsgenehmigungen für Asylbewerber zur Tagesschau).

Großartige Aussichten: Der „Ansatz für Multikulti“ ist eben noch lange, lange nicht „gescheitert“ (Bundeskanzlerin Merkel vor genau 13 Jahren)

Man muss eben nur immer wieder neue Ansätze machen. Niemand soll doch behaupten, dass Zuwanderer unbedingt emsig durch überfüllte Fortbildungseinrichtungen, Sprachschulen und Integrationskurse hetzen wollen oder müssen. Viele Menschen sind völlig damit zufrieden, wenn sie zwei oder drei Mahlzeiten am Tag bekommen und man sie in Ruhe lässt. Der altdeutsche Standard, wonach jeder einen Beruf gelernt haben sollte und einer angeblich „geregelten“ Arbeit nachgehen muss, ist doch spätestens seit der Idee des „besinnungslosen Grundeinkommens“ Schnee von gestern. Die Standardfrage: „Und was machen sie so?“ erübrigt sich dann, könnte sogar ehrenrührig sein. Und Hand aufs Herz, wenn jemand eben kein Deutsch spricht, dann kommt er doch mit der lingua franca Pidgin English mittlerweile überall durch.

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