Tichys Einblick
„Unterwegs mit Jochen Breyer“

ZDF zoom: Puls messen leichtgemacht

Finanziert Ford die Sendung mit, wenn Breyers neuer Ford Focus in verschiedenen Perspektiven gezeigt wird? Müssen wir bei Gelegenheit mal nachfragen unter #fordfocusampulsvonbreyer.

Screenprint: ZDF/ZDFZoom

Ein flinker kleiner Spaßvogel aus dem Kika-Kanal? Nein, der heißt anders. Jochen Breyer ist quasi so etwas wie der Kika-Reporter für den erwachsenen Mann, denn seit Dezember 2013 moderiert das fröhliche 36-Jährige Federgewicht das Aktuelle Sportstudio. Weil diese Position nun aber eine prominente ist, nutzt das ZDF diesen Faktor seit August 2017 auch dazu, Breyer mit einer Reportage „Am Puls Deutschlands“ bei ZDFzoom ins Rennen zu schicken.

Damals wollte der Sender wohl vor der Bundestagswahl angesichts desaströser Bewertungen in den sozialen Medien so etwas wie Authentizität und Wahrhaftigkeit simulieren, wo man bis dato vor allem damit aufgefallen war, in den Nachrichtensparten und Talksshows so etwas wie Regierungsfernsehen zu veranstalten.

Nun hätte man, wenn man es tatsächlich ehrlich meint, dem Mitarbeiter Beyer besser ein paar medizinische Basics erklärt, ihm zumindest mal erklärt, wo der Puls sitzt. Jedenfalls nicht da, worauf der Mensch sitzt.

Bei Maischberger kommt es parallel am Mittwochabend zur x-ten Ausgabe einer Gespensterdebatte der Öffentlich-Rechtlichen zur internen Wahl des CDU-Vorsitzenden; ebenso im ZDF bei Markus Lanz, der sogar einen der Kandidaten ein Forum bietet, also beschränken wir uns bei so viel Unverfrorenheit nebst Langeweile auf Jochen Breyer und eine weitere Ausgabe von ZDFzoom.

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Nicht, dass das besser wäre als Lanz oder Maischberger, aber es ist noch einmal exemplarischer dafür, was sich die mit Zwangsgebühren finanzierten Sendeanstalten ausdenken, um dem Zuschauer vorzugaukeln, sie wären wieder an etwas interessiert, das Ähnlichkeit mit aufrichtigem Journalismus hätte. Nun ist Breyer für uns kein Unbekannter. Schon zu seinem Einstieg ins Format attestierten wir ihm medizinische Nachlässigkeiten, als er den „Puls von Deutschland abgeklemmt“ hat, so auch unsere Überschrift.

Damals wie jetzt hatte Breyer via Facebook einen Aufruf gestartet, ihm Fragen zu stellen, und erneut behauptete er in seiner Sendung in etwa ein Extrakt der dem Aufruf folgenden tausenden Kommentare abgebildet zu haben. In der Vorgänger-Sendung waren wir sprachlos darüber, wie sich Breyer bei Hinz und Kunz einladen lässt zu Kaffee und Kuchen, nur um Bürger dann grinsend vorzuführen, wenn sie ungeübt vor der Kamera darum ringen, dem Moderator mit dem Pfiffigen-Bürschchen-Image darzulegen, wo sie tatsächlich der Schuh drückt.

Damals hörte der Zuschauer Kommentare wie aus der Hölle der Unanständigen, wenn Breyers Format über korpulentere ostdeutsche Damen, die ihm extra Torte in ihrer bescheidenen Gartenlaube servierten, weil sie tatsächlich so naiv waren, zu glauben, der Moderator sei wirklich an ihnen interessiert, wenn diesen Damen damals hinterher gerufen wurde; „Leute wie diese Dame, die zusammen mit ihrer Tochter sehr viel Sahnetorte und sehr viel Facebook konsumiert.“ Also der direkte und unanständige Bezug auf die Körperfülle der Damen. Das Magazin Focus reagierte standesgemäß am Folgetag und schrieb dazu, die beiden Damen seien „ein gutes Beispiel, welche Leute in Deutschland stören“. Steht da wirklich, wird Breyer gefreut haben. Was für Leute, was für ein Typ.

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Nun also ein weiterer durchgegrinster (dürfen wir hier schreiben, weil auf Dauer tatsächlich unangenehm arrogant) Durchgang ZDFzoom und eine Frage, ungefähr eintausendundeine Schuhgröße zu groß für Breyer, wenn er fragt: „Was macht die Politik falsch?“ Erste Klarheit schon in der Vorankündigung, wenn es da heißt: „Viele sagen: Politik kreist um sich selbst, kümmert sich nicht um die Menschen – etwa um bezahlbaren Wohnraum. Stimmt das?“ Bezahlbarer Wohnraum? Ist dass wirklich das Masterproblem der Republik? Wenn es eines davon ist, dann bleibt hier selbstverständlich unerwähnt, was den Druck auf den Wohnungsmarkt zusätzlich anspannt.

Dann, wenn im Behördendeutsch die Rede von “Fehlbelegern” ist. Und das meint dann abertausende Zugewanderte, die nicht dezentral untergebracht werden können, weil der Wohnraum fehlt oder selbst die vielen Neubauprogramme nicht schnell genug voranschreiten, diesen zusätzlichen Ansturm auf den deutschen Wohnungsmarkt im umkämpften preiswerten Mietsektor abzumildern.

Es zeigt sich auch hier, was sich in diesen Jahren oft zeigt: Der dringende politisch-mediale Verweis auf wichtige alternative Themen zur Massenzuwanderungsdebatte erweist sich als Bumerang, wenn eben diese Alternativen am Tropf des Masterthemas dieser Zeit hängen. Und auch die eingangs genannten drei Kandidaten dieses öffentlich-rechtlich aufgeblasenen CDU-Vorsitz-Spektakels beweisen es eindeutig, wenn sie nach kurzer Zeit dahin schwenken, wo dem Bürger der Schuh drückt: Hin zur Bewältigung von Merkels Massenzuwanderung.

„Woher kommt dieser massive Vertrauensverlust, das möchte ich wissen!“, startet Breyer sein Format, wie sich schnell herausstellen wird, mit einer faustdicken – bleiben wir höflich – Flunkerei. Sein den Aufruf begleitender Hashtag geht dieses Mal so: #wasdiepolitikfalschmacht. Hier fragt man sich, was Breyer sonst so den lieben langen Tag macht und ob ihm noch nicht aufgefallen ist, dass, um das herauszufinden, ein kurzer Blick ins Netz, in die sozialen Medien ausreicht, diese Frage multipel zu beantworten.

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Geschenkt, denn interessanter ist allemal die Frage, wie es sein Team und er geschafft haben, aus einer wahrscheinlichen Fülle von zuwanderungskritischen Fragen ausgerechnet die herauszusuchen und zu besprechen, die damit nur auf den zweiten Blick zu tun haben. Vergleichbar in etwa damit, über eine grüne Wiese zu gehen, die zuvor von eintausendundeiner Kühen bewohnt war, ohne nun in einen der liegen gebliebenen Fladen treten zu wollen.

Nun sind die Themen, die Breyer extrahiert hat, nicht unwichtig, aber sie werden leider unwichtiger, wenn das wichtigste Thema bis auf wenige Querverweise bewusst außen vorgelassen wird, wenn der Moderator bewusst oder unbewusst Merkels und dem Aufruf weiterer Entscheider folgt, das Thema Zuwanderung doch nun endlich einmal abzuhaken.

Seine Themen bei ZDFzoom sind folgerichtig: Dieselgate, fehlende Sacharbeit in den Parlamenten – zu viel Streiterei, Entfremdung von Politik und Bevölkerung (freilich ohne dabei das Thema Zuwanderung ausführlich zu behandeln), Rente und fehlende politische Visionen (als wären diese Visionen nicht längst zum eigentlichen Problem geworden).

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Im Verlauf der Sendung schleicht sich zunehmend das schon aus Breyers Vorgängersendungen bekannte Gefühl ein, hier will einer Leute vorführen, die ihm zwar in sympathischer, aber in großer Leutseligkeit das Herz öffnen. Besonders spürbar da, wo Breyer zu nah in Habitate vorstößt, die ihm sichtbar unangenehm sind, wenn der öffentlich-rechtlich dick wattierte Moderator die allein erziehende Hartz4-Empfängerin und Mutter von vier Kindern mit schräg angelegtem Kopf fragt: „Wie ist es denn, in einem reichen Land arm zu sein?“

Untertitel der Sendung: „Unterwegs mit Jochen Breyer“. Finanziert Ford die Sendung mit, wenn Breyers neuer Ford Focus in verschiedenen Perspektiven gezeigt wird? Müssen wir bei Gelegenheit mal nachfragen unter #fordfocusampulsvonbreyer.

Der Physiotherapeut aus dem bayrischen Cham klagt über fehlende Facharbeiter, sein serbischer Job-Anwärter aus dem Nicht-EU-Land darf nicht bei ihm tätig werden. Jedenfalls nicht sofort, es dauert, bis das bürokratisch geregelt ist, wenn es sich regeln lässt. „Da krieg ich einen Hals“, sagt der Bayer bairisch in die Kamera. Aber was will er genau? Noch weniger Kontrolle, noch weniger Auflagen, noch mehr potenzielle Zuwanderer, die dann doch nicht den anstrengenden Job in einer seiner Praxen (er hat mehrere) machen wollen? Wie viele Versuche will er sich gestatten? Und wird er für die haften, die er holt, die dann aber doch lieber die soziale Hängematte für sich in Anspruch nehmen, die nicht mit ihren nachgereisten Familien gehen, wenn sie dazu aufgefordert werden?

Dann Rente: Breyer sagt, „fast jeder Fünfte wollte darüber reden“. Aber warum berichtet er nicht ausführlicher, worüber mutmaßlich jeder zweite mit ihm reden wollte? Immerhin hat er dieses Mal dazu gelernt: Zum Torte essen fährt er nicht mehr in die ostdeutsche Gartenlaube, sondern zu einem Familienvater von zwei Töchtern, dessen Eltern als türkische Gastarbeiter in den 1960ern nach Deutschland kamen. Der Kuchen ist zwar in der Bäckerei gekauft worden, dafür gibt es eine schöne Auswahl von zwölf Stücken für den schlanken Moderator, der das liebend gerne gegenüber der apart lächelnden Hausfrau kommentiert: „Erst einmal vielen Dank für die zwölf Stücken Kuchen, die Sie für mich vorgesehen haben.“

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Dann mit einem deutschen Rentner in Jacke mit „New York“-Stickerei auf den Weihnachtsmarkt. Der bekommt nach 35 Jahren Arbeit 450 Euro Rente zuzüglich Aufstockung und Breyer fragt: „Wie schwierig ist es, von dieser Rente zu leben?“ Tja, was glaubt der Moderator, wie schwierig das wohl sein könnte? Und der Rentner bemüht sich, ist unerfahren vor der Kamera, nimmt sich aber ein Herz und erzählt. Und dann wird immer wieder Jochen Breyer eingeblendet, der die Lippen zusammenpresst, so, als wolle er sich tatsächlich ein Grinsen wegbeißen, so als fände er das alles urkomisch.

Aber was ist hier so besonders komisch? Ist es der Blick aus Breyers Welt heraus, die sich längst abgewandt hat von den wirklichen Problemen der Bürger? Ist es am Ende das Wissen um den eigenen Zirkus, den man hier gegen satten Zwangsgebührenanteil mit Mitbürgern in Wiederholung veranstaltet, ohne dafür einmal wenigstens auf der moralischen Ebene belangt zu werden?

Wir wollen das hier nun beenden. Wollen aber nicht auslassen zu berichten, dass es dann ausgerechnet der türkischstämmige Gesprächspartner mit den zwölf Stücken Kuchen war, der Breyer gegenüber offen zugab, AfD zu wählen, als er in die Kamera sprach: „Die AfD redet für die Menschen, die arbeiten gehen. Das hat früher (…) die SPD gemacht, aber die SPD ist in dieser Sache gescheitert.“ Und weiter: „Ich wähle die Partei, damit die großen Parteien endlich Mal wach werden. Einen Denkzettel, dass die mal anders reagieren in Zukunft. Ich sag es Dir ganz deutlich (Richtung Breyer): Wenn die großen Parteien nicht für die Arbeiterklasse, die 40, 45 Jahre lang arbeiten, da sind (…), dann ist das traurig.“

Der Fairness halber sei hier abschließend allerdings noch erwähnt, dass die Frau des Autors hier Jochen Breyer eigentlich „doch ganz sympathisch“ findet. Nun denn.

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