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Trauer bei Krimifans und Rot-Grün

ZDF-Intendant Bellut geht – Sein Motto war Masse statt Klasse

Thomas Bellut scheidet als Intendant des ZDF aus. Ein Verlust für zwei Zielgruppen: Anhänger von Rot-Grün und Krimifans. Denn beide bediente das ZDF unter Bellut bis zum Überdruss der anderen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M) nimmt im Beisein von Norbert Himmler (r), Programmdirektor und zukünftiger ZDF-Intendant, an der festlichen Verabschiedung von Thomas Bellut (l), scheidender ZDF-Intendant, teil.

picture alliance/dpa | Arne Dedert

710.000 Zuschauer. So viele Menschen zwischen 14 und 49 Jahren schauten an diesem Mittwoch das Heute Journal. Es war an dem Tag die erfolgreichste ZDF-Sendung in dieser Zielgruppe. Es folgten ein ZDF-Spezial mit 500.000 jungen Zuschauern und ein Auslandsjournal mit 450.000 aus dieser Gruppe. Trotzdem kann sich das ZDF an diesem Tag insgesamt als Marktführer feiern. Dank der Alten. Sie sind das Fundament des ZDF unter Thomas Bellut (67). Er hat sie zur Daseinsberechtigung gemacht. Sie lieferten ihm die Masse, mit der er als Intendant argumentierte.

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Masse statt Klasse war das Motto des ZDF unter Bellut. Mittlerweile wird in seiner Senderfamilie mehr gemordet als im echten Leben. Das Programm hat er derart mit Krimis geflutet, dass eigentlich alle nur noch auf die SOKO Süderbrarup oder die Schulhoffahnder Dinkelsbühl warten. Neben Krimis taugten auch noch Marathon-Shows, Filme von Rosamunde Pilcher oder Sport, um eine möglichst große Masse vors Fernsehen zu pappen. Gerne auch mit Wintersport von Acht bis Acht.

Wobei die Marktführerschaft, mit der sich Bellut so gerne gerühmt hat, immer weniger wert ist. Acht Millionen Zuschauer insgesamt sind im TV mittlerweile eine Ausnahme – ein absoluter Spitzenwert. Die Fernsehmacher freuen sich also schon, wenn sie im Streaming-Zeitalter zehn Prozent der Deutschen vor der Glotze halten. Um Rundfunkgebühren weiterhin mit Masse rechtfertigen zu können, sorgen sich die öffentlich-rechtlichen Sender daher um das nachwachsende Publikum.

Doch genau an dem Punkt scheiterte Bellut in seiner rund zehn Jahre dauernden Amtszeit. So baute er den anspruchsvoll gestarteten ZDF-Dokukanal zu ZDF Neo um. Wie das Hauptprogramm hält er ein weniger anspruchsvolles Publikum vor der Glotze: als Plattform für Wiederholungen. Meist von Krimis. Auch mal von grauenhaft schlechten Filmen aus den 80ern, etwa mit Thomas Gottschalk und Mike Krüger. Wer sich vom Fernsehen berieseln, aber nicht mit Ereignissen wie dem Krieg in der Ukraine belasten lassen will, der kann zu Monk, Psych oder Inspektor Barnaby auf ZDF Neo fliehen und der Senderfamilie die Masse liefern, mit der sie ihre Existenz berechtigt.

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Viel glamouröser hört sich das an, wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Belluts Bilanz schönredet: „Sie haben sich dem Kampf für die internationale Pressefreiheit mit Leidenschaft verschrieben“, lobte das Staatsoberhaupt den scheidenden Sender-Chef. Und in der Tat: Die Freiheit seiner Mitarbeiter hat Bellut oft spektakulär geschützt. Jan Böhmermann durfte aus der türkischen Herkunft von Staatschef Erdogan schließen, dass der Sex mit Ziegen haben werde, oder dem Kollegen Dieter Nuhr „eine in die Fresse“ wünschen. Bellut verteidigte ihn. Die Moderatorin Nemi El-Hassan besuchte antisemitische Demonstrationen. Bellut verteidigte sie. Die Komikerin Sarah Bosetti bezeichnete Rechte als „Blinddarm der Gesellschaft“ und Bellut verteidigte sie.

Doch so ganz bedingungslos stand Bellut eben doch nicht hinter seinen Mitarbeiterinnen: Die Journalistin Katrin Seibold entließ er. Sie hatte intern die Corona-Berichterstattung des Senders kritisiert. Damit sei das Vertrauensverhältnis gestört gewesen, hieß es in der Begründung der Kündigung, die Seibold öffentlich machte. Kritik fällt für Bellut offensichtlich nur unter schützenswerte Pressefreiheit, wenn sie sich gegen die Richtigen wendet. Und das ist aus seiner Sicht: „Rechts“. Wobei er da mit seinem Laudator Steinmeier ein dramaturgisches Paar abgibt. Der feierte jüngst die RAF-Mörderin Gudrun Ensslin als „große Frau“ oder unterstützte ein Konzert, auf dem in Liedern Gewalt gegen Journalisten gefeiert wurde. Was aber ok war, weil das Konzert sich gegen Rechts widmete.

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Diese Art der Doppelmoral und die einseitige linke Ausrichtung ist unter Bellut zum Markenzeichen des ZDF geworden. Das sieht nicht nur Seibold so. Viele Kollegen kritisieren den Hang zum Haltungsjournalismus. Sie haben noch ihren Friedrich gelernt: dass sich Journalismus nicht mit einer Sache gemein mache, auch nicht mit einer guten. Unter Bellut ist das Sich-Gemein-Machen zur Sendermaxime geworden. Wer das anspricht, auch intern, fliegt, so wie Seibold. Das ist die Unternehmenskultur, die Bellut dem ZDF hinterlässt. Es lässt sich daher durchaus ironisch interpretieren, wenn ihn die Vorsitzende des Fernsehrats, Marlehn Thieme, lobt: „Die Instrumentalisierung von Medien in der Welt … nehmen Sie als Politologe und Historiker als persönliche Verantwortung wahr!“

Sein Fazit lautet: „Das Programm war für mich immer Dreh- und Angelpunkt meiner Arbeit, die ZDF-Familie muss anerkannt und erfolgreich sein, in Akzeptanz und Qualitätsdebatten, und zwar in ganz Deutschland.“ Darin steckt ein ehrliches Fazit seiner Amtszeit, wenn auch verschwurbelt: Qualitätsdebatten nutzen nichts, wenn keiner mehr ZDF schaut, heißt die Botschaft in klares Deutsch übersetzt. Damit verteidigt er seine Firmenpolitik gegen die anstehende Zukunft.

Teile der Politik wollen ein Ende der bellutschen Politik. Darunter die Vorsitzende des eigenen Verwaltungsrates Malu Dreyer (SPD). Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin will sparen, indem Ballast wie ZDF Neo abgeworfen wird, und sie will weniger Show- und Sport-Marathone, dafür mehr Info und mehr Botschaft. Nachfolger Norbert Himmler übernimmt damit die gleichen Aufgaben, wie einst Bellut: den Spagat zwischen Akzeptanz in der Politik und Akzeptanz gegenüber dem Zuschauer schaffen, dabei vor allem die Jungen zurückgewinnen. Einfacher ist das in den zurückliegenden zehn Jahren nicht geworden.

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