Sind die mehr als acht Milliarden Euro Rundfunkbeitrag pro Jahr gut angelegtes Geld? Immer mehr Deutsche sagen: nein. Korruptions-Skandale wie jener der gefeuerten RBB-Intendantin Patrizia Schlesinger, unanständige Ruhegelder wie jene 9000 Euro monatlich für den Ex-Kulturchef des RBB, Schulte-Kellinghaus, aber auch tendenziöse Berichterstattung und die Einschränkungen des Meinungskorridors in Talkshows wie Lanz oder Maischberger sorgen für Ärger. Dem wollte die NDR-Diskussionsrunde „Zapp Talk“ nun Raum geben. Und der wurde beachtlich gefüllt: mit einem Ausbund an Selbstherrlichkeit, Ignoranz und kognitiver Dissonanz. Der Hauptdarsteller: ARD-Chef Kai Gniffke höchst persönlich.
Beginnen wir mit dem Höhepunkt ab Minute 50 der Sendung (komplett nur auf Youtube zu sehen, nicht in der Mediathek, weil es der ARD zu lang war…sic!) Als Tilo Jung, ehemaliger Guerilla-Journalist, mittlerweile aber inniglich dem Mainstream verbunden) den ARD-Vorsitzenden fragt, warum er so viel verdient wie der Bundeskanzler, versucht Gniffke zunächst mit einer Petitesse abzulenken. Auf den Spuren der Faktenchecker, Füchse und „Volksverpetzer“ will er widerlegen, was gar nicht behauptet wurde: „Sie haben eben gesagt, warum verdiene ich mehr als der Bundeskanzler. Die Information ist falsch.“ Den letzten Satz motzt er geradezu hin. (Anm. d. Red.: Er verdient tatsächlich 106 Euro weniger pro Jahr).
Jung korrigiert ihn, doch Gniffke beharrt auf seinem falschen Zitat. Deshalb fragt Jung ein weiteres Mal, diesmal ganz knapp: „30.000 Euro pro Monat, warum?“ Gniffke ist in die Enge getrieben. Er nimmt die Arme nach hinten, beginnt nervös zu wippen und schaut immer nach unten, nicht in die Augen, während er antwortet. Und er antwortet: „Gute Frage, falscher Adressat. Dieses wird von meinem Verwaltungsrat festgelegt. Sie könnten ja zum Beispiel auch mal fragen: Warum verdient ein Sparkassenvorstand von der Kreissparkasse mehr als der Bundeskanzler. Der verdient nämlich wirklich mehr, im Gegensatz zu mir“. Sein Whataboutism verfängt nicht. Ob es gerechtfertigt sei, fragt Jung erneut. Gniffke kommt nochmal mit dem Sparkassenmann, bis Co-Moderatorin Kathrin Drehkopf ihn mit sanften Worten einfängt: „Aber Herr Gniffke, das Thema bewegt!“ Und die KEF (Anm. d. Red.: Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten) habe schließlich bereits 2019 moniert, dass die Intendantengehälter eindeutig zu hoch seien.
Weil Gniffke derartig blockt, wendet Drehbein sich nun Heike Raab zu, die als Staatssekretärin die Medienpolitik der Bundesländer koordiniert. Das aber mag Gniffke nun auch nicht akzeptieren. Warum er nicht antworten darf, will er wissen. „Aber das haben sie doch!“, schallt es ihm gleich von zwei Seiten entgegen. Er wolle ja nicht. Doch, er will. Er will das Stuhlkreis-Redekissen zurückhaben. Er bekommt es. Und setzt nun zu einem Sermon an, der mit Worten wie fabelhaft oder märchengleich nur unzureichend beschrieben ist. Gniffke sagt, und er tut dies ohne jeden Anflug von Ironie: „Aber ich kann Ihnen sagen, was der Verwaltungsrat dafür erwarten kann. Die können erwarten, dass da jemand ist, der sich das letzte Hemd dafür zerreißt, dass wir beim Publikum sind. Dass ich bei 5000 Mitarbeitenden bin, denen ich verdammt viel abverlange und dass ich für die Unabhängigkeit dieses Journalismus eintrete.“ Wow, den Spruch müsste es als gerahmtes Bild geben, im ARD-Fanshop. 18,36 Euro – als Pflichtprodukt für jeden Zuschauer.
Der Mann hat Nerven. Doch sie liegen blank. Als es wenig später um den Parteienfilz in den Rundfunkgremien geht, wird Gniffkes Körperspannung aufs Äußerste gefordert. Jung wirft ihm vor, dass er als SPD-Mitglied parteiisch sei und fragt: „Wenn man Intendant ist, sollte man dann nicht tunlichst vermeiden, irgendeine parteipolitische Nähe zu haben, Herr Gniffke?“ Doch Herr Gniffke will nicht antworten. „Ich würde Sie gern teilhaben lassen an den Dingen, die mich gerade wirklich umtreiben. Und das ist die veränderte Mediennutzung in diesem Land.“
Während der Zuschauer noch gähnt, setzt Jung nach: „Können Sie die Frage beantworten? Sie weichen immer wieder aus. Beim Gehalt weichen Sie aus, bei Ihrer Parteimitgliedschaft …“ Gniffke rutscht die Wahrheit raus: „Ja das mag so sein, aber …“ Er bemerkt seinen Fehler und stützt sich in die Armlehnen, so als wolle er flüchten. Sein Stuhl ist heiß. Sein Feuerlöscher: mehr Nebelkerzen. Er bockt und wird pampig: „Finden Sie, dass diese Republik in den letzten 70 Jahren mit Parteien schlecht gefahren ist? Haben Sie irgendeine andere Idee, wie man 84 Millionen Meinungen irgendwie zu einer Entscheidungsfindung bringt. Finden Sie, dass die Parteien des Teufels sind?“. Er beginnt zu schwadronieren: über nicht lineares und lineares Fernsehen, über den Wandel der Zeiten, das Universum und den ganzen Rest: „Das ist eine riesengroße Herausforderung.“ Medienstaatssekretärin Raab ist ganz auf Linie und wirft Gniffke einen verträumten Blick zu. Mit leicht geschlossenen Augen haucht sie ganz sanft: „Genau …“
Auf dem Tisch zwischen den Diskutanten liegen unzählige Würfel. Jeder steht für ein Programm – regionale und überregionale, aber auch für plumpe Propaganda-Portale wie etwa „Funk“. Interessant: Für die immerhin 16 (!) Rundfunkorchester hat der Platz nicht mehr gereicht. Bleibt die Frage, wofür das ÖRR-System acht Milliarden Euro braucht. Für Regisseure jedenfalls nicht. Denn Zapp bekommt es nicht einmal hin, eine ordentliche Close-Kamera zu installieren. Zwischen den Würfeln steht eine drehbare Linse, die den Diskutanten ständig von unten in die Nasenhöhlen stiert. Unangenehm.