Tichys Einblick
"Ich liebe Sie"

Klartext mit Merkel: Wir bilden einen Arbeitskreis

Bürger dürfen alles fragen, die Antwort kommt in leichter Sprache. Liebt die Kanzlerin Schokolade? Trägt sie ihre Hosenanzüge auch noch nach der Amtszeit? Wie geht sie mit der Liebe der Syrer um? Und Fakten? Gibt´s doch gar nicht, alles nur Einbildung.

Screenprint:ZDF/Klartext, Frau Merkel

Stellen wir uns mal kurz vor, wir seien Wahlkampfmanager Peter Altmaier. Da hat er eine fesche Werbeagentur angeheuert, die auch ein paar flotte Sprüche herausgehauen hat. Die Kandidatin wurde zur Mutti der Nation stilisiert, die schlimmsten Dummschwätzer aus der Propaganda-Schusslinie genommen. Aber leider, nichts hilft wirklich. Nun mögen Sie, lieber Leser, einwenden, mit dem Versenken des sozialdemokratischen Panzerkreuzers „Martin Schulz“ wäre die Strategie doch prima aufgegangen – aber da müssen wir korrigieren: Hier handelte es sich eindeutig um eine Selbstversenkung. Merkels Wahlkampf ist in einer schwierigen Lage, weil immer noch jeder zweite Wähler unschlüssig ist, ob, wen oder was er wählen soll. Das, weiß der Altmaier Peter, kann gefährlich werden, wenn etwa viele der Unentschlossenen am Ende das Unaussprechliche tun: eine Alternative wählen!

Aber weil der Peter nicht dumm ist, und er zudem Ohren hat, an die der wachsende, lautstarke Unmut der Besucher etwa bei Merkel-Wahlveranstaltungen dringt, hat er kurzfristig den Spielplan geändert. Das Stück „#fedidwgugl“ (für ein Deutschland in dem wir gut und gerne leben) aus dem Ohne-Sorge-Theater wird ersetzt durch „#einagwg“ (es ist nicht alles Gold, was glänzt) aus der Abteilung Modernes-Regie-Theater. Eine Aufführung dieses neuen Theaterstücks sahen wir bei „ZDF-Klartext“. Jetzt sollen auch die Themen aufs Tapet gebracht werden, vor denen sich Merkel, so lange es ging, gedrückt hatte.

Der Dreiakter begann mit einem von Einbrüchen geplagten Kioskbesitzer, der sich ärgerte, dass der überführte Ganove straffrei ausging, weil er bereits wegen anderer, schwerwiegender Fälle angeklagt war. „Wer dreimal geblitzt wird, muss doch auch dreimal zahlen!“ Ein Polizist namens Kevin beklagte Lohnungerechtigkeiten bei den Bundesländern. Eine Reinigungsfachkraft aus dem Hause ver.di hat Rücken, obwohl sie seit Jahren wegen ihrer Betriebsratstätigkeit von der Arbeit freigestellt ist und auch noch Aktivistin der Linkspartei macht.  Ein Tim aus der Antifa-Hochburg Hamburg sah seine Freiheitsrechte durch Staats-Trojaner in Gefahr. Dann noch eine Landärztin und ein Krankenpfleger. So weit, so bekannt. Das ZDF, bei dem es inzwischen menschelt wie bei RTL Vera Int Veen oder Inka Brause, ließ die Kanzlerin aufdecken, dass sie eher der Salami- als der Schokoladentyp sei, und ein Phobie vor Kleidern habe. Aber es muss nicht immer Hosenanzug sein! Jeans geht auch.

Unmissverständliche Statistik in Bayern
Dramatische Zunahme der Kriminalität durch Zuwanderer
Zweiter Akt. Hier kam die neue Strategie zum Zuge. Integration. Eine Schulrektorin aus Frankfurt am Main glaubt, sie schaffe das nicht. Kaum eines der Kinder spreche deutsch, viele erschienen ohne Frühstück, die Zähne nicht geputzt. Und wenn sie die Probleme anspreche, gelte sie als rechts. Natürlich dürfe sie das ansprechen, entgegnet Merkel. Und es gehe voran, mit Integrationsgipfel und so weiter. Merkels neuer Plan, wie immer gekonnt formuliert: Mehr Muslime als Lehrer, die „können das härter, sich austauschen.“ Dann solle die Rektorin versuchen, „mit den Eltern zu sprechen, gerade auch mit den Vätern, weil die das Regime zu Hause führen“. Dann versprach sie der Rektorin einen Arbeitskreis aus 50 Lehrern, bei dem die Probleme mal auf den Tisch kommen! Das fing interessant an. Und wurde noch besser!

Sabine E. aus Erfurt zitierte Medienberichte, denen zufolge statt hilfsbedürftiger Frauen und Kinder mehrheitlich junge Männer hierher kamen. Der Überschuss mehrerer hunderttausend Männer führe zu Gewalt gegen Frauen. Dazu passe das rückständige, eher im Tribalistischen angesiedelte Frauenbild. Dann zitierte sie die bayerische Regierung, die gerade erst eine dramatische Verbrechenszunahme durch die Migration festgestellt hatte. „Wie gedenken Sie diese Schieflage zu beseitigen?“

Schlampig oder bewusst irreführend oder beides?
Faktencheck ZDF-Slomka: Wie kriminell sind Zuwanderer wirklich?
Gar nicht. Denn all das „gab es auch vorher schon. Wir verfolgen sehr genau die Statistik. Ob es alleinstehende Männer sind oder nicht – Verbrecher werden abgeschoben.“ Die Aussage ist interessant für Merkelforscher: Weiß die Führerin vielleicht gar nicht, was los ist? Oder lügt sie bewusst? Denn später bestätigt sie die bayerischen Zahlen. Schließlich unterstellt sie der Fragerin unter dem Gejohle des handverlesenen Publikums, die „habe insinuiert“, dass alle „Flüchtlinge“ (unter welchen Bezeichnungen auch immer die geführt werden) kriminell seien. Was die nüchterne Dame nun wirklich nicht hat. Und nach einem kleinen Abstecher in die deutsche Geschichte machte sie trotzdem klar: „Es darf keine Tabuthemen geben.“ Irgendwann um diese Zeit geistert die Info durch das Netz, dass die Ver.di-Putzfunktionärin eingeschmuggelt sei. Das stimmt nicht. Das Publikum ist ausgewählt. Es klatscht und johlt an der richtigen Stelle: Flüchtlingskriminalität, und wenn noch so eindeutig belegt? Gibt´s gar nicht. Und eilfertig erklärt das ZDF, dass der Faktencheck folge. Klar. Den kennt man ja schon.

Ramin Murhabad (klang so) beklagte seine Asyl-Ablehnung durch das schlampige BamF. Und dass 8 (in Worten: acht) Afghanen abgeschoben wurden, verunsichere alle Afghanen. Wie kann man so etwas antun? Hier konnte Merkel die große Mogelpackung verkaufen, dass Straftäter abgeschoben würden, was so klang wie ‘alle Straftäter‘, nicht gerade mal acht. Der junge Mann grämte sich sodann, dass er jetzt gegen das Land klagen müsse, in das er mit großer Hoffnung gekommen sei. Das sei doch nicht schlimm, beschied Merkel, dann solle er doch den Rechtsweg nehmen. (Wie 250.000 andere auch.) Murhabad erklärt mehrfach, dass ihn Pro-Asyl unterstütze. Da fliessen jetzt vermutlich die Gelder. Wobei es eine der stärken Sekunden von Merkel ist: Immerhin weist sie darauf hin, dass die abgeschobenen Acht das sind, was man als Schwerkriminelle bezeichnet. Dem Klatsch-Publikum wird’s spürbar unheimlich.

Die unMigrationsindustrie wächst
Abschiebung? Schon 250.000 Klagen gegen Ablehnungsbescheid
Der Syrer Ahmed Alhadieri (Lautschrift) begann mit einer Liebeserklärung: „Frau Merkel, ich liebe Sie. Sie sind die Beste nach meiner Mama und meinem Papa.“ Aus seiner Sicht verständlich. Nach Stationen in der Türkei und Frankreich findet er es hier am schönsten und hätte jetzt gerne seine Familie nachgeholt, und zwar sofort. Immerhin hat er die vor zwei Jahren irgendwo sitzengelassen. Liebe hin oder her, für Frau Merkel gilt hier die Genfer Flüchtlingskonvention. Plötzlich steht ein Gespenst im Raum: Familiennachzug. Merkel verspricht nur Ehepartner und Kinder. Es wird noch unheimlicher. Die Realität arroganter Anspruchshaltung beleidigter Afghanen und reisefreudiger Syrer schwindelt sich unmanipuliert ins Studio. Es ist ein großes Narrativ: Die große Liebe Merkel hat doch alle eingeladen, und jetzt doch nicht so, wie erwartet? Da kann sie die maßvoll Strenge geben, die allzu Frechen auf die Finger klopft. Später können dann Kulturwissenschaftler klären, dass eine Clanchefin eben für alles verantwortlich ist, weswegen ihre Untertanen ständig jammern und mehr verlangen. Der Chef, der sogar eine Chefin sein kann wenn´s was bringt hat´s eben auch nicht leicht.

Ein Berliner „aus bikultureller Familie“ jammerte, dass er für die Deutschen, die er trifft und von denen er liest, einfach „nur der Türke“ ist. „Fühlen Sie sich verantwortlich für den strukturellen Rassismus?“ lautete eine seiner zahllosen Fragen und Vorwürfe. Die Leitkultur war ihm zuwider, ist auch Rassismus. Und dass in einer Talkshow gesagt wurde, Roberto Blanco sei ein wunderbarer Neger. Oder dass Merkel 2010 selbst gesagt habe: „Multikulti ist gescheitert.“ Daran erinnerte die sich nicht mehr, aber er finde sie an seiner Seite „gegen jede Form von Rassismus“. Und dass mit dem Deutschsein sei überschätzt, denn „Sie sind Deutscher, wenn sie deutscher Staatsbürger sind“. Immerhin dürften die Deutschen auch ihre Kultur ein wenig herzeigen, auch wenn die Kanzlerin „Leitkultur“ meidet. Allzu streng ist die Kanzlerin der Alltagsrassisten nicht. Aber daran sind ihre Bürger ja gewohnt, dass man ihnen alles vorwerfen darf. Schranken sind immer nur einseitig.

Das ist sie also, die neue Strategie der Union. Man darf jetzt ruhig alles fragen. Aber nichts insinuieren! Die Antworten entnehmen Sie, wie gewohnt, aus dem Parteiprogramm in leichter Sprache.

Im dritten Akt wurde es wieder heimelig. Wirtschaftsstandort Deutschland. Da hat uns am besten gefallen, wie sie sich zum Internetstandort Deutschland äußerte. Hier liegt Merkelland in einer internationalen Statistik auf einer Stufe mit Tunesien. Aber das ist auch schon mal eine Leistung, denn „als ich ins Amt gekommen bin, gab’s ja noch nicht mal Smartphones!“ Danke, Angela, dass es die jetzt gibt!

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