Tichys Einblick
Der Sonntagsheld über einen Film, der vielleicht bald umgeschnitten werden muß

When Harry met Sally – met Sam

Es lebe der kleine – und der große Unterschied zwischen Männern und Frauen! Wann immer ich mir „Harry und Sally“ anschaue, entdecke ich wieder etwas anderes, worüber ich lachen oder schmunzeln kann. Eine der schönsten Momente des Films ist aber nicht der, an welchen Sie jetzt gerade denken. Der Film ist so wunderbar, dass er nicht mehr in die Zeit paßt, obwohl er pausenlos gesendet wird. Da liegt die Frage nahe: Wie lange noch? Wann wird er der Political Correctness geopfert?




Alle Monate wieder schießt ein Sender den Film „Harry und Sally“ über den Äther; ein Film aus dem Jahr 1989, in dem ein Mann und eine Frau die ganzen großen und kleinen Unterschiede – und auch einige Gemeinsamkeiten – zwischen den Geschlechtern aufzeigen. Der Film beginnt mit der Fahrgemeinschaft, die die beiden recht notgedrungen bilden, um nach abgeschlossenem College in Chicago von dort gemeinsam nach New York zu fahren.

Die Autofahrt gerät für beide zur nervenaufreibenden Angelegenheit. Unter anderem darum, weil Harry betont, dass er nicht an die Möglichkeit glaubt, dass Männer und Frauen je Freunde sein könnten, wo doch immer der Sex zwischen ihnen steht. Sally muss ihm da energisch widersprechen, nicht ohne einen vorwurfsvoll wertenden Seitenblick auf Harry. Grundsätzlich sind die beiden in allem anderer Meinung und froh, als sie nach einem Tag Fahrt schliesslich New York erreichen und wieder getrennter Wege gehen können.

Jeweils im Abstand von fünf Jahren begegnen sie sich wieder. Einmal am Flughafen und im Flugzeug, beide zu dem Zeitpunkt glücklich liiert. Sally wertet Harry ebenso wie in den fünf Jahren zuvor und möchte am liebsten gar nicht auf ihn treffen oder mit ihm ins Gespräch kommen, was er gänzlich ignoriert und sie aufgeregt munter volltextet. Das andere Mal, wieder sind fünf Jahre vergangen, erfahren sie, dass beide sich von den Partnern getrennt haben – und verabreden sich. Ab da entwickelt sich eine wunderbare Freundschaft – die allerdings, ganz Harrys Prophezeiung und Nora Ephrons unnachahmliches Regierezept für gelungen gewürzte Frauenfilme, in einer Liebesbeziehung endet.

In die Annalen der Filmgeschichte eingegangen ist die Szene, in der Sally Harry bei der Einkehr in einem Schnellrestaurant demonstrativ und sehr lautstark davon überzeugt, dass Frauen Höhepunkte gerne auch mal vortäuschen.

Die Szene ist lustig, besonders die Mutter des Regisseurs Rob Reiner, Estelle Reiner, wird immer wieder gerne zitiert, die im Anschluss an Sallys gefaketem Höhepunkt beim Kellner die Order aufgibt: „Ich möchte genau das, was sie hatte.“

Aber die besonders schönen Szenen, von denen ich eingangs gesprochen habe, sind die, die zusammenhanglos und unvermittelt in dem Film auftauchen, eingebaut zwischen die Geschichte der Protagonisten. Hineingeschnittene Ausschnitte aus dem Leben langverheirateter betagter Ehepaare, die in Interviews erzählen, wie sie sich gefunden, wie sie sich verliebt, wie sie geheiratet haben. So finden sich inmitten der Hauptstory von Harry und Sally die kurzerzählten Liebes- und Lebensgeschichten von sechs Ehepaaren.

Ein schwuler Bekannter, mit dem ich mir vor etwa fünf Jahren den Film mal gemeinsam angesehen habe, sagte – es war damals Spaß: „Du wirst sehen, da wird man nachträglich noch mal ein homosexuelles Paar reinklagen, einer Afroamerikaner, der andere Eurasier – und ein Päarchen von den alten Heten da rausnehmen.“ Und wieder fünf Jahre später, ein paar abgeänderte Tom Sawyers & Huckleberry Finn’s und Pippi Langstrumpfs und Kleine Hexen, ein Remake zu einer völlig neuen Rosemary aus Rosemary’s Baby sowie ein paar Rassismusvorwürfe zu einer als wenig authentisch empfundenen Geschichte später, beginne ich allmählich zu glauben, dass er vielleicht doch gar nicht mal so falsch gelegen hat mit seinem Scherz-/Ernsteinwurf. Nachbearbeitungen sind eigentlich dazu gedacht, um Feinheiten nachzubessern, kleinere Fehler zu korrigieren. Aber die Frage wurde bereits gestellt und das wird sie vermutlich weiter, warum es in der Art der Nachbearbeitung denn Beschränkungen geben sollte, wenn es doch auch bei Büchern geht.

Dabei sind Bücher, sind Filme, eben Geschichten, die Dokumente der Zeit, aus der sie stammen. Sie belegen, wer wir waren. Woher wir kommen. Sowohl um festzuhalten, als auch darum, damit wir uns von diesen Bezugspunkten stetig fortbewegen, unterscheiden und entwickeln können. Immer bestrebt in dem Wunsch, die Dinge besser zu machen. Vor allem, wenn es das Streben nach mehr Gerechtigkeit in allen Bereichen anbelangt.

Wer sind wir aber, dass wir die Geschichte(n) ändern oder umschreiben? Das ist bekannterweise denen vorbehalten, die den Krieg gewonnen haben, den Siegern. Tobt denn ein Krieg? Immer öfter hat man den Eindruck: Ja, das tut es.




 

Die mobile Version verlassen