Tichys Einblick

Weihnachtstatort mit fadem Beigeschmack: Glühwein, Giftmord, Grossfinanz

Eigentlich hätte die ARD diesen Kriminalfilm mit den zwanghaften Bezügen zur Weihnachtszeit angesichts der Tagesaktualität aus dem Programm nehmen müssen. Vielen wird der Anblick sorgloser Zürcher Weihnachtsmarktbesucher nur sehr schwer erträglich gewesen sein.

© SRF/Sava Hlavacek

Die Kriminalkommissarinnen Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler) teilen das Schicksal vieler Singles zur Weihnachtszeit: Man flieht vor der allzu heimeligen Zurschaustellung von Harmonie und Familienglück. Ott zu Ihrem Langzeitkumpel, Ex-Junkie Charlie Locher (Peter Jecklin), der allerdings gerade mit dem Amtsarzt um seine staatliche Unterstützung kämpfen muss (der habe zu ihm gesagt „Sie können arbeiten“ und sei wohl der Meinung, „alle Abhängigen sind Schmarotzer“). Er schmeisst die Polizistin aus der Wohnung, als sie ihm finanzielle Hilfe anbietet. Grandjean hingegen zieht es auf den Weihnachtsmarkt, wo sie sich vom smarten Marek Kowalski (Lucas Gregorowicz) im 3000-Euro-Mantel beschenken, anquatschen und abschleppen lässt. Die ehemalige Kollegin der Den Haager Chefanklägerin Carla Del Ponte hätte es besser wissen müssen, und wenig später muss sie sich auch eingestehen: „Ich habe mich manipulieren lassen, ich bin eine schlechte Polizistin.“

Mysteriöse Botschaften

Nicht viel später erhält sie auf einer bedruckten Karte einen GPS (Globales Positionierungs-System) Längen- und Breitengrad, dem sie sich neugierig und wieder ohne die entsprechende polizeiliche Absicherung nähert. Dort liegt der mit Schierling vergiftete Metallarbeiter Heinz Hubacher (Peter Portmann) der kurz zuvor auf Betreiben der internationalen Unternehmensberaterfirma CIG seinen Job verloren hatte. Diese, nur der rücksichtslosen Rationalisierung geschuldete Kündigung konnte auch die Tatsache, dass der kinderlose Junggeselle 20 Jahre lang „quasi mit dem Betrieb verheiratet gewesen ist“ nicht verhindern. Einsam und verlassen stehen nun die beiden lieblosen Geschenke für „10 Jahre Treue und Fleiss“ (2 Blech-Kännchen mit derselben Gravur) in seiner Wohnung. Die mitfühlende Ott dazu: „Die hätten sich auch mal was Besseres einfallen lassen können“.

Alte Münzen und alte Fälle

Kommissarin Grandjean hat gute Gründe dafür, sich nun alleine den Ermittlungen zu widmen. Zum einen hat sie ein wichtiges Beweisstück (Hubacher hatte eine alte griechische Münze im Mund) entwendet und zum anderen wird ihr klar, dass sie ab jetzt in ihrer eigenen beruflichen Vergangenheit wird ermitteln müssen. Denn diese einzigartige Art und Weise, ein Mordopfer zu präparieren, hat sie schon einmal gesehen, und zwar bei ihrem ersten und wichtigsten Mordfall, der ihrer Karriere einen besonderen Schub verlieh. Das Geständnis des vermeintlichen Täters und damit die Taktik, mit der sie den damals Verdächtigen jungen Mitarbeiter einer Arbeitsagentur (verübte kurz danach Selbstmord) in langen Verhören unter Druck setzte, sind nun in Zweifel zu ziehen.

Der Wolf im teuren Wolfspelz

Ausgerechnet ihrer Zufallsbekanntschaft Marek „aus Warschau“ vertraut sich Isabelle an, und auch hier verlässt sie ihre polizeiliche Spürnase. Denn niemand anders als dieser aalglatte Unternehmensberater steckt hinter einer ganzen Serie von Morden an frisch entlassenen Mitarbeitern von Hannover über Innsbruck über Montreal bis Zürich. Marek tänzelt selbstherrlich wie ein Todesengel durch die Büroetagen der Bank, in der er und sein Team Stellen sparen sollen, und beendet im Auftrag der Direktion Karrieren, oder gestattet grosszügig, dass sie weitergehen dürfen. Kontra gibt ihm nur die Schalterangestellte Susan Guggisberg (Annette Wunsch), die ihm entgegnet, für ihn und seine Truppe von Kündigungsexperten sei ihre Bank, die „sie sich nicht schlecht reden liessen“ doch nur eine „bad bank“ und „Menschen, an denen man sparen könne“ … sie arbeite aber „für ihre Kunden und nicht für die Dividenden von Aktionären… und habe „keine Angst, sei in der Gewerkschaft“, worauf Marek sie warnt: „Das ist aber nicht klug…sie sollten Angst haben.. das seien „alles nur Zahlen und Statistiken, um die Menschen zu beruhigen, aber die Welt werde davon nicht bestimmt… sondern von Willkür und vom Zufall“. Worauf Guggisberg ihm zum Abschied verächtlich entgegnet: „Stolzierst hier rum in Deinem teuren Anzug und machst einen auf wichtig, aber eigentlich hast Du keine Ahnung, von nichts.“

Wahnsinn und Grössenwahn

Diesem aalglatten und eloquenten Manager ist sein Beruf offenbar zu Kopfe gestiegen, denn er pickt sich aus den auf sein Betreiben hin Entlassen Opfer heraus, die er heimtückisch vergiftet, ihnen beim Sterben zusieht und sie dann mit dem (aus der griechischen Mythologie) Obolus für den Fährmann Charon über den Fluss des Todes versieht. Als er an einem inoperablen Hirntumor erkrankt, kommt er auf die Idee, Kommissarin Grandjean, deren Ermittlungen er durch das Legen einer falschen Fährte (auf die sie hereinfiel) vor Jahren entkam, nun zu seinem „Anfang und Ende…Alpha und Omega“ zu machen und sie dabei auch mit einem Schierlingstrunk umzubringen.

Glücklicherweise wird Grandjean von ihrem Langzeitfreund Milan Mandic (Igor Kovac) gerettet, noch bevor sie zum Fährmann (Marco Calamandrei) ins Boot steigen kann. Über die Hannoveraner Konzernzentrale seiner Firma kommen sie Marek auf die Spur und Ott darf endlich einmal „..eine Grossbank stürmen .. geil, oder?“. Gefasst wird er aber bei seinem letzten Opfer, einem grade geschiedenen Bankmanager (Patrick Rapold), der in seiner 8-Zimmer-Villa mit Seeblick grade Geschenke einpacken wollte und in letzter Minute vor dem ihm zugedachten Gifttod gerettet wird.

Der todkranke selbsternannte Todesengel verübt mit dem eigentlich für sein letztes Opfer angerührten Schierlings-Whiskey Selbstmord, und wird, wie Charlie es beschreibt, nun „100 Jahre am Ufer des Styx warten müssen: kalt, dunkel Scheiße…“

Staatsanwältin Anita Wegenast (Rachel Braunschweig) erlässt Grandjean, einer Top-Unternehmensberaterin nicht unähnlich, nach Drehen eines „Obolus“ (Kopf oder Zahl) das eigentlich fällige Disziplinarverfahren. Das Weihnachtsidyll kann, zumindest in Zürich, im beginnenden Schneegestöber ungestört weitergehen.

Anzeige
Die mobile Version verlassen