Als die „beiden aktuell erfolgreichsten, aber auch umstrittensten Politikerinnen Deutschlands“ stellte Welt-TV-Chef Jan Philipp Burgard die Kontrahentinnen an diesem Abend vor: Er hatte AfD-Chefin Alice Weidel und BSW-Kopf Sahra Wagenkncht zum Duell geladen. Nachdem der Springer-Sender bereits im April Björn Höcke und Mario Voigt aufeinandertreffen ließ, scheint sich ein Muster abzuzeichnen: Der Sender versucht, Zuschauer mit politischen Konfrontationen zu locken, die so im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk wohl nie laufen würden. Man kann das nur begrüßen und darf gespannt sein, wer als nächstes miteinander diskutieren wird.
Wagenknecht dagegen hatte sich offenbar fest vorgenommen, Unterschiede herauszustellen und sich merkbar abzugrenzen. Während Weidel noch auf Schmeichelkurs war, ging Wagenknecht direkt auf Konfrontationskurs, warf Weidel etwa vor, sie „ehrenrührig und ehrabschneidend“ angegangen zu haben, weil die AfD- der BSW-Frau außerhalb des Duells attestiert hatte, als Steigbügelhalterin für die CDU zu agieren. Inhaltlich stimmte Wagenknecht dann zwar immer wieder mit Weidel überein, vergaß aber nie, die Übereinstimmung mit abgrenzenden Worten zu umrahmen.
Dennoch: Es wurde mehr als deutlich, dass die beiden Frauen in vielerlei Hinsicht grundsätzlich auf einer Schiene unterwegs sind. Zu Beginn fragte der Moderator nach den drei wichtigsten Maßnahmen in der Wirtschaftspolitik. Weidel hob auf die „desaströse Energiepolitik“ ab, benannte Probleme im Bildungssektor und die zu hohe Steuer- und Abgabenlast. Wagenknecht beklagte in derselben Reihenfolge Energie- und Bildungspolitik, stellte als dritten Punkt allerdings die „absolut marode Infrastruktur“ heraus.
Hier wurde der erste Unterschied deutlich: Zwar stimmte Weidel Wagenknecht im Bezug auf die marode Infrastruktur zu. Während Wagenknecht aber neue Schulden für Investitionen propagierte, beharrte Weidel auf der Schuldenbremse. Hier hatte die AfD-Chefin die BSW-Frau eigentlich an einem entscheidenden Punkt. Denn Wagenknecht argumentierte plötzlich wie eine Altpartei: „Ich will nicht Schulden machen, ich will Kredite nehmen“, sagte sie, und bewegte sich damit ganz auf rot-grünem Kurs, bei dem Schulden gerne mal zu „Sondervermögen“ verklärt werden. Leider verpasste es Weidel, diesen Elfmeter zu verwandeln.
Weiter zur Außenpolitik: Große Übereinstimmung bestand in der Ukraine-Frage. Wagenknecht spulte ihr Programm ab: Es gebe eine Vorgeschichte, der Krieg sei unter anderem ausgebrochen, weil die Russen kein US-Militär an ihrer Grenze haben wollten. Weidel stimmte Wagenknecht zu: Die Geschichte sitze immer mit am Tisch. Wagenknecht warf der AfD allerdings vor, die Aufrüstung der Bundeswehr nicht nur mitzutragen, sondern auch noch zu sagen, „wir bräuchten noch mehr“. Weidel beantwortete das mit einem kühlen „richtig“.
Leider nicht. Nicht nur überließ es Weidel dem Moderator, Wagenknechts radikal israelfeindliche Argumentation konkret zu konfrontieren. Sie geriet auch selbst schnell ins Schlingern, schwurbelte plötzlich von einer „Zwei-Staaten-Lösung“, von drohender „Eskalation“ und davon, dass „am Ende eines jeden Konfliktes immer ein Frieden steht“. Die Frage, ob sie Wagenknechts Forderung nach einem Waffenembargo mittrage, beantwortet sie zunächst nur mit dem Hinweis, jedes Land habe das Recht auf Selbstverteidigung. Kurz darauf stellt sie klar: „Keine deutschen Waffen nach Israel.“
Auf den Thüringer AfD-Chef hatte sich Wagenknecht besonders vorbereitet: Ganze Passagen aus dessen viel zitierten Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ hatte sie ausgedruckt, um sie nun vorzutragen. Obwohl ähnliches zu erwarten gewesen war, hatte Weidel darauf keine schlagfertige Antwort parat. Es wirkte eher hilflos, als sie im Gegenzug an Wagenknechts Vergangenheit in der Kommunistischen Plattform und ihr früheres Schwärmen für Venezuela und Kuba erinnerte. Wagenknecht distanzierte sich einfach von ihren – so sie selbst – „ziemlich abenteuerlichen“ Positionen aus der Vergangenheit. Und die AfD-Chefin setzte dem nichts Substantielles mehr entgegen.
Wäre sie besser vorbereitet gewesen, hätte sie abseits von Wagenknechts vergangenen Äußerungen inhaltliche Kontinuitäten in ihrem sozialistischen Weltbild aufdecken können. Oder aber die radikale Israelfeindschaft in den Reihen des BSW anprangern. Gerade bei letzterem bietet die Wagenknecht-Truppe eine breite Angriffsfläche. Allerdings wäre es wohl auch in Teilen der AfD-Mitgliedschaft nicht gut angekommen, wenn Weidel ausgerechnet diesen Punkt ausgenutzt hätte, um Wagenknecht anzugreifen.
Auffällig übrigens: Zwar spielte Wagenknecht die Höcke-Karte, sie war aber stark darum bemüht, keine Brandmauer-Rhetorik aufkommen zu lassen. Bereits zu Beginn hatte sie erklärt, man müsse „mit der AfD fair umgehen“. Gegen Ende sagte sie dann, sie schließe eine Koalition mit Leuten „im Neonazi-Sumpf“ aus. Also nicht mit der AfD als solcher?
Mit Weidel zum Beispiel würde Wagenknecht wohl durchaus kooperieren können. Auf die Frage des Moderators, wo sie die AfD-Chefin auf einer Skala von 1 bis 10 einsortieren würde (1 = ein bisschen rechts; 10 = sehr rechts), antwortet die BSW-Frau mit einer annehmbaren 6. Auch von Weidel gab’s am Ende noch einmal Blumen für Wagenknecht: „Ich glaube, sie hat ein sehr ausgewogenes Profil“, sagte sie, wenngleich Unschärfen blieben. Just als Weidel letztere noch einmal aufzudecken versuchte, indem sie Wagenknecht wegen deren Vorstellungen zur Erbschaftssteuer eine mittelstandsfeindliche Politik attestierte, war das Duell leider vorbei.