Tichys Einblick
Revolution im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

WDR-Chef Tom Buhrow stößt in Sachen Reformen auf Kritik der Mitarbeiter

In Köln sind die Jecken los und der WDR hat eine Betriebsversammlung durchgeführt. Dort musste sich Intendant Tom Buhrow harte Kritik für seine Pläne anhören, eine Revolution in ARD und ZDF starten zu wollen.

Tom Buhrow, WDR-Intendant,

IMAGO / Sven Simon

„Wenn die Deutschen Revolution machen, kaufen sie zuerst eine Bahnsteigkarte, bevor sie den Bahnhof stürmen“, sagte Lenin. Eine weitere Option hat der russische Chef-Revolutionär indes übersehen. Wenn sie am Ende ihrer Karriere stehen, sind sie plötzlich ebenfalls für Veränderungen offen. So wie Frank Plasberg. Jahrelang hätte er in „hart aber fair“ für die Menschen senden können, statt „über ihre Köpfe“ hinweg. Hätte kontroverse Meinungen zulassen können. Nun soll es die geben in der ARD. Da er weg ist, wünscht sich das Plasberg zumindest.

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Oder Tom Buhrow. 64 Jahre alt. Intendant des WDR. Der hat im Hamburger „Übersee-Club“ die Revolution des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefordert. Allerdings hatte sich der WDR-Intendant eine Art Bahnsteigkarte gelöst: Er sage das nicht als WDR-Chef, sondern als Privatmann. Das leuchtet ein. Schließlich hatte ihn der Übersee-Club nicht wegen des langweiligen Fernseh-Themas eingeladen, sondern weil Buhrow als Briefmarkensammler berühmt ist und dafür, klemmende Marmeladengläser öffnen zu können. Zur Revolution gehören für den Abfallrausbringer Buhrow, dass die Politiker weniger Einfluss auf ARD und ZDF erhalten und die Öffentlich-Rechtlichen ihre hohen Kosten und verkrusteten Strukturen aufbrechen.

Nun musste sich der Privat-Revolutionär Buhrow in dienstlicher Funktion den Mitstreitern stellen. Auf einer Betriebsversammlung. Die hatte der WDR auf den Elftenelften gelegt. Karnevalsbeginn in Köln. Es sei terminlich nicht anders gegangen, sagt der WDR. Die Stimmung war aufgeladen, berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger – der in jüngster Zeit einige kritische Punkte rund um den Staatssender aufgedeckt hat.

Schon im Vorfeld hatte die Gewerkschaft Verdi einen Fragekatalog eingereicht. Die Gewerkschafter hatten einige Zweifel daran, dass sich Buhrow als Privatmann geäußert habe: Würden seine Forderungen umgesetzt, bedeutete das auch massiven Personalabbau. Wieso die Initiative dann nicht mit dem Personalrat abgestimmt war, wollte Verdi wissen. Zumal sie wohl im Büro des Intendanten über Wochen vorbereitet wurde. Ob sich der Privatmann für seinen Vortrag von WDR-Mitarbeitern habe zuarbeiten lassen, wollte Verdi ebenfalls wissen. Und ob die Trennung sauber gewesen sei, falls Buhrow sie privat für diese Arbeit bezahlt habe.

TE wollte das auch wissen – reichte die gleichen Fragen beim WDR ein. Sie blieben unbeantwortet. Bis zur Pressestelle scheint sich die Revolution noch nicht rumgesprochen zu haben. In der Betriebsversammlung musste sich der Chef dann anhören, dass er seine Mitarbeiter vorgeführt habe und die Unsicherheit nun groß sei. Zumal der WDR ohnehin schon in den Schlagzeilen steht. Unter anderem dafür, dass Buhrow und seine Intendanz das Geld mit vollen Händen ausgeben.

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Die ARD streikt – und keiner stört sich daran
Es geht um den Umbau des Filmhauses in der Kölner Innenstadt. Dort will der WDR künftig Sendungen produzieren. Allerdings haben sich die Kosten auf 240 Millionen Euro erhöht, wie die Nachrichtenagentur DPA mitgeteilt hat. Das entspricht fast einer Verdopplung der ursprünglichen Kalkulation. Der Landesrechnungshof habe eine entsprechende Recherche des Kölner Stadt-Anzeigers bestätigt, dass er nun den Umbau prüfe, heißt es in der Meldung. Das werde aber bis zum nächsten Sommer dauern. Trotz 8,5 Milliarden Euro an staatlich erzwungenen Rundfunkgebühren im Jahr müsse der Sender für den Umbau einen weiteren Kredit von knapp 70 Millionen Euro aufnehmen.

Bisher haben sich die Mitarbeiter vor ihren Sender gestellt. So reichten über 100 von ihnen einen „Leserbrief“ ein, als Reaktion auf einen anderen Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers. Sie wiesen „mafia-ähnliche Strukturen“ im Kölner Sender zurück. Auch stimme es nicht, dass man immer loyal sein und alles abnicken müsse, um in Führungsrollen zu kommen, schrieben die Mitarbeiter öffentlich. Anders als die Lokalzeitung behauptet hat, dürfe der WDR auch über den Energieriesen RWE kritisch berichten. „Wir stellen fest: Wir sind stolz auf unsere Diskussionskultur, die sicherlich nicht immer perfekt ist. Aber wir arbeiten jeden Tag daran, sie weiter zu verbessern“, heißt es in dem „Leserbrief“. Auch der Sender gab eine Stellungnahme zum Stadt-Anzeiger ab. Auch die Führung unterstellte dem Blatt, falsch berichtet zu haben.

Derzeit streiken die WDR-Mitarbeiter. Zwar begrüßen sie im Programm, dass Inflation und Energiekrise die Menschen zu Verzicht für den Klimawandel zwingen. Sie selbst soll dieser Verzicht aber nicht treffen. Deswegen fordern sie mehr Geld und dass sich sonst nichts ändert: ein quasi verbeamtetes Leben weitergeht – mit politiknaher Berichterstattung, geplant zwischen Frühstücks- und Mittagspause. Bis Buhrow diesen Laden auf Revolution eingestimmt hat, ist ein weiter Weg für den 64-Jährigen zu gehen. Aber eine Hürde hat er immerhin schon geschafft: Es gibt in Deutschland keine Bahnsteigkarten mehr.

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