„Warum hast du mich nicht wenigstens gewarnt?“ Das ist ein Lied von Herbert Grönemeyer. Darin hat er, sozusagen als Praecox, den grün-linken Zeitgeist formuliert, noch bevor dieser Geist unsere Zeit erreicht hatte.
„Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen mit diskriminierender Sprache und Haltung.“
Das blendet der Westdeutsche Rundfunk (WDR) seit Neuestem automatisch ein, wenn man sich in der Mediathek 50 Jahre alte Shows von Otto ansehen will – oder Folgen der Harald-Schmidt-Sendung „Schmidteinander“ aus den 1990er-Jahren. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit liegt, dass sich überhaupt nochmal ein woker 14 bis 22-jähriger Mensch beim WDR zu einer solchen Sendung verirrt, sei einmal dahingestellt.
„Vor Hausfreunden wird gewarnt“: So hieß 1960 eine hübsche Komödie mit Deborah Kerr und Cary Grant und Robert Mitchum …
… die könnte man sich übrigens auch wieder mal ansehen. Ist der Streifen noch irgendwo ohne mahnende Untertitel abrufbar – wegen überholtem Frauenbild und so? Weiß das jemand?
Pardon, ich schweife ab.
Wo war ich? Ach ja: Der WDR – also die ARD, deren größte Anstalt er ist – warnt nun nicht vor Hausfreunden, sondern vor deutscher Kulturgeschichte. Otto war Bühnenkomiker mit eigenem Programm und echten Pointen, lange bevor sogenannte Stand-up-Comedians mit fremdgeschriebenen Flachwitzen die Szene überschwemmten. Und Harald Schmidt hat der Welt gezeigt, dass Deutsche nicht nur gute Autos, sondern auch kluge Witze machen können.
Jetzt lösen die beiden Humoristen Publikumsschutzmaßnahmen aus. Wie konnte das passieren? Da lohnt es sich, kurz genauer hinzuschauen. Oder, um es mit Professor Bömmel aus der „Feuerzangenbowle“ zu formulieren: „Wat is’n Warnhinweis?“
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„Da stelle ma uns mal janz dumm“, würde Bömmel sagen (der übrigens auch nicht mehr lange ohne öffentlich-rechtliche Belehrungseinblendungen überleben dürfte). Grundsätzlich gibt es drei Arten von Warnhinweis:
Da ist, erstens, die Warnung vor Dingen, die irgendwo drin sein könnten, da aber im Idealfall nicht drin sein sollten: vor Spurenelementen an Nüssen in Lebensmitteln, zum Beispiel. Oder vor Krokodilen in Badeseen. Entsprechende Hinweisschilder gibt es in Australien tatsächlich, zur wohligen Begruselung von Touristen.
In Amerika, dem Land der unbegrenzten Dämlichkeiten, haben sie dann – zweitens – damit angefangen, auch vor Dingen zu warnen, die nicht nur irgendwo drin sein könnten, sondern da auch unbedingt drin sein sollten: vor heißem Kaffee in Kaffeebechern zum Beispiel. Kein Scherz.
Das liegt daran, dass US-Geschworenengerichte es mit dem gesunden Menschenverstand nicht so haben. Jemand verklagte da McDonald’s erfolgreich, weil er sich an heißem Kaffee den Mund verbrüht hatte. Nachdem das Fast-Food-Unternehmen dazu verurteilt worden war, ein paar Millionen Entschädigung an Betroffene zu zahlen, druckte es fortan die Vorsicht-im-Kaffeebecher-könnte-heißer-Kaffee-sein-Warnhinweise auf die Pappbehälter.
Schließlich gibt es – drittens – die Warnung vor unerwünschten Folgen bei der Benutzung von etwas. Bestes Beispiel: die Beipackzettel von Medikamenten. „Zu richtigen Nebenwirkungen essen sie die Packungsbeilage und schlagen sie ihren Arzt oder Apotheker.“
Da wird immerhin noch auf etwas hingewiesen, was ein Normalmensch kaum wissen kann. Immer öfter wird aber auch auf Dinge hingewiesen, die jeder wissen kann bzw. sollte. In den USA, schon wieder, enthalten Bedienungsanleitungen für Mikrowellen den Hinweis, doch bitte keine lebenden Tiere im Gerät zu trocknen. Eine nicht übermäßig technikaffine Rentnerin hatte ihre vom Regen durchnässte Katze in die neue Mikrowelle gepackt, was der Mieze nicht gut bekam. Omi verklagte den Hersteller – und gewann.
Millionen flossen, glückliches Amerika. Seitdem gibt es werksseitige Vorsicht-Schilder.
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Nun also: Warnhinweise für Otto, Harald Schmidt und dem Tatort-Schimanski.
Beipackzettel richten sich an Patienten, als solche sehen ARD und ZDF ganz offenkundig die Zuschauer. Und zwar als ganz besonders dämliche Patienten: Denn wer sich schon die Mühe macht, in der WDR-Mediathek eine 50 Jahre alte Otto-Show abzurufen, tut das offensichtlich nicht zufällig.
Der Zuschauer weiß, wonach er sucht, und er weiß, was er bekommt: Witze.
Dass man davor irgendwen irgendwie warnen müsste, kann nur ein radikal humorbefreiter und fundamental lustfeindlicher Puritaner denken – und jemand mit einer tiefsitzenden Verachtung vor eigenständig denkenden Bürgern.
Das ist ungefähr die Definition des öffentlich-rechtlichen Quasi-Beamten.
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Leider verzichten ARD und ZDF auf wirklich sinnvolle Warnhinweise: zum Beispiel vor prügelnden Migranten-Horden im Freibad. Oder vor Gruppenvergewaltigungen am Badesee. Oder vor Messerangriffen in der Bahn.
Stattdessen: Hüten Sie sich vor Otto und vor Harald Schmidt.
Die nächsten Gegenstände für Warnhinweise liegen auf der Hand: die Fußball-Bundesliga, wegen Vorführung toxischer Männlichkeit. Das Grundgesetz, wegen nicht mehr zeitgemäßer Freiheitsvorstellungen. Und die Bibel, oh Gott, die Bibel natürlich, wegen … eigentlich wegen allem.
Auf dem Weg dahin planiert der WDR derweil auch die erfolgreichsten verbliebenen Formate bis zur politisch korrekten Unkenntlichkeit. Der Münsteraner „Tatort“-Kult-Kommissar Börne (alias Jan-Josef Liefers) darf seine kleinwüchsige Assistentin Haller (alias Christine Urspruch) künftig nicht mehr „Alberich“ nennen. In der germanischen Mythologie war Alberich König der Zwerge, Richard Wagner ließ ihn sogar in seiner Oper „Rheingold“ auftreten.
So viel Anspielung auf deutsche Hochkultur mag der Westdeutsche Rundfunk dem Zuschauer nicht mehr zumuten. Der Sender behandelt sein Publikum konsequent nicht nur wie Patienten, sondern auch noch wie Kinder.
Das passt. „Kinder an die Macht“ ist ja auch ein Lied von Grönemeyer.