Tichys Einblick
Patzer bei Olympischen Spielen

Was haben ARD und ZDF gegen türkische Zuschauer?

ARD und ZDF zeigen im Internet alles über die Olympischen Spiele in Paris. Fast alles. Ausgerechnet das Volleyball-Halbfinale der Damen ließen sie aus. Türkei gegen Italien. Das Spiel passte nicht ins deutsche Türkei-Bild.

picture alliance / xim.gs | xim.gs

Gewichtheben der Herren. Hoffnungsrunde im Taekwondo. Das alles gehörte am Donnerstagabend zum Olympia-Angebot von ARD und ZDF im Netz. Auch das Halbfinale der Wasserballerinnen, Australien gegen die USA, war zu sehen. Nur das Halbfinale der Volleyballerinnen fehlte im Internet-Angebot. Obwohl zwei der größten Minderheiten Deutschlands in dem Spiel vertreten waren: Türkei und Italien.

Warum zeigen ARD und ZDF ausgerechnet das entscheidende Spiel der Volleyballerinnen aus der Türkei und Italien nicht? Ein ZDF-Sprecher antwortet TE: „Angesichts der Vielzahl olympischer Wettkämpfe ist selbst bei bis zu zehn parallelen Livestreams pro Tag eine Auswahl zu treffen. Das Volleyball-Halbfinale der Frauen zwischen der Türkei und Italien hätte angesichts anstehender Medaillenentscheidungen in anderen Sportarten nicht in voller Länge übertragen werden können. Deswegen wurde die Übertragung des Basketball-Halbfinales der Männer zwischen Serbien und USA priorisiert.“ Gewichtheben, Taekwondo und Wasserball konnte das ZDF also übertragen. Wären noch die türkischen und italienischen Volleyballerinnen dazu gekommen, wäre das Internet voll gewesen. Türkische Zuschauer sehen sich in ihren Interessen vom deutschen Staatsfernsehen hinter die Australierinnen zurückgesetzt.

Dass ARD und ZDF die türkischen Fans brüskieren, ist nicht zum ersten Mal passiert. Bereits während der Europameisterschaft waren es oft ausgerechnet die Spiele der türkischen Nationalmannschaft, die nicht im deutschen Fernsehen zu sehen waren. Dabei ist Integration sonst ein Schwerpunktthema in ARD und ZDF. Doch was Integration ist, entscheiden die Öffentlich-Rechtlichen selbst. Der türkischstämmige Bürger muss in ihr Bild von Türkischstämmigen passen.

Kurze Hosen. Ausschnitt. Keine Kopftücher. Das türkische Volleyball-Team passt eben nicht ins deutsche Bild von der Türkei. Deren Bild ist das der Türkei Erdogans, in der das Kopftuch wieder auf dem Vormarsch ist. Dieses Kopftuch wiederum ist im öffentlich-rechtlichen Fernsehen oft ein Thema. Funk, das Jugendangebot von ARD und ZDF, überschlägt sich mit Angeboten dazu: Wie trage ich das Kopftuch richtig? Wie fühlt es sich als deutsches Mädchen an, sich zu verschleiern? Und natürlich: Warum das Kopftuch ein Zeichen weiblicher Emanzipation ist. So stark wie die Woken von ARD und ZDF setzen sich sonst nur patriarchalische Familienherrscher für die Verschleierung ein.

Die Volleyballerinnen sind Stars in der Türkei. Das liegt vor allem an Melissa Vargas. Die kubanischstämmige Spielerin ist 1,94 Meter groß und hat das türkische Team zum Sieg der Nationsleague und der Europameisterschaft geführt. Repressionen durchs Fernsehen sind die Volleyballerinnen gewohnt. Wenn sie spielen, sitzen dort die Bürgermeister der großen Städte im Publikum, die nicht zu Erdogans AKP gehören. Das türkische Staatsfernsehen blendet die Opposition kategorisch aus, das deutsche Staatsfernsehen die türkischen Frauen ohne Kopftuch. Andere Namen, gleiche Methoden.

Anzeige
Die mobile Version verlassen