Olaf Scholz gibt sich seit Monaten aller größte Mühe, seine FFP2-Maske bei jeder Gelegenheit demonstrativ aufzusetzen – in pandemischem Verantwortungs-Getue steht er Markus Söder in nichts nach. Und dennoch werden nach der Sendung „Das Triell“ auf RTL und n-tv am Sonntagabend Fotos vom Backstage-Bereich durchs Netz kursieren, die die versammelte Politik-Elite ohne Maske und Abstände zeigen. In der Bildmitte Saskia Esken, knallrot angezogen, mit einem Blick, der töten könnte. Sie wird während der ganzen Sendung twittern – zu jedem einzelnen Debattenpunkt wird sie ein Statement abgeben, so als wäre sie virtuelle vierte Kanzlerkandidatin. Egal was Scholz tut, sie hintertreibt es eben.
Das Wahltriell von RTL/n-tv am Sonntagabend wird für den Zuschauer durchaus aufschlussreich. Nicht unbedingt inhaltlich – das Migrations-Thema etwa wird nicht einmal angeschnitten, die meiste Zeit ist man sich einig. Aber die Kandidaten offenbaren sich auf anderen Wegen.
Die Überraschung des Abends ist Armin Laschet. Beim Afghanistan-Thema schon ganz zu Anfang springt er über seinen Schatten. „Da kann man nicht mit globalen Sprüchen kommen“, sagt er entschlossen in die Kamera, „das ist ein Desaster.“ Er scheut nicht davor zurück, auch die eigene Bundesregierung in die Verantwortung zu nehmen und stellt Olaf Scholz anschließend, macht klar, dass dieser die notwendige Beschaffung von bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr blockiert.
Bei der darauffolgenden Runde über Klima und Energie sitzt er allerdings in der selbstgestellten Falle. So wirklich oppositionell kann oder will er nicht werden und so beteiligt er sich an einem Streit, der sich eigentlich nicht um die verschiedenen politischen Grundhaltungen dreht, sondern nur darum, wer denn der größte und effektivste „Klimaschützer“ sei. Immerhin stellt er die absolute „Energiewende“ unter den Vorbehalt, dass man „verlässlich in jeder Sekunde“ Strom haben müsse.
Olaf Scholz sieht das schon anders, er schlägt vor, den Strombedarf einfach staatlich festzulegen. Der SPD-Kanzlerkandidat läuft an diesem Abend in schwarzem Anzug mit schwarzer Krawatte auf – mit dem Charme eines Gerichtsvollziehers und dementsprechend sehen auch seine politischen Forderungen aus.
Ganz anders Annalena Baerbock: Ganz in die Farbe der letzten Hoffnung gehüllt, sagt sie: „Wer sich nicht impfen lässt, kann nicht die gleichen Freiheitsrechte haben.“ Derzeit wolle sie zwar keine Impfpflicht, aber man solle auch nichts ausschließen. Ob 3G, 2G oder 0 Grundrechte -– so ganz sicher ist sie sich nicht. Immerhin will keiner der Drei einen neuen Lockdown.
Scholz packt gar nichts an
Baerbock versucht es wirklich: In einem riesigen hellgrünen Doppeldecker-Wahlkampfbus kommt sie vorgefahren, hüpft lächelnd heraus. Bei ihrem Abschlussstatement tritt sie als einzige vor ihr Rednerpult. Sie will es. Aber sie kann nicht. Sie wirkt schrill, aufgesetzt und überdreht, ihre radikalen Forderungen sind trotz allem nur auswendig gelernt. Sie will Inlandsflüge verbieten und ohnehin überall, wo es nur geht, mehr ausgeben, die Steuern erhöhen, dem Land Unglaubliches abverlangen. Olaf Scholz macht es klüger: Zwar fordert er genau die gleiche, radikale Planwirtschaftsagenda, aber er unterschlägt einfach ihre Kosten. Er will radikalen „Klimaschutz“, stabile Renten, sichere Arbeitsplätze und Steuererhöhungen Wer das bezahlen soll? „Die Reichen“. Scholz malt Luftschlösser.
Der SPD-Kanzlerkandidat wurde viel ausgelacht vor einigen Monaten, doch jetzt liegt Scholz in den Umfragen vorne. Warum die Runde überhaupt ein „Triell“ ist, ist kaum mehr zu erklären. Die Grünen liegen in den Umfragen abgeschlagen hinten und bei der letzten Wahl wurden sie schwächste Kraft im Bundestag. Während Baerbock unter zahlreichen Skandalen zusammenbrach und Laschet sich bei der Flutkatastrophe nicht mit Ruhm bekleckerte, baute die SPD die perfekte Inszenierung – blieb aber vor allem einfach still. Die Reihen geschlossen, die unbeliebten Gesichter verschwanden, SPD steht jetzt für „Soziale Politik für Dich“ oder wahlweise „Scholz Pack Das an“. Wir sehen nur noch viel Rot und viel Scholz – allerdings nur auf Wahlplakaten.
Er ist zwischen den Chaoten der Profi, der Staatsmann, so die Erzählung. Aber die Inszenierung ist brüchig: Denn in dieser Runde am Sonntagabend steht kein Staatsmann mit klarem Kompass. Da steht ein gebückter, in sich gekehrter Mann. Sein schiefer, starrer Blick, seine leeren Augen, seine verzerrten Gesichtszüge, seine monotone Stimme: Kein einziges mal wird Scholz an diesem Abend emotional. Kleine Versprecher, über die er unelegant und weiter monoton hinweggeht, offenbaren, dass er nichts von dem, was er gerade sagt, meint, fühlt. Umsetzen kann er es erst recht nicht. Scholz wurde jahrelang in seiner Partei gedemütigt, die Jahre des innerparteilichen Mobbings durch Esken & Co. haben sich ihm ins Gesicht gebrannt. Er redet immerzu von Professionalität, von Stil, von Regieren und Taten. Doch das kann nur schlecht darüber hinwegtäuschen, dass er nicht mal entscheiden kann, welche Farbe der neue Teppich im Willy-Brandt-Haus haben soll.
Scholz wird mehrfach gefragt, ob er eine Koalition mit der Linkspartei ausschließen könne – Laschet hakt immer wieder nach. Scholz scheint es ausschließen zu wollen, doch er darf nicht, dann würde er es sich mit seiner Partei verspielen. Also schwimmt er.
Als es um das Thema innere Sicherheit geht, beklagt Baerbock: „Am unsichersten sind Frauen in den eigenen vier Wänden.” Aufgepasst bei der Partnerwahl. Man denkt hier unfreiwillig an Olaf Scholz bei der Rückkehr in die Parteizentrale.
Er ist nicht viel mehr als die Projektionsfläche einer ziemlich guten PR-Firma, nur ein schön gezimmertes trojanisches Pferd für die sozialistischen Phantasien von Kühnert & Co.. Immerhin: Dass es ihm unangenehm ist, nur Sprechpuppe zu sein, sieht man ihm an. Ob die Kunstfigur bis zur Wahl halten wird, ist allerdings zu bezweifeln.