„Es hätte schlimmer kommen können … für die Demokraten, aber immer noch droht ein Comeback der Trumpisten. America first, das kann allerdings Joe Biden schon ganz gut. Berlin ist verärgert bis entsetzt über 430 Milliarden Dollar Subventionen für US-Firmen und der Bundesfinanzminister warnt vor einem Handelskrieg. Washington wiederum wirft den Deutschen vor, sie zahlten zu wenig für die Ukraine und machten zu gute Geschäfte mit China. Welchen Weg soll Deutschland gehen zwischen Bündnistreue und Eigennutz?“, leitet Illner ihre Sendung ein.
Die letzten Monate hatte der Ukraine-Krieg die Öffentlich-Rechtlichen den USA näher gebracht als je zuvor. Kaum geht es wieder um Wahlen – und dabei ja noch nicht mal die Präsidentschaftswahlen –, sind es wieder die bösen Amis mit ihrem bescheuerten Amiland, das immer zuerst kommen soll. Man wurde beim Rundfunk wohl unsanft daran erinnert, dass die amerikanische Politik nicht nur aus kautzigen Opis und diversen Powerfrauen besteht, denn da gibt es ja noch die bösen Republikaner.
„Amerikas Egoismus – Deutschlands Dilemma?“ – der Titel der Sendung ist Programm. Zeigefinger auf die schlimmen Amis, Deutschland, die guten Demokraten, die unter den Cowboys auf der anderen Seite des großen Meeres leiden müssen. „Amerika hat gewählt und Deutschland macht sich Sorgen“, sagt Illner, bevor sie ihre Gäste vorstellt. Am Start sind Bundesfinanzminister Christian Lindner, SPD-Parteivorsitzender Lars Klingbeil, die „Wirtschaftsweise“ Ulrike Malmendier, die FAZ-Journalistin Helene Bubrowski und der Republikaner Peter Rough.
„Ein Trump mit Hirn“, beschreibt ein Einspieler den Gewinner der Wahl, Ron DeSantis. Der ÖRR versucht sich mal wieder in schmeichelnden Formulierungen. Es hat sie womöglich all ihre Kraft gekostet, ihn nicht als Ratte zu bezeichnen, die man wieder in ihr Loch zurück prügeln muss. Stattdessen lässt man die trumpischen Kandidaten lieber durch die „Wirtschaftsweise“ als Gefahr für die Demokratie beschreiben. Sie schildert grinsend wie ein Honigkuchenpferd ohne Hirn (sowas darf man ja laut ÖRR sagen), dass sie jetzt nachts wieder ein bisschen besser schlafen kann, weil die Republikaner nicht so gut abschneiden wie befürchtet. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, dann habe sie schon „Hoffnung, dass die amerikanische Demokratie gerettet ist“.
Es tut mir leid, ich wiederhole mich, aber ich komme einfach nicht über die Ironie der Situation hinweg, sich von Deutschland aus über die Demokratie der Amerikaner auszulassen. Worauf will sie sich eigentlich in ihrer demokratischen Wertevorstellungen berufen? Das Grundgesetz, das wir ohne die Amerikaner gar nicht hätten? Einen Tag nach dem Gedenktag zur Reichsprogromnacht und dem Mauerfall, sollte man von den Deutschen doch etwas mehr Bescheidenheit erwarten. Aber was rede ich denn, die Amis haben ja schließlich mal einen Präsidenten mit komischen Haaren gewählt.
Es wäre natürlich keine Illner-Sendung mit Auftritt von Christian Lindner, wenn er nicht am laufenden Band in passiv aggressiver Manier plakative Wahlsprüche raushängen lassen würde. „Blick nach vorne, Frau Illner“, ist ein Klassiker, den er gefühlt immer bringt. Ja, auch das habe ich schon oft angesprochen, gerade bei Sendungen mit ihm – aber ich muss es nochmal sagen: Ich hasse es, wenn Politiker sowas abziehen. Sie schaffen es damit, Journalisten, die sich gerade dazu durchgerungen hatten, kritische Nachfragen zu stellen, abzudrängen und den Fokus auf Fragen zu richten, auf die sie eine schöne Antwort wissen.
Die Zukunft ist da ein Evergreen, insbesondere wenn die sehr weit in der Zukunft liegt. Wenn die dann irgendwann eintritt und nicht so rosig ist, wie durch Lindner und Friends versprochen, dann ist sie wieder Vergangenheit und schon geht das Ganze wieder von vorne los. Ja klar, die Schuld liegt natürlich auch bei den Journalisten, die sich mit so einfachen Tricks abdrängen lassen. Dass auch Poltiker einen Selbsterhaltungstrieb haben, kann man ihnen jetzt nicht unbedingt vorhalten. Was ich an diesen Situationen am schlimmsten finde, ist, dass die Politik es geschafft hat, dass dieses pseudointellektuelle Geschwafel auch auf die Zuschauer überspringt. Die übernehmen das, weil es klingt schön, und machen dann den Journalisten Vorwürfe, die eigentlich gerade mal ausnahmsweise auf ihrer Seite waren.
„Lasst uns nach vorne schauen“, kräht Lindner auch später dazwischen, als die FAZ-Journalistin erinnert, dass die deutsche Haltung zu Amerikas Wirtschaft schon unter Obama gestört war. Irgendwie kann ich mich damit vielleicht doch anfreunden – es zerstört nämlich sein Pokerface. Ein super Indikator für Journalisten, dass sie zu ihm durchgedrungen, ihm sogar Angst gemacht haben. Leider gehen die Dreistigkeit der Politik und die Inkompetenz des Journalismus hier wie immer Hand in Hand.
Aber es ist kein Wunder, dass Illner so untypisch vorgehen muss. Peter Rough sieht aus, als könnte er keiner Fliege etwas zu Leide tun, seine Aussagen passen auch gar nicht ins Bild der irren radikalen Republikaner. Wäre Illner hier aggressiv vorgegangen, hätte ihm das Sympathiepunkte eingebracht und nicht welche gekostet.
Was nehmen wir also von dieser Sendung mit? Hoffnung. Lassen Sie mich erklären: Kaum hatte Trump auch nur eine kleine Chance, wieder an Macht zu gelangen, kaum kommen die Republikaner wieder auf, bekommt man es hierzulande mit der Angst zu tun. Aber nicht um die „amerikanische Demokratie“, das ist doch nur vorgeschoben. Nein, sie haben Angst um sich selbst – Eigennutz. Wir neigen dazu, immer zu denken, dass hierzulande alles verloren ist. Wenn man sich anschaut, womit die Regierung und sein Rundfunk auch immer wieder davonkommen, ist das auch kein Wunder. Allerdings ist der plötzliche Antiamerikanismus, wenn mal wieder die „rote Welle” aufkommt, für die deutsche Politelite das, was der Blick nach vorn für Christian Lindner ist: ein eindeutiges Signal von gefühlter Schwäche.
Das sind die Momente, wo sie ihr Pokerface verlieren und zeigen, ob sie gute oder schlechte Karten haben. Dabei kann weder Donald Trump noch irgendein anderer Republikaner doch wirklich was in Deutschland ausrichten. Sie können höchstens für Hoffnung sorgen, dass das auch in Deutschland möglich sein könnte. Und genau das ist das Problem. Diese Strukturen leben von Hoffnungslosigkeit. Wer denkt, es ist doch eh alles verloren, der lässt auch alles so, wie es ist. Wer Hoffnung hat, dass es besser werden könnte, der tut was dafür. Wenn von Illner bis Lindner gleich zwei Branchen von ein bisschen Hoffnung so einen Schrecken eingejagt bekommen, dann sagen Sie mir, ob das nicht nach einem Full House klingt.