Wladimir Wladimirowitsch Putin pflegt seit 15 Jahren das TV-Format „Direkter Draht“, bei dem Bürger dem Präsidenten Fragen stellen dürfen. In diesem Jahr gingen „1,5 Millionen Anrufe, 550.000 SMS und MMS, 27.000 Videobotschaften und 200.000 Briefe, alle mit Fragen an den Präsidenten, ein“, berichtete der Spiegel über das Spektakel, das er „Inszenierung“ nennt. Der deutsche Zuschauer bekam heute eine ähnliche Veranstaltung serviert, die „Wahlarena“ in der ARD.
Hier haben die TV-Macher dem Bürger die Arbeit abgenommen, Fragen einzusenden, stattdessen wurde mit allen technischen Raffinessen eine Gruppe Bürger ausgewählt, die die Moderatoren nicht ohne Stolz als „Deutschland in Klein“ bezeichneten. Was natürlich Quatsch ist. Denn schließlich besteht ein Land nicht nur aus mündigen Bürgern, die gelernt haben gescheite Fragen zu stellen, sondern auch zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus ganzkörper-tätowierten Promis mit Persönlichkeitsstörung, Trunkenbolden und Dementen, frömmelnden Sektierern oder Polit- und Fußballrowdies. Da muss ein verantwortungsvoller Sender aussieben, damit die „Führerin der freien Welt“ nicht plötzlich mit Fragen konfrontiert wird wie: „Ich trinke jeden Abend 5 Flaschen Bier und kann trotzdem schlecht einschlafen. Was gedenken Sie dagegen zu tun?“ Nein, das „Deutschland in Klein“ war das Deutschland, in dem Merkel und Staatsfunk gut und gerne leben. In Klein-Deutschland gibt es keine Wutbürger.
Merkel schelmisch
Gehen wir im Sauseschritt über die Befindlichkeiten in Little Germany: Ein 18-jähriger Bayer fand: „Sie machen das ganz gut. Aber ich müsste ja die CSU wählen. Mit der Obergrenze …“ Da lächelte Merkel schelmisch: „Gucken Sie sich unser gemeinsames Wahlprogramm an. Da steht nichts von Obergrenze.“ Elke aus Lippstadt sorgte sich um Altersarmut. Und dass der, der 37 Jahre gearbeitet hat, am Ende kaum mehr bekommt als die, die überhaupt nicht gearbeitet haben. Da spendete Merkel zunächst Trost: „Den jungen Alleinerziehenden geht es noch schlechter.“ Und versprach, dass alles besser wird. Sarah, 18, aus Haltern hatte sogar Angst, dass, wenn das Rentenalter immer weiter heraufgesetzt wird, sie am Ende gar keine Rente mehr kriegt. Merkel beschwichtigte, die Lebenserwartung ihrer Generation sei deutlich höher, als noch vor dreißig oder vierzig Jahren. Eine Mutter von zwei Kindern, förderungstechnisch leider verheiratet und sogar noch besserverdienend, findet es gemein, dass für sie die Kita sofort teurer wird. Tja, Leistung muss sich nicht unbedingt lohnen. Aber Merkel hat da viel vor. Moderatorin Mikich wusste zu ergänzen, dass es in Düsseldorf für Kita-Kinder gar nichts gibt, in Köln aber ganz viel. Ja, sagte die Kanzlerin, „es gibt Städte, die können es nicht aus eigener Kraft“. Was an dieser Stelle unfreiwillig komisch klang, weil Düsseldorf die reichere Stadt ist.
Merkel nimmt ernst
Krankenpflege-Azubi Alexander gab einen kurzen, verschreckenden Einblick in das große Deutschland und die Situation in Krankenhäusern und Pflegeheimen. „Das bewegt viele“, weiß Merkel, weil sie gerade in einem Hospiz war. Sie habe jetzt 20% mehr im Pflegetopf, die Beiträge werden steigen wie die Pflegestandards, und es sollen Pflegekräfte aus europäischen Ländern aufgenommen werden (nein, die Goldstücke, wie Schulz sie immer nennt, erwähnte sie nicht). Eine junge Frau mit Down-Syndrom forderte, den Schwangerschafts-Spätabbruch zu verbieten. Die Kanzlerin lobte ihren Werdegang, und erinnerte sich, dass in der DDR gar nichts für Behinderte getan wurde. Matthias aus Bad Schwartau beklagte die Umweltbedingungen mit Überdüngung, Massentierhaltung und vermüllten Meeren. „Nehmen Sie das ernst?“ „Natürlich!“
Merkel hart auf hart
Ein integrierter Rechtsanwalt, seit 37 Jahren in HH, fragte: „Wie möchten Sie auf Despoten wie Erdogan einwirken?“ „Flagge zeigen. Nicht beeinflussen lassen.“ Auch Pascal aus Lübeck will wissen, wie das sein kann, dass seine multikulturellen Freunde den Erdogan gut finden? Gut, das kann sie nicht wissen. Stattdessen behauptete sie, dass eine Banklehre mit türkischem Nachnamen schwer zu kriegen sei, und ließ Pascal zu seinen komischen Freunden wissen: „Wenn‘s mal hart auf hart kommt, gehören sie nicht ganz zu uns.“ Den Satz muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Wenn es hart auf hart kommt? Nun neigt unsere Physikerin im Staatsamt ja durchaus dazu, sich zu verplappern, wenn sie sich irgendwo besonders wohl fühlt. Wie zuletzt, als sie bei Brigitte den Abgeordneten die Sondererlaubnis erteilte, bei der Ehe für alle nach ihrem Gewissen abzustimmen. Wir geben zu: Uns ward das Herz im Busen bang.
Merkel spricht mit Hirnforschern
Aber es wurde munter weitergeplappert, mit Ursel aus Niedersachsen, die viel Geld bei der Finanzkrise verlor und wissen wollte: „Warum lassen Sie unsere landwirtschaftlichen Betriebe sterben?“ Will sie nicht, die Merkel, die sogar weiß, dass die Butter 2 € kostet. Dann wurde „das grüne Hemd“ ans Mikro gebeten, das Diesel und Parteispenden kombinierte. Beim Diesel gibt es bald einen „Real Driving Irgendwas“ und die Dax-Unternehmen spenden kaum noch was. Christiane aus Niedersachsen fehlt ein Ende der Tierversuche im CDU-Programm. Sie habe „viel mit Hirnforschern gesprochen“, erzählte Merkel, „aber Sie verstehen da wohl mehr als ich. Geben Sie mir Ihre Adresse.“
„Putin, glaubst du wirklich, dass das Volk dir diesen Zirkus mit inszenierten Fragen abnimmt?“
Über eine besondere Aufenthaltserlaubnis in „Deutschland in Klein“ verfügte wohl ein Herr aus Apolda, der sich vor Überfremdung fürchtete und fragte: „Wenn immer mehr Zuwanderer das Wahlrecht erhalten, wer schützt dann die Demokratie?“ Hier folgte ein Vortrag über die humanitäre Notsituation, die wir bereits alle auswendig mitsingen können. Neu war diese Strophe: „Bei uns herrschen klare Regeln und Gesetze, mit denen kann jeder ein guter Staatsbürger werden.“ (Wer bestückt nur Merkels Pressemappe?) Ansonsten gilt die alte Regel: Bei Merkel rutscht die Wahrheit immer aus Versehen raus. Warum die Syrer zu uns kommen? „Weil die in Syrien gemerkt haben, dass man hier gut leben kann.“ Keine weiteren Fragen. Zuletzt wollen wir noch Tom, „hier aus der Gegend“, hören, der Kampfpilot werden will, aber leider Angst hat vor den Nazis bei der Bundeswehr. Braucht er nicht, so die Kanzlerin, die Ursula von der Laientruppe passt bestimmt gut auf ihn auf.
Schön ist es in Klein-Deutschland zu sein, fast so wie in Groß-Russland. Obwohl die Fragen beim angeblich diktatorischen ‘Nachbarn‘ gelegentlich weitaus ehrlicher sind als in unserer lupenrein demokratischen Heimat: „Putin, glaubst du wirklich, dass das Volk dir diesen Zirkus mit inszenierten Fragen abnimmt?“. So weit sind wir bei der ARD noch lange nicht.