Im alten Rom war eine Arena eine Kampfstätte. Die medial zur Bundestagswahl 2017 fast inflationär inszeniert und mit wachsendem Gähn-Faktor ausgestattete Wahlarena war so etwas nicht. Hier floss gottlob kein Blut, aber ganz so blutleer hätten sie denn doch nicht sein müssen. So wurde am Montagabend aus der jüngsten ARD-Wahlarena mit Merkel-Herausforderer Martin Schulz eher ein Kaffeekränzchen mit ein wenig Schattenboxen. Eigentlich ein „Remake“ der Sendung vor Wochenfrist mit Merkel.
Nun gut, die WDR-Journalistin Sonia Seymour Mikich und NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz hielten sich als Moderatoren sehr zurück. Sie gaben nur die Worterteiler. So ziemlich jeder Schülersprecher wird als Diskussionsleiter einer Klassensprecherversammlung mehr Leben in die Bude bringen. Aber vielleicht hatten Mikich und Cichowicz doch im Hinterkopf, dass es manche ihrer Kollegen zuletzt im missionarischen Eifer etwas übertrieben hatten. Ein bisschen mehr Dampf hätten die beiden freilich schon machen dürfen in einer Wahlarena, vor allem, wenn der „Kandidat“ sich entweder ins sehr Allgemeine oder ins rein Kasuistische verflüchtigte.
Sattelfest oder gar souverän wirkte der Herausforderer selten. Sonst hätte er zwar nicht zu viele, aber doch ein paar knackige Zahlen eingebracht. Aber mit den Zahlen hat er es wohl nicht, allenfalls mal mit der Aussage, dass er als Kanzler für eine zwanzigprozentige Gehaltserhöhung für Pflegekräfte sorgen werde. Das ist ehrenwert, kommt gut an, weil es um die „Würde des Alters“ geht, aber so etwas liegt außerhalb der rechtlichen Befugnisse eines Kanzlers – auch einer Kanzlerin.
So richtig ins Schwanken geriet Martin Schulz mit dem Versuch eines Spagats zwischen Schuldenabbau und Investitionen. Was und wie er Schulden zu tilgen gedenkt, blieb unklar. Außer eben durch niedrige Zinsen und mittels Investitionen in Wachstumsbranchen. Zumindest hier hätten die Moderatoren nachfragen können – in einer Wahlarena – , ob denn das ein Mehr an Schulden bedeute.
Besonders bemüht war Schulz, auf Augenhöhe den persönlichen Draht zu den Fragestellern der Wahlarena zu finden. Einem Fragesteller aus Malente beschied er, dass Malente in Schleswig-Holstein liege und eine Sporthochschule habe. Eine umweltbewusste ÖPNV-nutzende Fragestellerin aus Köln beeindruckte er umwerfend damit, dass er ein paar Kölner Stadtteile nennen konnte.
Das Thema Flüchtlinge, Schutzsuchende, Zugewanderte, Asylbewerber umging man weitestgehend, auch das Thema Kriminalität. Ob das an der Regie oder an den Fragestellern lag, weiß man nicht. Ein bayerischer Mittelständler beklagte, dass von zehn jungen Flüchtlingen, denen er Arbeit angeboten hatte, nur einer blieb. Weil ihm dieses Beispiel, das es übrigens zu Tausenden gibt, nicht sonderlich schmeckte, war Schulz hier schnell wieder ganz Generalist: Integration setze dreierlei voraus: Sprache, Arbeit, Freunde.
Angriffslustiger wurde Schulz nur gelegentlich. Aber es kam nicht schlagend rüber: etwa dass er das Wirken von DITIB kritisch sieht; dass er für die VW-Besitzer die Möglichkeit einer Musterfeststellungsklage haben möchte. „Mitgenommen“ hat er – weil ihm dazu nur das eigene häusliche Beispiel einfiel – das Thema „Lebensmittelverschwendung“.
Vom unbedingten Willen zum Wahlsieg und von Attacke in der Wahlarena aber war wenig zu spüren. Uns so wird die Republik in die Ära Merkel IV hinüberschlummern. Auch dank einer braven SPD!