Tichys Einblick
Ist das „vierte Gewalt“?

„Spiegel“ und „SZ“ nutzen ein von der US-Regierung finanziertes Rechercheportal

Ein Recherche-Netzwerk, das von der US-Regierung Millionen erhält und dessen Unabhängigkeit daher in Frage gestellt werden muss: Ein französisches Online-Portal hat die Verflechtungen des sogenannten OCCRP mit dem US-amerikanischen Staat offengelegt. Auch deutsche Medien sind zum Teil Nutznießer des Netzwerks.

IMAGO, Screenprint Mediapart - Collage: TE

Das französische Online-Portal „Mediapart“ berichtet soeben: Das internationale, angeblich unabhängige, 2008 von Drew Sullivan (*1964) gegründete Recherche-Netzwerk „Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP)“ wird zu erheblichen Teilen von der US-Administration finanziert. Seit seiner Gründung hat das OCCRP mindestens 47 Millionen Dollar von der United States Agency for International Development (USAID; erstmals von dort unterstützt bereits 2008) und dem US-Department of State (US-Außenministerium) bekommen.

Ergänzt wurden die Zuschüsse unter anderem um 1,1 Millionen Dollar aus der EU, 7 Millionen aus Großbritannien, 4 Millionen aus Schweden sowie Resten aus Dänemark, der Schweiz, der Slowakei und Frankreich (dessen Außenministerium letztes Jahr 100.000 Dollar gespendet hat). „mediapart“ zufolge stellten diese Regierungen 70 Prozent des Jahresbudgets der OCCRP im Zeitraum von 2014 bis 2023 bereit, wovon allein auf die USA 52 Prozent entfielen. Im Jahr 2011 schloss die USAID ein zweites Finanzierungsabkommen mit OCCRP ab. Die US-Regierung hat die vom OCCRP erstellten Berichte im Rahmen eines Projekts namens Global Anti-Corruption Consortium (GACC) damit „zu eigenen Waffen“ gemacht („weaponized the reports produced by the OCCRP“), schreibt „mediapart“.

Wörtlich sagt OCCRP von sich: „OCCRP ist eine der weltweit größten Organisationen für investigativen Journalismus mit Hauptsitz in Amsterdam und Mitarbeitern auf sechs Kontinenten. Wir sind eine gemeinnützige Nachrichtenredaktion mit einer Mission, die mit anderen Medien zusammenarbeitet, um Geschichten zu veröffentlichen, die zu realen Aktionen führen. Gleichzeitig hilft unser Zweig für Medienentwicklung investigativen Medien auf der ganzen Welt, erfolgreich zu sein und der Öffentlichkeit zu dienen.“

Mit einem Jahresetat von 20 Million Euro und einem Stab von 200 Leuten betreibt man Investigation. Gelesen wird OCCRP angeblich von monatlich 6 Millionen Leuten. Aufgedeckt wurden bislang The Panama Papers, Pandora Papers, Suisse Secrets, Narco Files, Pegasus Project, Cyprus Confidential usw. Seit 2012 vergibt OCCRP alljährlich auch die Auszeichnung „Person des Jahres“. Damit werden „Personen ausgezeichnet, die weltweit das meiste für die Förderung von organisierter Kriminalität und Korruption getan haben“. Zu den Gekürten gehörten bislang unter anderem Putin, Duterte, Bolsonaro, Lukaschenko und Prigoschin.

Mittendrin: „Spiegel“ und „Süddeutsche“

Alles recht und schön. Auf den ersten Blick überraschen solche Fakten und Daten nicht. Bei näherem Hinsehen aber erfährt man über die „mediapart“-Analyse, welche Medien Nutznießer des OCCRP-Netzwerks sind. Zum Beispiel: The New York Times, The Washington Post, The Guardian, Le Monde. UND: Spiegel sowie Süddeutsche Zeitung. Bis vor kurzem auch der NDR. Letzterer schied aus dem OCCRP-Netzwerk aus.

Interessant auch: Die OCCRP-Kontaktjournalisten wissen zum Teil gar nicht, aus welchen Geldquellen OCCRP gespeist wird. „mediapart“ hat 22 Medienmitglieder oder Partner der OCCRP gefragt, ob sie von der Organisation über das Ausmaß ihrer Verbindungen zur US-Regierung informiert wurden. Mehrere sagten, sie wüssten es nicht, wollten aber nicht zitiert werden, während andere, wie Leute der New York Times, bestätigten, dass sie es nicht wüssten.

„mediapart“ schreibt nun am 2. Dezember unter der Überschrift „The hidden links between a giant of investigative journalism and the US government“:

„Das OCCRP, das größte organisierte Netzwerk investigativer Medien der Welt, verheimlichte das Ausmaß seiner Verbindungen zur US-Regierung, wie diese Recherche enthüllen kann. Washington stellt die Hälfte seines Budgets zur Verfügung, hat ein Vetorecht gegen seine leitenden Mitarbeiter und finanziert Recherchen, die sich auf Russland und Venezuela konzentrieren.“

Äußerst spannend, was „mediapart“, eine Online-Zeitung, die sich selbst als „gauche“, also „links“, charakterisiert, hier zu Tage gefördert hat.

„Vierte Gewalt“ oder doch nicht?

„Spiegel“, „Süddeutsche“ und NDR: Dazu gäbe es viel zu sagen. Vor allem die Frage zu stellen, wie unabhängig diese „renommierten“ Medien sind, die sich gerne als „vierte Gewalt“ gerieren. Hier nur so viel: NDR ist Nutznießer der ÖRR-Zwangsgebühren, er kassiert pro Jahr rund 1,1 Milliarden der 8,6 Milliarden Euro Zwangsgebühren. Diese werden von den 16 Ministerpräsidenten festgelegt. NDR, WDR und Süddeutsche sind zudem in einem „Rechercheverbund“ verkettet. Das wiederum bedeutet, dass die „Süddeutsche“ Nutznießer der mit Zwangsgebühren finanzierten Öffentlich-Rechtlichen und deren Recherchen ist.

Nun ist man auch noch Nutznießer von Geldern der US-Administration, auch wenn man immer wieder auf Anti-Amerikanismus macht. Dazu passt ein – etwas abgewandeltes – Wort des Wiener Schauspielers und Kabarettisten Helmut Qualtinger (1928 – 1986): Manchmal ist der Heiligenschein der Schein der Scheinheiligen. Diese oft genug zutreffende Bosheit kommt einem in den Sinn, wenn die Presse mit Verve ihre Unabhängigkeit als „vierte Gewalt“ beteuert. Oder wenn der „Spiegel“ mehr als 5,4 Millionen Dollar in den vergangenen Jahren von der Bill & Melinda Gates Foundation bekam; nun soll allerdings Schluss sein. Die FAZ-Gruppe ist da anders aufgestellt. Sie pflegt Connections … mit einem Bundesministerium.

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