Der Chef der staatlichen hessischen Filmförderung Hans Joachim Mendig muss etwas Böses getan haben – wenn auch nicht ganz klar ist, was – denn eines Tages beziehungsweise in der vergangenen Woche wurde er angeklagt. Dreihundert sogenannte Filmschaffende und zahlreiche Gutmedien fordern Mendigs Rücktritt, weil er sich vor Wochen privat mit dem AfD-Chef Jörg Meuthen und dem PR-Berater Moritz Hunzinger getroffen hatte. Es hatte sich, wie Mendig sagt, um ein privates Treffen gehandelt. Was die drei beim Kaffee besprochen hatten, ist bis jetzt über das Trio nicht hinaus gedrungen. Lange kümmerte sich auch niemand um das Foto der drei älteren Herren, das Meuthen im Juli auf Instagram gepostet hatte. Es dauerte ein bisschen und bedurfte offenbar etlicher Telefonate und Absprachen, bis das in Gang kam, was der Deutschlandfunk dann „den Skandal um den Chef der hessischen Filmförderung“ nannte.
Der Skandal, das verdeutlicht der Deutschlandfunk für alle, die es bis jetzt immer noch nicht kapiert haben, besteht in der Tatsache des Treffens selbst, völlig unabhängig davon, was die drei besprochen hatten, und ob es dabei überhaupt um Filmförderung ging. Nach Mendigs Aussage nicht, und bisher konnte noch niemand das Gegenteil belegen. Allerdings braucht es aus der Sicht von Meinungsschaffenden, die offenbar fest von einer Übertragung politischer Ansichten durch eine Art Windbestäubung ausgehen, auch keine Belege, die über das Foto hinausgehen. An dieser Stelle sollte vielleicht erwähnt werden, dass Mendig noch nie mit dezidierten politischen Ansichten aufgefallen war; als Redakteur beim Hessischen Rundfunk verantwortete er die Serie „Drei Damen vom Grill“, als Verantwortlicher der Odeon Film die sehr gemächliche Serie „Ein Fall für zwei“. Der hessische Filmförderer steht kurz vor der Pensionierung. Das spielt keine Rolle; offenbar soll er jetzt nicht aus Altersgründen aus dem Amt scheiden, sondern nach dem Willen der vereinten Allianz von Film- und Medienaktivisten verjagt werden.
Es könne zwar jeder selbst entscheiden, wen er treffe, meinte die kulturpolitische Sprecherin der hessischen Grünen Mirjam Schmidt mit einer Großzügigkeit, die sie schon selbst verdächtig macht, um dann allerdings in der „Frankfurter Rundschau“
klarzustellen, dass es so eben doch nicht geht, „zumal wenn eine Person eine Landesinstitution und damit die Demokratie selbst vertritt“.
Der Deutschlandfunk, der selbstredend die Demokratie selbst vertritt, interviewte zu dem Skandal ausführlich die Regisseurin Julia von Heinz. Der Schaden für die Hessische Filmförderung sei groß, meinte von Heinz. Der Deutschlandfunk fasste das Gespräch mit ihr so zusammen: „Es gebe zur Zeit 300 Filmschaffende, die unterzeichnet hätten, dass sie kein Geld mehr von der Hessischen Filmförderung beantragen wollen, solange die Situation ungeklärt sei. Dazu gehörten auch schon begonnene Projekte, für die das Geld schon geflossen sei. Die betroffenen Filmemacher hätten beschlossen, ihre Projekte zunächst ruhen zu lassen.“
Erstaunlich, was ein AfD-Politiker bewirken kann: Alle Filmer stehen still, wenn Meuthens Instagram es will. Möglicherweise treten auch noch alle Filmschaffenden, die in Mendigs Ära Fördergeld bekommen hatten, in einen unbefristeten Streik, oder wechseln gleich den Beruf. Die hessische Filmförderung verfügt jedenfalls schlagartig über eine Menge freier Gelder. Wie wäre es eigentlich mit einem deutschen Remake des Films „The Front“ von 1976, damals mit Woody Allen? Die Geschichte spielt in der McCarthy-Ära, in der etliche amerikanische Regisseure und Schauspieler wegen unamerikanischer, also zu linker Tätigkeit – und in der Regel genügte schon der Verdacht oder ein unbedachter Kaffee mit jemand – faktisches Arbeitsverbot bekamen. In „The Front“ heuern ein paar Betroffene den kleinen Angestellten Howard Prince (Woody Allen) an, damit er als Strohmann ihre Filmskripte verkauft.
Noch einmal: am Fördergeld würde die Neuverfilmung jetzt nicht mehr scheitern.
Es gab in der abgelaufenen Woche noch mehr Skandale im Sperrbezirk. Beim Probeanstich auf der Wiesn machte der Paulaner- und Hacker-Pschorr-Chef Andreas Steinfatt die Erfahrung, dass drei Wirte, die nicht zu seinen Kunden zählen, sein Bier lobten. Wer die speziellen Beziehungen von Brauern und Wirten kennt, der weiß, dass so etwas sehr selten vorkommt. Jedenfalls meinte Steinfatt in der kleinen Runde, das Lob sei ihm „ein innerer Reichsparteitag“. Zwar entschuldigte er sich fast umgehend. Trotzdem gab die Münchner Abendzeitung eine Siegesmeldung heraus, die man sich am besten mit Les-Preludes-Fanfare vorstellen muss: „Nach Steinfatt-Entgleisung – erster Wirt kündigt Paulaner“.
Zumal die AZ noch herausfand, Steinfatt habe auch „flache Witze“ über Fridays-For-Future-Demonstranten gerissen. Da hilft ihm natürlich gar nichts mehr.
Die Medienvertreter mit der klaren Kante, das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden, hatten es aber auch nicht leicht: gerade mussten sie noch erklären, dass selbst ein äußerer Reichsparteitag nicht schlimm ist, solange er der richtigen Sache dient, und dass formale Anklänge an das Dritte Reich nicht leichtfertig vom Kontext gelöst werden sollten. Sondern nur gewissenhaft.
Apropos Medienaktivisten: In München – ausgerechnet! – findet nicht nur das Oktoberfest statt, bei dem es sich bekanntlich um das Äquivalent zu den Kölner Silvesterübergriffen handelt, sondern auch noch eine sogenannte Alternative Klimakonferenz, abgehalten von dem, wie der „Tagesspiegel“ meldet, „selbsternannten ‚Europäischen Institut für Klima und Energie’“. Der ernannte Tagesspiegel-Journalist berichtete, um die Konferenz der „Klimaskeptiker“ gebe es jetzt „Wirbel“.
Um weiter unten aufzulösen, das er zusammen mit anderen rechtschaffenen Kollegen den Wirbel – dem Muster nach ähnlich wie den Mendig-Skandal – selbst angeleiert hatte, indem er bei dem Hotel anrief, das den Kongress beherbergen soll, und von ihm eine Stellungnahme verlangte. Ob man da überhaupt wüsste, wem man da eine Bühne biete? Das NH-Hotel distanzierte sich umgehend. Ob es ihm hilft, wird sich zeigen.
Was gab es in der Woche noch? Die Meldung, dass Jan Böhmermann ins Hauptprogramm des ZDF wechselt.
Zu diesem Anlass gab er dem SPIEGEL ein Interview, in dem auch folgende Passage vorkam: „Man hätte den Nationalsozialismus nicht verhindert, wenn man aufgehört hätte, Hitler einen gefährlichen Nazi zu schimpfen, und ihn stattdessen zu Maischberger oder zum ‚NZZ‘-Interview eingeladen hätte. Damit er mal seine Sicht der Dinge erklärt. So funktioniert das nicht.“
Stattdessen gibt es jetzt das Remake. Böhmermann ist Sophie Scholl mit Stauffenberg-Augenklappe, der sein Köfferchen so auf der Reichstagstreppe so abstellt, dass der Faschismus (in seiner Paraderolle: Herbert Grönemeyer als Gauland aka Hitler II) darüber endgültig zu Fall kommt, worauf das Les-Preludes-Finale in einer modernisierten Variante von KIZ aufbrandet.
Finanziert wird das Ganze von der Hessischen Filmförderung, jedenfalls dann, wenn deren Entnazifizierung vollständig abgeschlossen ist.
Das alles muss ein durchschnittlicher deutscher Medienkonsument alles aufgenommen und verarbeitet haben, um Abscheu & Entsetzen angemessen einstellen zu können angesichts des jungmenschenverachtenden Textes, den der Schriftsteller Norbert Gstrein über den Freund seiner Tochter in der – ja, wo schon – NZZ veröffentlicht hat:
„Er hat einen Aufnahmeantrag bei Greenpeace gestellt, wo ihm beschieden worden ist, dass er zu jung dafür sei, aber dass seinem Wunsch bei frühester Gelegenheit stattgegeben werde, und fliegt dreimal im Jahr nach Amerika zu seinem Vater, der offenbar klug genug gewesen ist, sich dorthin abzusetzen. Er ist hochbegabt, versteht sich, und hat eine Lese-, Rechen- und ein halbes Dutzend anderer Schwächen und natürlich für sie alle und noch für viele andere mehr einen sogenannten Nachteilsausgleich in der Schule, der ihm zum ewigen Vorteil gereichen möge, denn solche Leute braucht das Land.
(…)
Ich weiss nicht, ob ein Bein von ihm zu kurz ist oder das andere zu lang, ich weiss nicht, ob er schielt oder kurz- oder weitsichtig ist oder überhaupt blind, ob er taktile Störungen hat oder in jungen Jahren schon zu Depressionen neigt, was mich nicht wundern würde, aber er hat für alles Atteste, die seine Mutter wahlweise vorlegen kann, um ihm, je nachdem, irgendwo Zutritt zu verschaffen oder woanders seine Abwesenheit zu entschuldigen.
Er ist von frühester Kindheit an darauf trainiert, seine Schwächen als Stärke einzusetzen, und weiss in jeder Situation genau, dass ihm jemand beispringen wird, wenn er nur laut genug schreit, und dass er dann mit seiner Vielzahl von Nachteilen in hundert von hundert Fällen darauf vertrauen kann, dass er schon zu seinem Vorteil kommt.“
Ein Anruferverbund mehrerer bundesdeutscher Medien sollte jetzt den NZZ-Chefredaktor zu einer Stellungnahme auffordern. Über Gstrein wird gesondert entschieden.
Jan Böhmermann teilt übrigens mit, dass er das Blatt in Zukunft auf Twitter blockiert.