Christian Seifert hatte in den vergangenen Wochen und Monaten sehr viel zu tun. Der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) hat mit einem ausgeklügelten und weltweit gelobten Hygiene- und Sicherheitskonzept nicht nur für die Geisterspiele und so für die Fortsetzung der Bundesliga gesorgt, sondern auch für die Ausarbeitung der neuen TV-Rechtepakete, die ab der Saison 2021/2022 für vier Jahre greifen sollen. Die 36 Clubs sind dem umtriebigen Badener dankbar, dass er aktuell für die Coronaspiele vor leeren Rängen gesorgt hat, fordern aber jetzt, dass er ihnen mit einem neuen zehnstelligen Betrag aus den TV-Rechten weiterhin die Berechtigung gibt, in den kommenden Jahren wieder mit vollen Händen das Geld auszugeben, um die Show am Laufen zu halten.
Nach den 4,64 Milliarden Euro für die Spielzeiten 2017/18 bis 2020/2021 wollen sie mit den sieben Live-Rechtepaketen, die angeboten werden, mehr als 5 Milliarden Euro verdienen, und da sind die TV-Rechte aus dem Ausland noch nicht mitgerechnet. Am 22. Juni will Seifert verkünden, welche Medien das Rennen gemacht haben. Doch er hält in Zeiten der Pandemie nichts von neuen Rekordbeträgen und betont, dass das Ende der berühmten Fahnenstange fast erreicht ist und man endlich innehalten solle.
Die Entwicklung der TV-Rechte an der Fußball-Bundesliga:
1965/66 Rechteinhaber ARD/ZDF: 650.000 D-Mark 1977/78 ARD/ZDF: 8 Mio. D-Mark 1988-1992 RTL: 215 Mio. D-Mark 1992-1997 Sat.1/Kirch: 700 Mio. D-Mark und ARD/ZDF: 55 Mio D-Mark 2000-2002 Sat.1/Kirch: 710 Mio. D-Mark, die KirchMedia AG meldet Insolvenz an 2009-2013 Sky/ARD: 1,65 Mrd. Euro 2013-2017 Sky/ARD/ZDF/Sport1/Axel Springer AG: 2,97 Mrd. Euro 2017-2021 Sky/ARD/Eurosport/ZDF/Sport1: 4,64 Mrd. Euro 2021-2025 ??????? |
Ab dem Jahr 2000 führte Premiere die Bundesliga-Konferenz ein. Alle 306 Spiele wurden fortan live übertragen. Die Kosten pro Saison beliefen sich auf 355 Millionen Euro. Nach der Kirch-Pleite zwei Jahre später platzte die Bundesligablase kurz, doch erholte sich wieder. 2003 wurde die ARD zweiter Partner neben Premiere und die alte “Sportschau” feierte ihre Renaissance. 2009 wurde aus Premiere „Sky Deutschland“ und der TV-Rechte-Rekord wurde nochmals gebrochen. Mittlerweile mussten die Medienunternehmen insgesamt 1,65 Milliarden Euro zahlen, um Bundesliga-Fußball zu zeigen. Fast drei Milliarden Euro sind es dann bereits beim Vertrag für die Spielzeiten 2013/14 bis 2016/17 und nun sind es 4,64 Milliarden Euro für den aktuellen Kontrakt bis 2021.
Zum Vergleich: 1965 kostete die gesamte Bundesliga 650.000 D-Mark, heute kostet ein Spiel 2 Millionen Euro. Mittlerweile leisten sich Clubs zwischen 500 und 1.000 Angestellte und die höchsten Spielerlöhne bewegen sich schon weit jenseits der 10-Millionen-Euro-Grenze. Doch die Clubs wollen noch mehr und hoffen darauf, dass Christian Seifert am 22. Juni verkündet, dass noch mehr gegangen ist. Gerade die Coronakrise hat ans Tageslicht gebracht, dass zahlreiche Clubs ohne die horrenden Millionensummen aus dem TV-Vertrag nicht überleben können. Doch welche Medienunternehmen sind heute noch imstande, solche Summen zu bezahlen?
Sky ist der große Favorit, DAZN Außenseiter
Zum einen wird wieder mit Sky Deutschland als Pay-TV-Partner gerechnet. Das Bundesliga-Modell hat sich für den Münchner Bezahlsender zwar nie wirklich gerechnet. Nun ist das Unternehmen vom US-Kabelnetzbetreiber Comcast übernommen worden und dieser wird genau überprüfen, ob er die deutsche Bundesliga zu diesem Preis noch will oder nicht. Sky hat zwar für die Geisterspiele Rekord-Einschaltquoten gemeldet, doch werden diese nicht mehr als Eintagsfliegen sein, wenn die Stadien wieder coronafrei sind. Außerdem stagniert das Interesse an der Bundesliga in der Population seit Jahren, neue Abos werden wohl nicht mehr abgeschlossen werden. Doch der neue Deutschland-Boss Devesh Raj, der aus der Comcast-Zentrale in Philadelphia nach München abkommandiert worden ist, ließ verlauten, dass Sky unverändert zur Bundesliga stehe.
Ein Konkurrent um die Rechte wird DAZN sein. Der Streaming-Dienst hat durch Covid-19 logischerweise mehrere Millionen Abos verloren, hat aber das nötige Kleingeld, um eines der großen Rechtepakete mitzubieten. DAZN gehört zur britischen Perform Group, die dem russischen Milliardär Leonard Blavatnik gehört, der den Sport-Streamingdienst nicht mit nationalen Augen betrachtet, sondern global. So ist die deutsche Bundesliga für ihn eher Peanuts.
ARD und ZDF könnten die Verlierer, Amazon der Gewinner sein
Auch bei ARD und ZDF droht die zweite Reihe. Die aufgerufenen Summen für die Zweitverwertungsrechte für die Dinos “Sportschau” und “Sportstudio” werden teurer werden. Die beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten können die Millionenbeträge nur stemmen, wenn die Rundfunkgebühren dementsprechend erhöht werden. Doch der Unmut in der deutschen Bevölkerung ist jetzt schon groß ob der Gebührenerhöhung. Wenn davon dann noch Millionen ins Bundesliga-Geschäft fließen, ist der Ärger vorprogrammiert. Schon jetzt laufen den beiden öffentlich-rechtlichen Flaggschiffen die Zuschauer davon.
Eine unbekannte Größe im Milliardenpoker Bundesliga ist Amazon. Der Online-Versandhändler hat in den vergangenen Wochen und Monaten nie einen Hehl daraus gemacht, dass angesichts eines Börsenwertes von einer Billion US-Dollar genügend Finanzkraft da ist, um gleich alle TV-Rechte der großen europäischen Ligen zu kaufen. Doch Amazon will Klasse statt Masse und will nur ausgewählte Spiele der englischen Premier League und der UEFA Champions League. Doch eins ist sicher: Mit dem Interesse von Amazon ist der Preiskampf eröffnet. Wenn der Versandriese wirklich will, bekommt er die Rechte auch. Und das genau hoffen die 36 Clubs. Nur mit den Peanuts von Amazon kann die 5-Milliarden-Euro-Schallmauer durchbrochen werden. Dann könnte sich die Spirale weiterhin drehen. Immer höher, schneller, weiter und teurer. Dann wird sich Profifußball weiter von den Fans entfernen und die besonnenen Worte des DFL-Geschäftsführers Christian Seifert, mal Maß zu halten und mit dem zufrieden zu sein, was man hat, werden wieder Schall und Rauch sein.