Tichys Einblick
Wird jetzt mal wieder Politik gemacht?

Bei Anne Will: Trotz Niedersachsen – Kubicki und Göring-Eckardt sagten: Ja, ich will!

Dieses Mal haben alle Gäste dieselben Tropfen bekommen - Baldrian oder Cannabis? – , deren Wirkung erst im Laufe der Sendung nachließ. So saßen Olaf Scholz, Wolfgang Kubicki, Volker Bouffier und, man glaubt es kaum, Katrin Göring-Eckardt zunächst absolut tiefenentspannt bei Anne Will.

Screenshot ARD

Übrigens, nicht mal Scholz dankte den 37% der „Wählerinnen und Wähler“ in Niedersachsen für ihre Stimmen für die SPD. Die anderen hatten nichts zu danken. CDU minus 2,3%, FDP minus 2,6%, Grüne minus 4,8%. Womit Jamaika bereits einen Denkzettel und Warnhinweis an die Stirn gepappt bekam, bevor es diese Koalition überhaupt gibt.

Weil alle so lätschert waren (Scholz sagte was von einem „Erneuerungsprozess der SPD“, Bouffier will sich mit dem Wahlergebnis „auseinandersetzen“), geben wir dem häufigen Talkshowgast und Weltenerklärer Albrecht von Lucke eine Chance. Sie erinnern sich, der Politologe ist sonst ja kaum zu bremsen, aber heute war er auf „normal“ heruntergebeamt.

Signale für Berlin
CDU mit Merkel-Malus in Niedersachsen
Der linke Lucke grämte sich vor allem wegen der SPD und deren Gang in die Opposition im Bund. Das sei ja ein „dadaistischer Zustand“, dass die SPD jetzt schon auf Opposition macht, wo sie selber noch in der Regierung sitzt, und dann auf großartige Gesetzesentwürfe verweist, die in ihren Schubladen lägen, anstatt die in die Tat umzusetzen. Und nicht einmal er, der Linksgläubige, nimmt den Genossen ab, in die Opposition zu gehen, um die AfD in die Schranken zu weisen. „Die SPD hat Panik, unter die 20% zu fallen!“

Wenn Lucke mal in Fahrt ist, dann macht der Zug so schnell nicht halt. Das Problem der Marginalisierung stelle sich genauso für die Grünen, „das wissen Sie doch selber, Frau Göring-Eckardt. Sie müssen sich doch erst mal entscheiden. Was sind wir? Linkes Spektrum oder vielfältige Mitte (Cems Erfindung)?“ Der CDU/CSU bescheinigte Lucke sodann, einen „verheerenden Eindruck“ gemacht zu haben mit ihrem Gespräch unter Schwestern. Wir wissen nicht: Lag es an Lucke, dass die Gruppe aufwachte, oder ließ einfach die Wirkung der Mittelchen nach?

SPIEGEL-Interview
Kubicki will Jamaika um jeden Preis
Kubicki und Göring wollen jedenfalls nicht von Jamaika lassen, auch wenn es die Selbstvernichtung bedeutet. Schließlich, so Katrin, sei eine grüne Regierungsbeteiligung „überlebenswichtig für den Planeten und die Menschheit“. Planet und Menschheit? „Vielleicht“, fügte Kubicki ein wenig fremdschämend hinzu „geht’s auch eine Etage tiefer“. Olaf Scholz brachte sogar einen Kalauer unter: Da sehen wir nun die Parteien für die Besserwisser und die Besserverdiener. Haha. Besserwisserin und Besserverdiener turtelten – unbeeindruckt von Scholz und dem eingespielten Zitat von Kubicki: Göring-Eckardt ist die einzige Frau, die mich innerhalb von 30 Sekunden rasend macht – weiter. Wir erfuhren, dass Katrin „in einem Tanzlehrerhaushalt aufgewachsen“ ist, und dass es eine ganze Menge Frauen gibt, die sich über einen Handkuss des drei Mal verheirateten Wolfgang freuen würden.

Nun haben wir so viele Talkshows auf dem Rezensenten-Buckel, dass die Gedanken beim ewig gleichen Inhalt schon mal abschweifen können. Irgendwann müsste mal die Krawattenfrage geklärt werden. Bei Kubicki und Bouffier haben die Hängeteile anscheinend zugleich Lendenschurzfunktion (wie auch bei Trump), so tief hingen die.

Wendezeit
Österreich: Kurz 1, SPÖ 2, FPÖ 3, Grüne raus
Dann riss uns ein fast eruptiver Publikumsapplaus aus den Gedanken. „Die Nation erträgt einen weiteren namhaften Zuzug nicht mehr. Daran kann man doch nicht vorbeireden“, hatte Bouffier gesagt, weil es jetzt um Familiennachzug ging, der angeblich ein Stolperstein für Jamaika sein könnte. Dieser Satz machte ziemlich klar, worum es geht. Katrin Göring hatte zuvor ihr neues grünes Märchen zum Besten gegeben, dass die „vielen Männer, die hier sind, vor allem Familienväter sind“. Früher waren es vor allem „junge Männer“, davor vor allem „Frauen und Kinder“. Selbst wenn es Pirouetten-Horst demnächst zerreissen sollte – Katrin dreht sich mindestens genauso schnell und unverschämt. Kubicki versuchte uns mit pseudosachlichen Argumenten Sand in die Augen zu streuen. Es kämen nur 70.000 über den „Kernfamiliennachzug“. Und alle, die subsidiären Schutz genössen, müssten bei Kriegsende in die Heimat zurück, inklusive der Nachgezogenen.

Wer‘s glaubt, muss schon Woelki heißen. Anne Will ließ uns gleich mal sehen, wie dann, zum Zeitpunkt X, die Debatten laufen werden: „Ist es nicht zynisch, Leuten auf Zeit zu helfen?“ Zynisch ist das, was Anne Will seit Jahren treibt, aber das zu erkennen, würde voraussetzen, dass sei weiß, was zynisch heißt. Am Ende werfen wir einen kleinen Blick nach nebenan. In Österreich wurden die Spinner weitestgehend abgeräumt. Grüne minus 9 %, Sonstige minus 9 %.

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