Tichys Einblick
Es war einmal

Titel Thesen Temperamente – ttt war einmal streitbar

Früher gab es mal ein öffentlich-rechtliches Fernsehen, zu deren Spitzenkompetenz kritische Polit- und Kulturmagazine und Nachrichtensendungen gehörten.

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Früher gab es einmal eine aufregende Sendung, die hieß ttt und berichtete über Kultur, über Literatur, über Strittiges und war selbst streitbar. Sagen wir es in einem Wort: sie wurde von einem selbstgestellten Propagandaauftrag erstickt. Anstelle von Redakteuren dürfen sich rote und grüne Azubis austoben. Vielleicht hilft ja noch ein reanimierter Altstalinist mit, der abends am Redaktionsfeuer erzählt, wie schön es war, als man am 17. Juni 1953 die Demonstranten in Berlin und in Halle und an vielen anderen Orten in der DDR niedergewalzt hatte – die Konterrevolutionäre und Faschisten, wie es hieß.

Heute Abend will ttt die Frage klären, ob die „Gemeinsame Erklärung 2018“ ein Bürgerbegehren oder ein Manifest der „Neuen Rechten“ ist. Warum eigentlich nicht ein Manifest der Alten Linken? Zur Klärung des konstruierten Sachverhaltes hat ttt jedenfalls vermieden, Fachleute zu befragen. Vielleicht haben auch Fachleute vermieden, sich zu einer so absurden Frage zu äußern, weil sie Fachleute sind?

Zugegeben: Michel Friedman könnte sich erinnern, dass er am 8. März 2016 zusammen mit Regina Ziegler, Volker Schlöndorff und anderen kühn zum Kanzleramt gestapft ist, um Angela Merkel als Anerkennung für die Öffnung der Sozialsysteme rote Rosen zu überreichen, auch daran, dass ein Catering zur Stelle war, um alle Überbringer der Ergebenheitsadresse standesgemäß zu stärken. Aber als Fachmann für Bürgerbegehren oder Neue Rechte ist Friedman bisher nicht in Erscheinung getreten.

Oder die Romanautorin Juli Zeh, die es als „Frau eines Piraten“ in die deutsche Talk-Show geschafft hatte, mit literarischen Leistungen weniger, auch sie kann beim besten Willen nicht als Fachfrau gelten. Obwohl, wenn das Fernsehen ruft, ist Frau Zeh Fachfrau für alles. Auf ihre Gesinnung ist Verlass.

Die anderen Fachleute, die Gehör finden, lohnt es nicht, aufzuführen, bis auf eine österreichische Undercover-Rechercheurin, die keinen Einseitigkeitsnachweis mehr vorbringen muss.

Wer sich also heute Nacht kurz vor der Geisterstunde eine Gruppe von Leuten anhören will, die entsprechend ihres Temperaments, melodramatisch oder intellektuell unterkühlt, die von der Redaktion erwünschte Bestätigung erbringen werden, dass die „Gemeinsame Erklärung 2018“ „Teil eines Angriffs auf unsere liberale Gesellschaft und die Demokratie“ ist, schalte ttt ein.

Moment: Uwe Tellkamp, Vera Lengsfeld, Henryk M. Broder – und die vielen, die unterschrieben haben, „als Teil eines Angriffs“, also als Angreifer und Feinde der liberalen Gesellschaft und der Demokratie? Schaut denn keiner von den ARD-Hierarchen mehr hin, was die Kinder im Nachtprogramm so treiben? Hat ttt inzwischen nicht mehr zu bieten als krude Verschwörungstheorien? In manchem erinnert die „Gemeinsame Erklärung“ an die Anfänge des Neuen Forums, von dem die ttt–„Experten“ von Friedman bis Zeh nichts wissen. In der DDR konnte eine Unterschriftenaktion als demokratisches Mittel als Angriff auf die sozialistische Demokratie gelten.

Früher hätte man bei ttt unterschiedliche Meinungen eingeholt. Oder man hätte eine pro und contra Sendung produziert, meinetwegen mit Harald Welzer und Juli Zeh auf der einen und Uwe Tellkamp und Henryk M. Broder auf der anderen Seite.

Doch heute kann man die Verantwortlichen in der ARD nur noch bitten, sorgsam mit Gebühren umzugehen und die Sendung abzuschalten. Scheintote muss man nicht am Leben erhalten, schon gar nicht, wenn sie nur Gespenster sehen.

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