Die Berichte über das Leben einer Führungskraft im Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) wurden am Ende immer bizarrer: ein fünfstelliger Bonus an Weihnachten zum sechsstelligen Gehalt. Luxusdinner im Privathaus, die als Dienstessen abgerechnet wurden – obwohl es als Staatsgeheimnis galt, wer da tafelte. Für mehr als eine halbe Million Euro ließ sich Patricia Schlesinger ihre Büros renovieren – und draußen vor der Tür stand ein PS-starker Audi als Dienstwagen. Mit Chauffeur. So lebte Patricia Schlesinger als Intendantin eines von Zwangsgebühren finanzierten Senders, dessen Mitarbeiter das Geld so gerne als „Demokratieabgabe“ bezeichnen würden.
Schlesingers feudaler Lebensstil hatte ein Symbol: den Massagesessel. Fürs Chefbüro. Getragen von den Gebührenzahlern. Natürlich. Ein Thron für eine Provinzfürstin. Herrscherin über ein unglaublich reiches Imperium: 8,5 Milliarden Euro aus Zwangsgebühren. Dazu kommen Einnahmen aus Lizenzen und verkaufter Werbung. Das sind zusammen 150 Prozent mehr an Geld, als McDonald’s in ganz Deutschland umsetzt. Trotzdem schreien die öffentlich-rechtlichen Sender nach noch mehr Geld. Feudalismus ging schon immer mit Prunksucht und verprasstem Geld einher.
Dass die Prunksucht der Öffentlich-Rechtlichen sichtbar wird, ist die Ausnahme: das Heer, das auf Parteitagen rumläuft. Oder eben die Berichte aus dem Leben von Patricia Schlesinger, nachdem die Journalisten des Springer-Verlags witterten, dass da eine Geschichte ist, die erzählt werden muss. Sie haben die Umstände am Berliner TV-Hof zuerst aufgedeckt. Daraus könnte eine Lawine entstehen. Denn die unzufriedenen Mitarbeiter der Sender erkennen jetzt, dass der Wahnsinn von Interesse ist, von dem sie alltäglich umgeben sind. Möglich, dass sie sich jetzt mit ihrem Wissen an andere Medien wenden.
Das feudale Selbstbild der Öffentlich-Rechtlichen wirkt sich aber nicht nur auf den Umgang mit Geld aus. Auch und vor allem ist es im Programm zu sehen. Unter dem Euphemismus des „Haltungsjournalismus“ hat die Entourage ein befremdliches Selbstbild entwickelt: Statt als Dienstleister in Sachen Informationen verstehen sie sich als Torwächter für Nachrichten. Sie bewerten, welche Nachricht die Welt so darstellt, wie der Zuschauer sie wahrnehmen soll – und welche wegfallen muss. Deswegen ist der Mord an einer Studentin, der die Nation bewegt, nur eine lokale Nachricht, die von der Tagesschau-Redaktion unterdrückt wird. Oder eine Demonstration mit 100 Teilnehmern eine Topmeldung, weil die Demonstranten in das Weltbild der Redakteure passen. Dahinter steckt die Eigenwahrnehmung, man selber wisse, wie die Welt sein solle, und habe den Auftrag, sie entsprechend umzuformen. Das ist schon nicht mehr feudalistisch – sondern absolutistisch.
Die Haltung des Weltverbesserers erdrückt das Programm. Denn sie greift längst über die politischen Formate hinaus: In der Kochsendung wird vegan gekocht; im Verbrauchermagazin die Vorteile fleischloser Ernährung gepriesen und im Boulevardmagazin darf nur die Sängerin ihren neuen Song vorstellen, die erzählt, sie verzichte jetzt beim Essen auf tierische Produkte. Selbst bis in den Sport verfolgt die Agenda der Öffentlich-Rechtlichen die Zuschauer – eine Agenda, die sich weitgehend mit der Agenda der Grünen deckt.
ARD, ZDF und Co sind massiv intransparent, wenn es um sich selbst geht. Berichten sie über Interna, schlagen sie den Ton an, den sonst ihre Kollegen vom nordkoreanischen Staatsfernsehen treffen. Und trotzdem dringt diese grün-linke Agenda nach draußen. Zum einen, weil sie so stark ist, dass sie sich kaum noch verbergen lässt. 92 Prozent der ARD-Volontäre (Auszubildende) würden Rot-Rot-Grün wählen – eine Konstellation, die deutschlandweit unter Gebührenzahlern keine Mehrheit hat. Über die Hälfte bekennt sich zu den Grünen, wie eine interne Umfrage ergeben hat.
Zum anderen wird die grün-linke Agenda zunehmend deutlicher, weil die öffentlich-rechtlichen Sender sich immer weniger Mühe geben, ihre Parteilichkeit in der Arbeit zu verbergen – immer schön geredet mit dem Schlagwort „Haltungsjournalismus“. Neuerdings ergänzt durch den Begriff der „False Balance“, der falschen Balance. Mit diesem Begriff framen öffentlich-rechtliche Mitarbeiter die Unausgewogenheit zu einer journalistischen Tugend um. Alles getragen von der absolutistischen Hybris, sie wüssten, wie die Dinge zu sein haben und das Gegenteil fair darzustellen, sei nur eine falsche Ausgeglichenheit.
Die AfD ist eine demokratisch gewählte Partei. Alle Versuche, sie verbieten zu lassen, sind bisher im Ansatz erstickt. Sie bildet die fünftgrößte Fraktion im Bundestag. Niemand verlangt von öffentlich-rechtlichen Mitarbeitern, die Partei zu mögen, und sie bietet auch reichlich Anlass für kritische Berichterstattung. Doch die Partei darzustellen, gehört zum öffentlich-rechtlichen Auftrag. Der ist der Grund, aus dem der Staat die Menschen mit Androhung von Knast zu einer Zwangsgebühr nötigt. Nicht das Luxusleben der Intendanten mit astronomischen Gehältern, edel vertäfelten Büros und Massagesesseln als Thronersatz.
Doch in ihrem wichtigsten politischen Format, der Talkshow, ziehen ARD und ZDF einen beinharten Boykott der AfD durch. Noch keine einzige Einladung hat die Partei in diesem Jahr erhalten. Die Linke ist zwei Dutzend mal eingeladen worden. Obwohl sie bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist – und nur durch drei Direktmandate ins Parlament eingezogen ist, wovon zwei aus Berlin stammen. Die Wahl dort wiederum fand unter derart absurden Bedingungen statt, dass sie nach Kriterien eines Rechtsstaates eigentlich wiederholt werden müsste. Ein rot-rot-grüner Sender lädt sich eben bevorzugt rot-rot-grüne Darsteller ein.
Die Menschen laufen ARD und ZDF davon. In Umfragen erreichen die Sender in der Zustimmung sozialistische Ergebnisse. Solange sie die Umfragen selbst bezahlen. Aber 84 Prozent fordern, dass die Zwangsgebühr abgeschafft wird, ergab jetzt eine Umfrage, die von der Bild in Auftrag gegeben wurde. Auch die Quoten zeugen von dem Vertrauensverlust, an dem die Sender leiden: Zwar sind sie noch Marktführer bei allen Zuschauern. Nach Prozenten. Das liegt aber auch an der Schwäche der privaten Konkurrenz.
Der Druck auf die Öffentlich-Rechtlichen nimmt von zwei Seiten zu: von den Zuschauern. In der eigenen Krise lehnen sie es ab, den Thron für TV-Lokalfürstinnen zu finanzieren – und angesichts des miesen Programmangebots bleiben sie schleichend immer öfters fern. Aber der Druck nimmt auch von Seiten der Politik zu, die für ihre Loyalität zum öffentlich-rechtlichen System eine Gegenleistung erwartet.
Dieses Spannungsfeld – seine Ursachen wie seine Wirkungen – stellt TE nun in der Serie „Die Krise der Öffentlich-Rechtlichen“ vor.