Alle Meinungsmaschinen stopp, mit Volldampf Kurs aufs Popcorn-Fernsehen! Wird das der neue Goldstandard bei der ARD? Man wildert unverschämt im kunterbunten Portfolio des Münsteraner Tatort-Duos, in dem gedreht wird, was gefällt und wo weder leibhaftige Kanzlerinnen (Echsenmenschen in der Folge „Propheteus“) noch Tod und Teufel („Limbus“) heilig sind. Scheinbar setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass Krimis und politisches Schulfernsehen einfach nicht zusammenpassen. Weihnachten 2022 machte es der Münchner Tatort mit einem „Mord unter Misteln“ vor, nun zieht der SWR mit einem herzhaften Griff in die Requisitenkiste nach und setzt Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) auf die Spuren eines Indiana Jones (Kauziger Museumsdirektor Dr. Albrecht Dürr, gespielt von Heino Ferch im „Vatermörder“-Stehkragen).
Der Hobby-Ritter und Bankangestellte Boris Wolter (Andreas Haslauer) wird von seiner Mutter Hilde (Karin Hennemann) direkt bei der Mordkommission als vermisst gemeldet. Sein Goldfarbenes (!) Mercedes SL-Cabrio mit Ludwigshafener Kennzeichen finden die Ermittlerinnen schnell, und im Kofferraum ein paar sehr, sehr alte Goldmünzen. Trotz Einsatz der Spürhündin „Freia“ durch eine Diensthundeführerin („DHF“, eben nicht das mittlerweile gebräuchliche „K-9-unit“) kann der Vermisste nicht gefunden werden, wohl aber werden seine Schritte zur Weinhandlung von Susanne Bartholomae zurückverfolgt, die er auch in Banksachen beraten hatte.
Die Kommissarinnen überprüfen eine weitere ziemlich Verdächtige in dem Vermisstenfall (die Zuschauer wissen schon seit Beginn des Films, dass Wolter erschossen wurde): die Verflossene (Melania Wolter, gespielt von Pheline Roggan) des Bankiers hat ein Alkohol – und Aggressionsproblem und haust in einer verwahrlosten Mietwohnung. Die Polizistinnen fühlen da mit: Wenn sie in derselben Lage wäre, so Johanna Stern (Lisa Bitter), mit einem Ex, der alleine 200 qm im Malerviertel in Ludwigshafen bewohnen darf, dann „hätte sie auch schlechte Laune“.
Regisseurin Esther Wenger kann sich eine kleine sozialpolitische Spitze nicht verkneifen, wenn sie im Interview bei der ARD zu ihrem Tatort meint: „»Gold« spielt mit der Habsucht, die im Christentum nicht umsonst als eine der sieben Todsünden beschrieben wird. Gerade heute sehen wir, wohin uns die menschliche Gier gebracht hat. Ist Geiz wirklich geil? Geht es am Ende immer nur um das ICH? Sollten wir nicht lieber lernen zu teilen? Die Gier nach Gold kostet Leben, diese Wahrheit verbindet den Film mit der Sage.“
Emsig stapfen Polizisten, private Schatzsucher und der Wagner-besessene Direktor Dr. Dürr durch die langen Reihen der Rebstöcke, um dem fruchtbaren Pfälzer Boden seine Geheimnisse zu entlocken. Der Leiter des Wormser Nibelungenmuseums wähnt sich wegen der im Besitz des Verschwundenen gefundenen Goldmünzen in Reichweite des sagenhaften Schatzes, den er „zum Wohle der Menschheit“ sichern will. Alle anderen, auch die Hüterin des Gesetzes Stern, macht der Glanz des gelben Metalls einfach nur schwach …
Am Ende war es die Frau mit dem Weingut, Bartholomae, die den Schatz der Nibelungen tatsächlich im eigenen Weinberg entdeckt und ihn dann vor dem räuberischen Zugriff ihres Bankberaters Wolter mittels tödlicher Gewalt bewahrt hat. In allerhöchster Angst vor Entdeckung versucht sie noch, Stern und Odenthal in einer Bretterbude wie auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen, was aber misslingt.
Bemerkenswert, dieses Ludwigshafen: man riecht förmlich den Geruch der alten Bundesrepublik. Da gibt es noch Hallenbäder, in denen man einsam seine Bahnen ziehen kann (Odenthal beim Kraulen), Schulkinder (Töchter von Johanna Stern) werden hier zur Aufführung von Wagner-Opern angehalten. In Ludwigshafen empfängt die Kripo ihre Kundschaft (Mutter von Boris Wolter) auf Ledersesselgarnituren mit schickem Designertischchen. Und im Pfälzer Wald kann man auch als Frau alleine Joggen (Zeugin findet Wolters Finger) gehen, außerdem gibt es dort Mobilfunkempfang (ruft von dort die Polizei an). Doch letztendlich kann auch alles Gold der Welt den Tatort aus Ludwigshafen nicht zum Glänzen bringen.