Hand aufs Herz: Wer kennt – ganz ohne Google – Jan van Aken? Als seine Hauptbeschäftigung gibt Wikipedia „Aktivist“ bei Greenpeace an. Im Bundestag war er auch mal. Aber nur für zwei Wahlperioden und das ist wiederum zwei Wahlperioden her. Trotzdem erlebt van Aken derzeit sein Comeback in einer Parallelwelt – den Talkshows von ARD und ZDF. Jan van Aken war bei Anne Will und bei Hart aber fair. Dort kam ihm eine Rolle zu: Er war dafür, dass Deutschland die Ukraine im Krieg grundsätzlich unterstützt – obwohl er Linker ist. Ein Parteirebell also. Quasi.
Jan van Aken als Parteirebell. Das wäre spannend, wenn die Linken relevant wären, etwa als Regierungspartei. Aber die Realität sieht so aus: Die Oppositions-Partei ist bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Im Parlament sitzt sie nur, weil sie drei Direktmandate gewonnen hat. Zwei davon bei der Wahl in der Stadt Berlin, die unter irregulären Umständen stattgefunden hat, zu deren Aufklärung TE mit eigenen Recherchen maßgeblich beiträgt. Nach der Bundestagswahl wurde es nicht besser für die Linken. Bei den Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen erlebte die Partei Niederlagen, die so vernichtend waren, dass klar wurde: Im Westen ist die Linke tot. In der Realität.
In der Realität haben sich die Deutschen bei der Bundestagswahl deutlich gegen ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis ausgesprochen. In der Talkshow-Welt von ARD und ZDF schaffen sie es laut JF mit zusammen 121 Besuchen auf eine komfortable Mehrheit. Wie überall im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es auch hier eine klare, für jeden sichtbare Schlagseite nach links. Das zeigt sich besonders am Umgang mit der AfD. Für die ARD-Fighter und ZDF-Aktivisten ist das keine Partei, sondern ein politischer Feind. Feind – nicht Gegner. Deswegen kommt die AfD bei den Talkshow-Besuchen auf insgesamt, alles zusammengerechnet, also unterm Strich: auf null.
Der Ukraine-Krieg sorgt für weniger klare Fronten. In dem Punkt berühren sich Realität und Talkshows dann mal. Einerseits konstruiieren die Redaktionen eine klare „Wir gegen die“-Linie. Das lässt sich an der immer wiederkehrenden Frage nach den deutschen Kriegszielen erkennen. Obwohl kein einziger deutscher Soldat am Don steht. Andererseits sind mit dem Krieg viele Tabus gefallen: der grüne Pazifismus, die sozialdemokratische Außen- und Wirtschaftspolitik oder die rot-grüne Energiepolitik. All das lässt sich so nicht mehr halten. Zumindest nicht so einfach.
Das sind Konflikte, die im grün-roten Lager, also in den eigenen Reihen von ARD und ZDF, stattfinden. Folglich sind sie für deren Redakteure von größerem Interesse. Und sie verstehen mehr davon. Deswegen können Talkshows im Komplex rot-grüne Befindlichkeiten in die Tiefe gehen. Während sie bei anderen Themen, etwa der Inflation, nur an der Oberfläche kratzen: Höhere Preise sind doof, die Armen dürfen nicht ärmer werden. Viel tiefer geht es in den Debatten nicht.
Der Göttinger Politologe Andreas Busch sieht darin ein Scheitern der Talkshows. Da es sich um öffentlich-rechtlichen Rundfunk halte, müsse das Thema in den Fernsehräten diskutiert werden.
Sogar der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil nimmt mittlerweile wahr, dass Talkshows nicht in der Lage seien, politische Themen in ihrer Tiefe zu erklären. So trügen sie zu der ohnehin um sich greifenden Politikverdrossenheit bei. Wobei Klingbeil – ganz Politiker – seine eigene Rolle in dem Drama nicht thematisiert. Kein Wunder: Da die Talkshows ausschließlich von Menschen bevölkert werden, die in der politischen Käseglocke leben, ist diese Käseglocke kein Thema – sondern eine still akzeptierte Voraussetzung. Ein Hintergrund, den man kennen muss, wenn man die inszenierte Welt der Talkshows verstehen will. Was allerdings immer weniger wollen. Die absoluten Einschaltquoten sind rückläufig.