Tichys Einblick
Zero-Covid ist Zero Grundrechte

Talk im Hangar-7: „Merkel, Kurz und Mutationen: Brauchen wir eine andere Politik?“

Wer Zero-Covid sagt, muss auch Zero Grundrechte sagen. Und dazu sagte die Mehrheit bei "Talk im Hangar-7" NEIN!

Screenprint Servus TV / Talk im Hangar-7

Es gibt zwei Lager, sagt Michael Fleischhacker, die einen „stürmen den Reichstag“ als Protest gegen die Maßnahmen der Corona-Politik und die anderen fordern noch schärfere Maßnahmen.

Heribert Prantl gefällt „schon die Gegenüberstellung nicht“, denn „dazwischen gibt’s ’ne ganze Menge“. Die einen, „die den Reichstag stürmen, sind Chaoten, und die Kritiker der Maßnahmen haben den Reichstag nicht gestürmt, sie stellen die Maßnahmen in Frage, sie stellen die Geeignetheit, die Erforderlichkeit, die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen in Frage, und bei mir schrillen immer alle Alarmglocken, seitdem ich Journalist bin, wenn ein Politiker, eine Politikerin behauptet, eine Maßnahme wäre alternativlos. Es ist ein Armutszeugnis, alternativlos zu sagen, und auch diese Maßnahmen sind nicht alternativlos. Der Lockdown ist nach meinem Dafürhalten von einer brutalen Phantasielosigkeit, wie’s einer klugen Politik nicht angemessen ist. Wie soll man denn erklären, dass Museen geschlossen sind, wie soll man denn den Leuten erklären, dass Produkte, die in den Einkaufszentren verkauft werden, in den Einzelfachgeschäften nicht verkauft werden? Geh’n Sie durch Berlin, geh’n Sie hier durch Salzburg, schau’n Sie … auf die Zettel, dass die Läden zumachen. Was glauben die …, was hier in einem Dreivierteljahr los ist? Nicht nur in Deutschland und in Österreich, sondern in ganz Europa. Wir werden einen Zusammenbruch von Geschäften erleben, wie wir ihn uns jetzt nicht ausmalen können … Aber, Herr Zeller, wir können nicht Leben dadurch schützen, indem wir das Leben totschlagen, wir schlagen im Moment das gesamte gesellschaftliche Leben tot. Und man soll nicht glauben, dass es auf Knopfdruck wieder auf ist, wen wir dann im August oder September oder Oktober sagen, jetzt ist es vielleicht vorbei …“

Dass Prantl emotional argumentieren kann, wusste ich, aber ich habe ihn noch nie so authentisch erlebt. Er adressiert von sich aus den Richtigen in der Runde, über den in der Sendungsankündigung steht: „Der Salzburger Uni-Professor Christian Zeller ist Mit-Initiator der Zero-Covid-Bewegung und fordert einen europaweit abgestimmten Komplett-Shutdown, denn nur so ließe sich die Pandemie nachhaltig besiegen.“

Prantl fährt fort: „Herr Zeller wird uns dann noch vom solidarischen Shutdown erzählen. Was heißt denn Solidarität in dieser Krise? Was heißt denn Solidarität, wenn diese Maßnahmen die Menschen so verschieden treffen? Jemand der sein Auskommen hat, der Beamter ist, der kann sagen, na gut, fahr‘ ich am Wochenende nicht ins Gebirge. Das sind Dinge, die mir Leute oft schreiben, Prantl, warum haben Sie’s so mit den Grundrechten … dann sage ich ihnen, darum geht’s nicht, es geht um Existenzen, es geht darum, dass Vielen das Wasser bis hierher steht (seine Hand fährt auf seine Augenhöhe), sie wissen nicht mehr, wovon sie in einem Vierteljahr leben sollen. Es geht darum, dass wir einen Teil der jungen Generation abhängen, Lockdown gibt’s an den Schulen schon deshalb nicht, weil er die Kinder, je nachdem, wo sie herkommen, aus welchen Verhältnissen, so verschieden trifft. Da gibt’s ja die Pädagogen, die jetzt schon sagen, die Kinder aus ärmeren Verhältnissen, die zuhause die Möglichkeiten nicht haben, die werden jetzt auf Dauer abgehängt. … das ist, was ich der Kanzlerin wirklich vorwerfe, man umgibt sich mit Expertenrunden, die sagen, was man hören will, wo sind die Pädagogen, wo sind die Soziologen, wo sind die Psychologen, die Kinder-Psychologen …, wo sind die Juristen, die Verfassungsrechtler … die Gesellschaft besteht aus mehr als aus Naturwissenschaftlern …“

Ich springe raus aus dem Fluss dieser Talkrunde im Hangar-7, die geduldig anzuhören und zu schauen ich jedem empfehle, weil sie ein Bild der tiefen Politikkrise ist, in der Westeuropa steckt. Schriftstellerin Cora Stephan, Medienmanager Helmut Thoma und Moderator Michael Fleischhacker einerseits und Jurist und Journalist Prantl andererseits sitzen in der politischen Gesäßgeografie auf anderen Stühlen. Doch im entscheidenden Punkt, dass die Grundrechte gerade in Krisenzeiten nicht zur Disposition stehen dürfen, sind sie ebenso einig, wie bei dem Vorrang, den Pragmatismus haben muss in der unabänderlichen Wahrheit: Die Menschheit muss mit dem Virus leben, Viren „besiegen“ zu wollen, ist Hybris.

Erwähnen will ich, dass Moderator Fleischhacker energisch wie vergeblich versucht, vom Zero-Covid-Aktivisten und Professor für Ökonomische Geografie zu hören, mit welchen Maßnahmen er Null Covid erreichen will. Immerhin lässt sich Zeller entlocken, dass die Rüstungsindustrie und die Autoindustrie ganz geschlossen werden sollen und zumindest die erste auch nicht wieder aufgemacht, der Verkehr auch, aber dann entfleucht er wieder in Allgemeines. In Prantls Gesicht mischen sich Empörung und ungläubiges Staunen ob so eines Ausbundes an Wissenschaftsgläubigkeit und kalter Anmaßung. Cora Stephan sagt Zeller auf den Kopf zu, dass hinter Zero-Covid die bekannten Pläne zum radikalen Umbau der Gesellschaft insgesamt stehen: Zellers Reaktion ist – körpersprachlich noch mehr als verbal – eine halbe Bestätigung.

Da trifft Stephan sich mit Prantls leidenschaftlicher Phillippika gegen die zeitliche Suspendierung von Grundrechten, die schleichend von der Ausnahmesituation zum permanent grundrechtslosen Zustand wird, zur autoritären rechtlosen Blaupause für alles, was zur Krise erklärt wird – nicht zuletzt in der sogenannten Klimakrise.

Ich schließe mit Prantls Feststellung in der Mitte der Debatte an Zeller gerichtet. Wer Zero-Covid sagt, muss auch Zero Grundrechte sagen. Und dazu sage er NEIN!

Anzeige
Die mobile Version verlassen