Tichys Einblick
Medienkritik

Die Zamperoni-Baerbock-Kumpanei

Beim Tagesthemen-Interview mit Baerbock zwingt sich der Verdacht auf, dass die Redaktion Wahlkampfhilfe für eine gescheiterte Grünen-Partei leistet, die einer Regierung angehört, die keine Mehrheit mehr hat. Dass Ingo Zamperoni verbal zubeißen kann, hatte er drei Wochen zuvor im Interview mit Alice Weidel bewiesen.

Screenprint: ARD / Tagesschau

Die Kumpanei zwischen Politik und Medien in Deutschland ist nicht neu. Dennoch verdient das Paradebeispiel, das kürzlich Annalena Baerbock und TV-Moderator Ingo Zamperoni ablieferten, eine besondere Würdigung. Deren Tagesthemen-Interview vom 3. Januar wird in die Geschichte eingehen: Da reist ein Auslaufmodell einer Bundesaußenministerin, die noch 50 Arbeitstage vor sich hat, in das Kriegsgebiet Syrien, wo gerade ein geopolitisches Erdbeben stattgefunden hat und erweckt unwidersprochen den Eindruck, sie hätte in der Region irgendeinen Einfluss. Ein Lehrbeispiel nicht nur für Journalistenschüler, wie sich ein öffentlich-rechtlicher Moderator in Wahlkampfzeiten in den Dienst einer Partei stellt.

Das Spektakel dauert über elf Minuten wertvollster Sendezeit, davon sieben lange Minuten sinnfreies Geschwafel („Syrer kehren nur zurück, wenn ihre Töchter sicher sind“). Auf eine Nachfrage, wieso eigentlich „nur Töchter“, wartet man vergebens. Man wird im Tagesthemen-Archiv lange suchen müssen, bis man eine derartig langanhaltende mediale Handreichung für eine gerade noch amtierende Politikerin finden wird, deren Partei-Umfragewerte knapp zweistellig sind.

Eine Berichterstatterin mokiert sich ausgedehnt über einen verweigerten Händedruck zwischen Gast und Gastgeber im Nahen Osten, ohne zu erwähnen, was jeder auch nur oberflächlich Kundige der Region weiß: In ganz Asien sind körperliche Berührungen als Begrüßung aus klimatischen und kulturellen Gründen auch zwischen Männern weitgehend unüblich.

Die äußerlichen Auffälligkeiten, die nicht angesprochen werden: Der islamistische Gastgeber genügt kleidungsmäßig durchaus jeder internationalen Etikette. Der Gast, der jährlich Hunderttausende an Steuergeldern für Schminke und Mode-Firlefanz ungestraft ausgeben darf, passt mit seiner hautengen Jeans eher in eine Berliner Edeldisco als auf das diplomatische Parkett einer angeblichen EU-Friedensmission in einem muslimischen Land. Was sich die Gastgeber in Damaskus beim Anblick der Noch-Bundesministerin des Äußeren gedacht haben müssen, bleibt unerwähnt. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

Dabei verlangt das Thema nach Ernsthaftigkeit. Den Oppositionsgruppen auf dem syrischen Staatsgebiet ist es nach Vorarbeit Israels und der USA gelungen, eine Massenmörder-Dynastie nach über einem halben Jahrhundert aus dem Land zu jagen. Im Norden steht das türkische Militär kampfbereit gegen die Kurden, vom Süden aus sorgt Israel dafür, dass gefährliche Waffenreste der Assad-Diktatur nicht in falsche Hände geraten. Russlands Truppen werden den lange ersehnten Zugang zu einem warmen Meer sicher nicht kampflos räumen und die USA wollen mit den vorhandenen Soldaten und Geheimdienst-Personal im Nordosten verhindern, dass sich extremistische Islamisten wie ISIS und Al Qaida wieder in Stellung bringen. Nicht zu vergessen: Der Iran – sicherlich geschwächt – hat noch längst nicht das Handtuch geschmissen und auch die anderen muslimischen Nachbarstaaten befinden sich im militärischen Alarmzustand.

Was bitte hat Frau Annalena Baerbock in Begleitung ihres französischen Amtskollegen – zwei am Rande der Zahlungsunfähigkeit befindlichen Länder – in diesem Umfeld zu suchen? Was hat die EU dort anzubieten? Wo sind die Truppen der beiden EU-Politiker, die im Ernstfall wirkungsvoll agieren könnten? Und der Ernstfall ist jetzt. Alles naheliegende Fragen, die nicht einmal ansatzweise angeschnitten werden. Stattdessen wird eine Dramaturgie aufgebaut, die journalistisch längst ausgelutscht ist: Ein Besuch im Assad-Folter-Gefängnis wird als kühne Heldentat zelebriert. Alles bereits seit langem mehrfach gesendet und gesehen. Aber eben nicht von der ambitionierten Grünen-Politikerin.

Hier zwingt sich mangels Inhalte der Verdacht auf, dass die mit Zwangsgebühren finanzierte Redaktion mit auf spannend getrimmte und getextete Bilder Wahlkampfhilfe für eine gescheiterte Grünen-Partei leistet, die einer Regierung angehört, die keine Mehrheit mehr hat.

Dass Ingo Zamperoni verbal zubeißen kann, hat er drei Wochen zuvor (Tagesthemen vom 7. Dezember) im Interview mit Alice Weidel (AfD) bewiesen. Keine Aussage der Kanzler-Kandidatin blieb unwidersprochen. So streitbar wünscht man sich einen Tagesthemen-Moderator. Am Ende entscheidet der Zuschauer, ob die Argumente überzeugend waren und die Schlagfertigkeit ankommt.
Statt journalistischem Biss war bei dem Baerbock-Interview persönliche Bewunderung in Mimik und Sprache entlarvend erkennbar („kaum vier Wochen nach dem Sturz von Assad ist Annalena Baerbock überraschend nach Damaskus gereist“). Für einen Moderator einer öffentlich-rechtlichen Informationssendung mit einem täglichen Millionenpublikum gehört das Anbieten freundlicher Stichworte sicherlich nicht zur Stellenbeschreibung.

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