Orden sind so eine Sache. Manchmal, keine Frage, werden sie den Richtigen an die Brust geheftet: der Lehrerin, die sich in ihrer Freizeit Jahrzehnte für behinderte Kinder eingesetzt hat; oder dem Passanten, der sein eigenes Leben riskierte, um einen Nachbarn aus dem brennenden Haus zu retten.
Oft, allzu oft, sind Orden aber nur eine Bestätigung für besonders systemkonformes Verhalten. Wer lange genug und auffällig genug brav ist, dem überreicht die Obrigkeit dann etwas Glitzerndes. Endgültig pervertiert sind Ordensverleihungen, wenn – wie im vergangenen November – der Bundespräsident (ein Berufspolitiker) an einem einzigen Tag gleich sechs Ministerpräsidenten (allesamt Berufspolitiker) das Bundesverdienstkreuz überreicht. Wofür? Dafür, dass die Ausgezeichneten ihr ganzes Leben lang keinen anderen Job gefunden haben, mit dem sie sich an der Wertschöpfung hätten beteiligen können?
Journalistenpreise sind die Orden der Medienbranche, und für sie gilt dasselbe Gesetz der Degeneration.
Ursprünglich wurden Journalistenpreise an Journalisten vergeben, die sich durch außergewöhnliche Leistungen um ihren Beruf verdient gemacht hatten: durch beharrliche Recherche, durch sprachliche Brillanz, durch intellektuelle Tiefe.
Diese Zeiten sind lange vorbei. Heute sind Journalistenpreise Instrumente der Selbstvergewisserung einer Branche, die den Mächtigen nicht mehr die Stirn bietet, sondern sich ihnen unterworfen hat – und die, schlimmer noch, nicht einfach nur schweigt, sondern sich dazu hergibt, Propaganda zu machen.
Nehmen wir den einst durchaus angesehenen „Stern“-Preis, vormals Nannen-Preis, davor Henri-Nannen-Preis. Irgendwie hat diese Auszeichnung mit jeder der – inhaltlich sämtlich nicht nachvollziehbaren – Namensänderungen ein weiteres Stück ihrer Seele verloren. Heute ist vom publizistischen Geist des ursprünglichen Namensgebers Henri Nannen nichts mehr übrig. Das ist nicht übertrieben, deshalb sollte man es wiederholen: Nichts.
In den frühen Jahren standen auf der Liste der Preisträger Namen wie Peter Scholl-Latour, Joachim Fest oder Harald Martenstein. Von denen käme heute niemand mehr auch nur in die Nähe der Auszeichnung. Wahrscheinlicher wäre, dass man den Preis für einen Text bekäme, in dem Scholl-Latour als Kriegstreiber, Fest als Nazi und Martenstein als Schwurbler dargestellt werden.
Preisträger der vergangenen Jahre waren unter anderem der YouTube-Schlumpf Rezo für sein linkes Machwerk „Die Zerstörung der CDU“ und die TV-Moderatorin Mai-Thi Nguyen-Kim für ihre Impf-Jubel-Show „Corona geht gerade erst los“. Da bleiben keine Fragen mehr offen.
Dass sie sich beim „Stern“-Preis selbst nun wirklich gar nicht mehr spüren, führen sie uns in diesem Jahr eindrucksvoll vor. Denn die Jury entblödet sich nicht, als „Geschichte des Jahres“ ausgerechnet einen völlig zurecht heftig umstrittenen Text der „Süddeutschen Zeitung“ über angebliche Nazi-Flugblätter im Schulranzen des heutigen bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger auszuzeichnen.
Der Beitrag strotzt nur so vor handwerklichen Fehlern und extrem fragwürdigen Ansätzen. Das fängt damit an, dass er von einem Vorgang handelt, der knapp 40 Jahre her ist. In der Schultasche von Aiwanger – damals ein minderjähriger Schüler – waren seinerzeit wohl eine Handvoll Flugblätter mit blöden Nazi-Sprüchen gefunden worden.
Daraus schlussfolgerten die SZ-Autoren messerscharf, aber leider aussagenlogisch falsch, dass Aiwanger der Autor gewesen sein müsse. Diesen Verdacht traten sie breit. Leider bekannte sich wenig später Aiwangers Bruder dazu, als „dummen Schulbubenstreich“ die Flugblätter geschrieben und seinem Bruder in die Tasche gesteckt zu haben.
Auch bei ihrem wichtigsten Informanten haben die SZ-Leute eindeutig nicht genau hingeguckt – ob aus Fahrlässigkeit oder mit Absicht, ist bis heute ungeklärt. Jedenfalls handelte es sich bei dem Mann um einen SPD-Politiker, der früher Lehrer an Aiwangers Schule war.
Und dann war da ja auch noch der Zeitpunkt, zu dem dieses journalistische Anti-Vorbild veröffentlicht wurde: mitten in der heißen Phase des bayerischen Landtagswahlkampfs. Dabei hatte das ominöse Flugblatt schon seit 1989 (!) in einem öffentlich zugänglichen Archiv gelegen und war im Jahr 2018 sogar einem Journalisten gezeigt worden.
All das zusammen brachte der SZ und den Autoren den durchaus nachvollziehbaren Vorwurf ein, dass sie mit dem schwachen Artikel, der auf ganz dünnen Beinchen stand und auch noch miserabel geschrieben war, ganz offenkundig die Wahlen zuungunsten von Umfrage-König Aiwanger beeinflussen wollten.
Die SZ verteidigte zunächst den Text und die, die ihn verbrochen hatten. Doch das ließ sich nicht lange halten. Nach und nach rückte man von dem Artikel ab. Zuletzt hat die Zeitung die gesamte Veröffentlichung intern als Fehler bezeichnet.
Man kann beruhigt ausschließen, dass all das noch nicht bis nach Hamburg, zu den SZ-Brüdern und -Schwestern im Geiste beim „Stern“, vorgedrungen sein könnte. Die wissen das natürlich auch. Und sie machen den unsäglichen Text nicht TROTZDEM zur „Geschichte des Jahres“, sondern DESWEGEN.
Die dominante Gattung im zeitgenössischen deutschen Journalismus, das sind die Jungs und Mädels aus dem Windkanal: glattgekieselte Lautsprecher eines grün-linken Meinungskartells. Unter unfassbarer Missachtung sämtlicher Grundregeln ihres Berufsstands produzieren sie erst Propagandatexte „gegen Rechts“ – und dann überreichen sie sich dafür auch noch gegenseitig Kriegsorden, die sie als Preise tarnen.
Wenn – wie viele sagen – ein unabhängiger, kritischer und furchtloser Journalismus zum Erhalt einer freiheitlichen Demokratie wirklich gebraucht wird, dann sollten wir uns darauf einstellen, dass die freiheitliche Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland recht bald kollabiert.