Was machen, wenn so kurz vor der Bayernwahl in einer Talkshow keine irgendwie involvierten Politiker mehr eingeladen werden sollen bzw. dürfen? Maischberger versucht es mit ein paar bayrischen Originalen oder was immer ihre Redaktion darunter versteht, und weil nun kein bayrischer Journalist aufzutreiben war, wurde Robin Alexander von der Münchner Talklady gebeten. Der kommt offensichtlich gerne, kommt aber aus Essen und wohnt in Berlin. Trotzdem auch ihm ein herzliches „Griaß God beinand“.
Und ob Sie es glauben oder nicht, auch 2018, gefühlt hundert Jahre nach dem letzten gesprochenen Satz, kann es noch möglich werden, dass ein mittelbegabter Stimmenimitator sich im deutschen Fernsehen an Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber abarbeiten darf. Die WELT wird am nächsten Morgen über den ebenfalls geladenen Kabarettisten Urban Priol den Satz schreiben: „Er findet nicht aus seiner Rolle als Bühnenkabarettist heraus.“ Und die Zeitung hat Recht damit. So etwas fiel zuletzt bei Otto Waalkes auf. Und auch bei Priol schlägt das Humorbarometer nie bis ganz oben durch, wenn er an seinen Satzanfängen immer wieder den Strauß probiert, nur damit ihm dann immer wieder der Sprit ausgeht, zu Ende zu führen, was er angefangen hat.
Dann wäre da noch der bayrische Schauspieler Joseph Hannesschläger. Ein gebürtiger Münchner mit sozialdemokratischen Eltern, wie er im Laufe der Sendung erzählen wird, also er selbst auch irgendwie sozialdemokratisch. Hannnesschläger ist im Fernsehen Landwirt und Kommissar bei den Rosenheim-Cops. Bei Maischberger gelingt ihm immerhin eines: so ziemlich jedes Stereotyp des herzlichen aber irgendwie verdrucksten Bayern zu bedienen. Nicht unsympathisch, aber eben auch für viele Norddeutsche Grund genug, mit einem Grinsen in den Freistaat zu schauen, mit einem Grinsen, das bei Bayern nicht gut ankommt, aber dann eben doch Gründe hat – für Norddeutsche.
Später wird noch mit Jörg Schönenborn der Fernsehdirektor des WDR zugeschaltet. Wir erinnern uns, er bezeichnete 2012 einmal die Rundfunkgebühren als „Demokratie-Abgabe“ und hat damit mehr über die Denke der öffentlich-rechtlich Alimentierten verraten, als ihm nachher lieb gewesen sein dürfte. Bei Maischberger soll er als ARD-Wahlexperte in die Glaskugel schauen.
„Mit einem solchen Gesindel werden wir allemal noch fertig werden!“, wird dreißig Jahre nach seinem Tod Franz Josef Strauß eingespielt. Nun ist heute zum „Gesindel“ von links nach Söder und Dobrindt auf der rechten Flanke noch die AfD dazugekommen. Also ein Zweifrontenkrieg für die CSU? Im Verlauf der Sendung werden die Diskutanten herausarbeiten, dass die vermeintlich inhaltlich größere Nähe der CSU zur AfD gar nicht mehr stimmen muss, wenn bei Maischberger die bayrischen Grünen als bewahrende, also als neue konservative Kraft identifiziert werden.
Der Linke Priol sagt dann aber doch noch was Interessantes, wenn er darauf hinweist, das für Bayern immer die CSU für den Erfolg des Landes nach vorne geschoben wird, dabei seien es die fleißigen Leute, die an erster Stelle für den Erfolg des südlichen Bundeslandes verantwortlich seien. „Es sind die Leute, die arbeiten die pendeln, die schaffen.“
Von einem früheren Wiesn-Besuch erinnert sich der Journalist, dass die meisten Gäste doch gerne Bayern sein wollten. Nun gut. Priol muss lachen über die Schuldzuweisung Stoibers an die bayrischen „Binnenmigranten“. Robin Alexander gelingt es, bei den vielen eingestreuten Späßchen Priols keine Miene zu verziehen – ein herausragendes Beispiel für Selbstbeherrschung ist das allerdings auch keines.
„Heute zu sagen, jetzt wollen wir einfach mal etwas anderes probieren, dass kann sehr ins Auge gehen.“, sagt Unternehmer Wöhrl und meint damit das Ende einer komfortablen Mehrheit für die CSU. Nun sollte gerade Wöhrl am besten wissen, dass eben das zum erfolgreichen Unternehmertum gehört: mal etwas anderes probieren. Für die Politik lässt er es hier nicht gelten. Als Unternehmer sieht er keine Alternative zu einer CSU-geführten Regierung. Aber was will er machen, wenn es in wenigen Tagen doch anders kommt? Auswandern? Aber wohin?
Erstaunlich ist dann aber doch, dass trotz solcher und weiterer fundierten Beiträge sich in der Runde der Eindruck durchsetzt, die CSU hätte, als sie die Zuwanderung zum „Monothema“ machte, der Instinkt verlassen, das Ohr noch am Bürger zu haben. „Mieten, Umwelt, Bienesterben“ – das seien doch die Themen, die den Bürger bewegen würden, die CSU hätte sich da verzockt, meint der Kabarettist. Und er meint es tatsächlich einmal Ernst. Aber Robin Alexander weiß es besser.
Er kennt die Bemühungen der CSU mit immer neuen teuren Programmen wie der bayrischen Pendler-Zulage und dem bayrischem Baukindergeld, eben doch diese vermeintlichen Bedürfnisse einzufangen. „aber das hat in den Umfragen nichts gebracht.“
Man müsse doch ehrlich sagen, so der Welt-Journalist, die Flüchtlingsfrage „war Thema in der Gesellschaft.“ und dabei erinnert er an den Bamf-Skandal und an „Morde, an denen Flüchtlinge beteiligt waren.“ Das hätte die CSU durchaus erkannt und sich versucht darauf einzustellen, aber sie konnte, so Alexander, „keine Antwort geben, weil Merkel sie nicht gelassen hat.“
Wöhrl wiederholt noch einmal: Wer ist derjenige, der Bayern auf dem Erfolgskurs halten kann? Nennen Sie mir bitte eine Alternative zu Söder. Ich sehe da weit und breit niemanden.“ Söder sei der „Spatz in der Hand“, der ihm lieber sei, als die „Taube am Dach“. Und er glaubt, dass die Wahl die Wahlforscher doch ziemlich vor den Kopf stoßen wird. Wunschdenken? Der Wahlabend wird es zeigen.
Dann grinst der WDR-Fernsehdirektor sein zugeschaltetes breitestes Grinsen in die Runde. Jörg Schönenborn, der nun Zahlen liefern soll, orakelt nur, die CSU würde wohl bei der Wahl kaum Grund haben, Sekt aufzumachen. Er weiß es einfach nicht genau, seine Stimmungsumfragen werden zu oft als Prognosen missdeutet. Und daran ist seine Zunft nicht ganz unschuldig.
Seiner Erfahrung nach ist noch ein Drittel der bayrischen Wähler unentschlossen. Und weil er es nun Mal nicht genau weiß, aber zugeschaltet bleibt, orakelt er halt. Allerdings wiegt das bei ihm schwerer als bei Anderen, weil er als vermeintlich Wissender zugeschaltet wurde. Auch er also hochgetunt mit dem unvermeidlichen „Experten“-Branding auf der Stirn.
„Das ganze Thema Flüchtlinge war auch ein Symbol, war auch Ausdruck von Unsicherheit und Angst“, sagt Schöneborn und lässt es so ausschauen, als hätte er das nicht vom Wunschzettel der Kanzlerin abgelesen, sondern aus irgendwelchen Befragungen extrahiert. Nun darf man sagen, so etwas ist fast Missbrauch bzw. eine Art Amtsanmaßung des Dauerdeuters von Wahlforschungsergebnissen.
Geben wir das Schlusswort in einer völlig unnötigen bis phasenweise unsinnigen Sendung dem Gast, der allenfalls noch irgendwie rechtfertigen könnte, zu so später Stunde nicht sofort in die Videothek hinübergeschaltet zu haben oder gleich ins Bett zu gehen:
Robin Alexander sagt … nein, er sagt nichts und damit sehr viel, wenn die Kamera wiederholt einfängt, wie er den Kabarettisten Urban Priol mit eiskalter Unherzlichkeit anschaut und so völlig regungslos, als müsse er ein Plädoyer abgeben für den Stummfilm. Ja, wenn Blicke töten könnten. Abneigung als ultimative Waffe.