Tichys Einblick
"Wer hält das Land noch zusammen?"

Söder bei Anne Will: Sag niemals nie

„Hier in diesem Kreis sind wir uns sofort einig“, sagte Giovanni di Lorenzo von der grünen „Zeit“, und damit kann sich auch jeder denken, um wen oder was es wirklich in der Sendung ging – anders als im Programm angekündigt.

Screenprint: ARD/Anne Will

In Thüringen seien „von vielen Seiten viele Fehler gemacht worden”, sprach staatstragend der Söder Markus aus Bayern und zum Hauptthema AfD fiel ihm nur ein: Ächz! Stöhn! Würg! Die aus den Tiefen sozialdemokratischer Subkultur zur neuen Chefin erkorene Saskia Esken dehnte das Thema AfD gleich auf „Rechtsterroristen, die Politiker ermorden wollten“ aus, das hat sie gelesen und wollte das bei der Gelegenheit auch mal sagen.

Annalena Baerbock war in ihrem Redefluss wieder kaum zu bremsen, obwohl es sich beim Thema nicht um ihre Kernkompetenz, das Speichern von Strom im Netz, handelte: Von der „Hausfrau bis zum Klempner“ hätten sich alle gegen die Wahl Kemmerichs zum Ministerpräsidenten erhoben – aber in diesem Segment kennt sie doch niemanden? Die Grünen-Chefin mahnte die Runde und die Fernsehzuschauer „tierisch aufzupassen“, denn der „Dammbruch von Thüringen“ sei nur „durch die Zivilgesellschaft“ gestoppt worden. Also nicht durch Merkel, Lindner und Co. Mit Zivilgesellschaft meinte sie wohl rotrotgrüne Gewerkschafter und Kirchenbrüder, dazugezählt werden müssen auch die roten Rollkommandos, die FDP- und Unionsmitglieder attackierten, sowie Gruppen wie die „RAF-Berlin“, die ankündigte: „Ab sofort muss neben der AfD auch die FDP und CDU verstärkt Ziel unseres entschlossenen Kampfes gegen den Faschismus werden. Immer und überall.“

Mit den Worten, die Zivilgesellschaft habe den Dammbruch gestoppt, „aber ich auch!“ forderte schließlich ebenso Gerhard Baum, FDP, die ihm zustehende Anerkennung ein.

„Sie überblicken ja mit ihren 87 Jahren die ganze Geschichte“, stellte Anne Will ehrfurchtsvoll fest, und Baum dozierte sofort, noch nie sei der Rechtsextremismus „so stark wie heute“ gewesen, nicht mal unter den Nazis, die er noch erlebt habe, und er zitierte einen Goebbels-Spruch von 1928, obwohl Baum Jahrgang 1932 ist. Alles gipfelte in der Feststellung, nun sei eine „Zeitenwende“ und Bodo Ramelow müsse unbedingt gewählt werden.

Giovanni di Lorenzo, der die ZEIT von Helmut Schmidt zu Baerbock & Habeck geleitete, stellt klipp und klar fest: „Das System ist gut und erhaltenswert“, aber es schwang der Gedanke unüberhörbar mit, dass das System ohne Wähler noch schöner und erhaltenswerter wäre, weil Höcke laut Umfragen nichts an Popularität eingebüßt habe. Und Besserung sei nicht in Sicht. Gerhard Baum von den Opas gegen Rechts brach dann auch eine Lanze für „die wunderbare Welt in Deutschland mit der besten Verfassung, die wir je hatten“. Wobei wir im wörtlichen Sinne überhaupt keine Verfassung haben, dafür ein Grundgesetz, in dem übrigens steht, dass auch der Thüringer Abgeordnete nur seinem Gewissen, nicht aber Angela Merkel oder Bodo Ramelow verantwortlich ist.

Und, man glaubt es kaum, tatsächlich konfrontierte Anne Will Saskia Esken mit dem Vorwurf, auch sie habe gefordert, die Thüringer MP-Wahl „rückgängig“ zu machen, obwohl doch freie Mandatsträger gewählt hatten. Selbst di Lorenzo fand diesen Vorgang „nicht richtig demokratisch“.

Esken – in der ganzen Sendung wortkarg wie eine unauffällige schwäbische Hausfrau – versuchte sich mit „auf demokratische Art und Weise“, und „Faschisten“ irgendwie herauszureden – aber wie sagen wir es jetzt charmant? – sie hat das Problem nicht verstanden.

Obwohl sich nun alle über alles irgendwie einig waren, blieb Markus Söder nicht von seiner Vergangenheit verschont. Er habe von Asyltourismus gesprochen, warf ihm Anne Will vor – und auf diese Art mit Ach und Krach die Wahlen gewonnen, schieben wir nach. Aber nun ist er ja geläutert und weiß auch, wie die AfD zu stoppen ist: Strukturschwache Gebiete fördern! „Keine Batteriefabriken nach Münster“, sondern in die Lausitz, Bundesbehörden aus Berlin in den Osten! Söder hat gut reden, weil es in Bayern die Freien Wähler gibt, die ihm das Sitzteil retteten.

Nun bleibt uns nur noch, die Führungsfrage der Union zu klären. Friedrich Merz, dozierte Giovanni di Lorenzo, habe kein prozessuales Geschick bewiesen mit seiner frühen Kandidatur, wobei, da müssen wir ihn korrigieren, Merz sich noch gar nicht gemeldet hat – lediglich zwei Unbekannte ließen sich bislang als Kandidaten registrieren. „Klaus Spahn“ und „Helmut Laschet“ wird Giovanni wohl nicht gemeint haben, das dürfte eher ein Freudscher Versprecher gewesen sein über zwei Kandidaten, mit denen die Union keines ihrer Probleme lösen würde. Und Söder? Der wäre der erste bayerische Kanzlerkandidat und dürfte sich von daher nicht trauen, meinte di Lorenzo. Was wieder doppelt falsch war. FJS war ebenfalls mal Kandidat. Und Edi Stoiber auch.

So war das einzig Interessante der Sendung, wie Söder, Floskel geübt, die K-Frage beantworten würde. Unerwartet offen hielt der eine Aufspaltung der Wahlen – „Vorsitz das eine, Kanzler das andere“ – für die beste Lösung. Der erste Posten ist ihm egal, beim zweiten „geht nichts ohne uns“. Der Kanzlerkandidat müsse ein Programm haben (er glaubt bestimmt, eines zu haben), ein Bruch mit Merkel, („große Kanzlerin“) sei nicht klug. Nachtigall, ick hör dir trappsen!


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