Die Inzidenzen sind niedrig. Wir dürfen das erste Mal im Jahr wieder die schönen Nebensächlichkeiten im Leben genießen, statt nur von der Käsetheke zur Müsliabteilung zu flanieren. Es könnte schon fast Tage geben, an denen man Corona völlig vergisst – wenn da nicht das ZDF intervenieren würde. Denn es wird zwar die ganze Zeit von Entspannung und „Work-Life-Balance“ gesprochen, aber wenn man sich dann mal real etwas gönnen will, muss man das mit Schuldgefühlen begleiten. Mit jeder Zigarette wird dann ausgerechnet, wie viel Lebenszeit einen das jetzt gekostet hat, mit jedem Stück Kuchen muss geplant werden, wie lange man das abtrainieren muss, und auf jedem Urlaub kommt jetzt zum ökologischen Fußabdruck auch noch das Corona-Risiko dazu. Dementsprechend war das Thema der gestrigen Illner-Ausgabe: „Mit dem Virus im Gepäck – wie riskant wird der Sommer?“
Gleich zu Beginn: nein, Karl Lauterbach war nicht schon wieder dabei – der saß nämlich direkt danach bei Lanz und hat darüber gesprochen, wie es ist, wenn man so viel angefeindet wird wie er. Tja, das Leben als Talkshowkönig und gutbezahlter Bundestagsabgeordneter ist eben nicht leicht. Stattdessen ist die Parteikollegin und Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig dabei, um für Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern zu werben. Nachdem sie letzten Sommer ja teilweise nichtmal die Leute mit Zweitwohnsitz in Meck-Pom reingelassen, ja sogar rausgeschmissen hat – was für Studenten, die dort zwar studierten, aber nicht mit Hauptwohnsitz gemeldet waren, besonders verheerend war – vermisst man jetzt unerklärlicher Weise die Touristen, die bereit sind vier Euro für eine Kugel Eis zu bezahlen.
Nicht nur für ihr Bundesland macht sie Werbung, denn bei der SPD scheint man jetzt doch langsam gemerkt zu haben, dass dieses Jahr Wahlen sind und sie im Begriff sind, vollkommen unterzugehen. Deswegen leitet man jetzt gemächlich mal den Wahlkampf ein. Frau Schwesig nutzt dementsprechend die Frage von Illner, wie viele Schulen in ihrem Bundestag ganz konkret mit Belüftungsanlagen ausgestattet sind. Als Illner diese Frage gestellt hat, hat sie für die Antwort nur mit wenigen Sekunden gerechnet – oder so lange wie man eben braucht um „Keine, naja vielleicht drei“ zu sagen. Was sie stattdessen bekommen hat, ist nicht nur die gründliche Erklärung des Wesens der Belüftungssysteme und des Paarungsverhaltens von Kapuzineräffchen, sondern auch, was Tante Gerda von nebenan davon hält. Kurz: Manuela erzählt alles, außer Fakten zu nennen, nach denen sie gefragt wurde. Und das ist doch ein Musterbeispiel für den SPD-Wahlkampf.
FDP-Parteichef Christian Linder ist von dem Vorschlag, Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern zu machen, jedenfalls begeistert. Er erzählt auch gleich stolz, dass er gerade ein Treffen mit englischen Politikern in England abgesagt hat, weil es ja nicht dringend nötig war und man das ja auch virtuell erledigen könnte. Er bittet alle, es ihm gleich zu tun und nicht dringende Reisen, wie Urlaub lieber zu verschieben oder stattdessen innerhalb von Deutschland vorzunehmen. Bis wann man die allerdings verschieben sollte, verrät er leider nicht. Das wäre doch mal eine interessante Info gewesen, schließlich stehen uns ja noch zahlreiche Virusmutanten bevor und jetzt ist die Lage ja mal ausnahmsweise entspannter. Tja, aber mit diesen Fragen und Überlegungen wird der Bürger auch von der FDP alleine gelassen. Illner fragt CL an einer anderen Stelle zu einer Entscheidung der Regierung in der Vergangenheit, woraufhin er sie sofort abschmettert und ausführlich erklärt, dass er nicht gerne in der Vergangenheit hängt, weil die ja eh schon vergangen ist. Es ist doch immer wieder schön zu sehen, dass die FDP noch so gut abgesichert ist, dass sie es scheinbar nicht nötig hat, etwas Wahlkampf zu machen, selbst wenn die Regierungsparteien versagen und die Stunde der Oppositionen geschlagen hat.
Aber immerhin kann man beruhigt sein – wenn es mit der Karriere als Politiker nichts wird, kann Christian L. immer noch tiefsinnige Sprüche für Glückskekse schreiben, so in etwa wie „Die Vergangenheit liegt in der Vergangenheit, denn sie ist vergangen.“
Nun ist es nicht Neues, dass man von Spitzenpolitikern nichts besonderes zu hören bekommt, interessant wird es, wenn die Diskussion auf die Kinderimpfung kommt. Denn da kommt es zwischen der Pharmamanagerin Helga Rübsamen-Schaeff und der Ärztin Lisa Federle zu Reibungen. Frau Rübsamen-Schaeff vereint in ihrer Person – oder zumindest in ihrem gestrigen Auftritt – alle negativen Klischees, die man über die Branche so haben kann. Sie findet es auch überhaupt nicht fraglich, dass Kinder geimpft werden sollten. Schließlich können ja auch Kinder krank werden und sie würden damit ja auch gleich noch die Erwachsenen mit schützen.
Lisa Federle sieht das etwas anders. Sie merkt an, dass man ja erstmal die Erwachsenen impfen sollte, die das wollen oder brauchen. Und zweitens weist sie daraufhin, dass es ja doch ein Risiko gibt, dass ein Kind ja gar nicht eingehen muss. Sie betont, dass die Impfung der Kinder im Grunde nur den Zweck hat, die Erwachsen zu schützen und dass die dann doch bitte selbst geimpft werden sollen.
Die Pharmamanagerin wirft darauf wieder ein, dass ja auch Kinder krank werden können und dass sie ja auch irgendwann erwachsen werden. Das Argument von Lisa Federle, dass Kinder so gut wie gar nicht an Corona sterben, lässt sie nicht gelten. Sie ist der typische Verkäufer, der einem Eskimo einen Kühlschrank verkaufen will, in dem sie ihm einredet, dass es ja auch mal warme Tage geben kann und er ihn ja spätestens bei der Klimaerwärmung brauchen wird. Nur hat ein Kühlschrank nicht die gesundheitlichen Risiken, die die Impfung mit sich bringt. Aber es ist sehr geschickt eingefädelt.
Also was lernen wir aus der gestrigen Illner-Sendung? Erstens: Pharmamanagerin klingt wie Kühlschrankverkäufer und zählt nicht zu den Traumberufen. Und zweitens: Urlaub – wenn es denn sein muss – am besten in Deutschland. Also in dem Sinne: Ab in den nächsten Flieger Richtung Malle, Nizza, Neapel oder Korfu. Hauptsache Mecklenburg-Vorpommern.