Tichys Einblick
Stern-Interview:

Schulze verteidigt die Radwege in Peru

Entwicklungsministerin Svenja Schulze ärgert die negative Berichterstattung über die millionenschwere Förderung von Radwegen in Peru. Ihre Verteidigung gerät allerdings zum Desaster und macht deutlich: eigentlich ist es noch schlimmer, als man vermutet hätte.

IMAGO / Political-Moments

Sie gehört bereits zu den bekanntesten Anekdoten der Ampel-Regierung: Die Förderung von Radwegen in Peru. Deutschland leidet unter klammen Kassen. Nicht, weil nicht genügend da wäre; aber sehr wohl, weil die Wunschprojekte der Regierung so zugenommen haben, dass kaum etwas übrigbleibt. Da kamen auch die Entwicklungsprojekte auf den Prüfstand.

Die berühmten 315 Millionen Euro, die das BMZ für ein Verkehrsprojekt in Peru ausgab, waren der Bundesregierung offenbar so peinlich, dass vonseiten der ÖRR schnell ein Gegennarrativ gefunden werden musste.

Schnell kolportierte der ARD-Faktenfinder, dass diese Zahl nicht stimme. Im Verlauf des Artikels heißt es dann: In Wirklichkeit habe Deutschland mit Peru eine „Klima- und Entwicklungspartnerschaft“ geschlossen. Mit einem Gesamtvolumen von 529 Millionen Euro. Davon entfielen lediglich 199 Millionen Euro auf das umweltschonende Bus- und Radwegsystem. Wir sind erleichtert! Die im Zuge des Projekts geleisteten Kredite werden überdies alle zurückgezahlt. Doppelerleichterung!

Als ob dieses Nachspiel nicht genug gewesen wäre, um die „Radwege in Peru“ zum heimlichen Spitzenstar der Ampel-Memes zu machen, ließ es sich Entwicklungsministerin Svenja Schulze nicht nehmen, im Stern ihre Beweggründe noch einmal offen auszuformulieren. Sie nahm zum ersten Mal konkreten Bezug auf das Radwegprojekt. Dass dieses negativ dargestellt würde, das ärgere sie. Man muss Schulze an dieser Stelle zugutehalten: ehrlich ist sie. Ein waschechter Politiker hätte an der Stelle geschwiegen. Ideologen dagegen führen Schlachten, die vor dem ersten Kanonenschlag als verloren gelten.

„Überall auf der Welt müssen wir Treibhausgase einsparen – das ist in unserem Interesse. Es reicht nicht, Klimaschutz nur in Deutschland zu betreiben“, sagt Schulze dem Magazin. Das ist durchaus nicht unrichtig. Es hilft tatsächlich nicht, wenn nur Deutschland Emissionen einspart, um die Welt zu retten. Warum ausgerechnet in Peru, dessen Emissionen sich wiederum gegenüber Deutschland noch geringer ausnehmen, bleibt ein Rätsel. Außer, man unterstellt einen schon seit Jahren praktizierten grünen Kolonialismus.

Wie das häufig bei ruhmreichen Ideen ist, für die es sich zu darben und aufzuopfern lohnt, ist der Feind nicht fern, der das Werk beeinträchtigen will. Etwa die AfD. Sie wolle die Landwirte in Deutschland gegen die Menschen in Peru auszuspielen. Wegen der Radwege. Dabei sei es sehr wichtig, diese Radwege zu fördern. Denn: Es helfe gar nichts, diese Radwege nicht zu fördern, weil die Peruaner die ersten seien, die die Folgen des Klimawandels zu spüren bekämen.

Das sind beeindruckende logische Kapriolen. Erstens: wieder einmal sind deutsche Landwirte die Naivlinge, die auf rechte Propaganda hereinfallen und sich von der AfD instrumentalisieren lassen. Hätten die gewusst, dass der Fördertopf nicht über 300 Millionen, sondern sogar über 500 Millionen betragen hätte (und damit deutlich mehr, als die Agradieselbesteuerung einbringt), hätte das für französische Zustände ganz ohne AfD gereicht. So ganz nebenbei erfährt man, dass die „Klimapartnerschaft“ noch unter dem CSU-Vorgänger Gerd Müller abgeschlossen wurde.

Zweitens offenbart Schulze magisches Denken. Ähnlich, wie Wärmepumpen dabei helfen sollen, Überflutungen in Italien zu verhindern, sollen Radwege in Peru die Klimakatastrophe in Südamerika abwenden. Das erinnert an das vorchristliche Opfer zur Frühlingsweihe im paganen Europa. Eine tote Jungfrau bringt schon die Felder zum Blühen. In Ermangelung der Jungfrau reicht heute der deutsche Steuerzahler. Wir leben schließlich in zivilisierten Zeiten.

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