Plasbergs „Hart aber Fair“ kommt wieder im Ukraine-Kontext zusammen – doch um das attackierte Land soll es an diesem Abend nicht gehen. Stattdessen wirft die Runde einen Blick nach Russland. „Wie weiterleben mit diesen Nachbarn?“, fragt Frank Plasberg. Ist es wirklich nur „Putins Krieg“ oder auch der des russischen Volkes?
„Ich bin der Meinung, natürlich ist es nicht mehr Putins Krieg sondern es ist Russlands Krieg – leider“, meint Marina Karitzky. Daran habe vor allem die russische Propaganda schuld. Diese sei ein wirksames Instrument, erklärt die Russlandforscherin, die selbst Russin ist. Die Berichterstattung sei zensiert und verzerrt. „Ein Land, das so massiv die Meinungsfreiheit unterdrückt, hat etwas zu verbergen.“ Die ukrainischstämmige Publizistin Marina Weisband will nicht jeden Russen in Mithaftung nehmen – das sei „nicht ihre Position“. In der russischsprachigen Diaspora habe die Situation seit 2014 eine riesige Spaltung entwickelt, zwischen denen, die russischer Propaganda glauben oder nicht glauben. Aber der Krieg lasse kein Urteil über die Russen zu: „Es sagt etwas über uns als Menschen aus“, wenn man sehe, wie Propaganda funktioniere. Baum beschreibt: „Putin verführt das russische Volk mit einem Mythos, der besagt: Ich rette euch.“
Der Geschichtsprofessor Stephan Creuzberger ordnet die Umfragen ein: Russland sei eine Diktatur, wo man keine offenen Antworten mehr erwarten könne. „Wir sollten solche Umfragen nicht zu hoch hängen. Sie sind für mich nicht repräsentativ.“ Gerade auf dem Land und in der älteren Bevölkerung könnte die Zustimmung hoch sein – bei denen, die in der sowjetischen Diktatur sozialisiert wurden. Gerade die Landbevölkerung sehe viel in Putin und seiner Mission, „russische Erde“ zu sammeln.
Dann verlassen wir die Runde – Plasbergs Einspieler ist ein Interview mit dem ehemaligen Moskau-Korrespondenten der ARD, Fritz Pleitgen. Der ist überzeugt: „Ich weiß, dass nicht die Russen den Angriffskrieg erklärt haben. Es ist Putins Krieg.“ Seine Russlandliebe sei ungetrübt, bekennt er. Auch andere Länder seien nicht dagegen gefeilt, Propaganda auf den Leim zu gehen – er verweist ausdrücklich auf Hitler und die Nazizeit – und die russische Propaganda sei besonders effektiv. Plasberg fragt, wie die Russen nach dem Krieg mit ihrer Schuld umgehen können. Wir sollten ihnen gegenüber „klar unseren Standpunkt zum Ausdruck bringen“, sagt Pleitgen. Plasberg bekennt, fast schuldbewusst, dass er im Weihnachtsurlaub immer eine russische Familie treffe. Dürfe er mit der noch reden? Er solle und müsse sogar, entgegnet Pleitgen. „Das ist doch interessant, zu hören, was die zu erzählen haben“. Nur durch Reden könnte man auch Lügen kontern.
Michel Friedman wirft der Politik vor, zu spät gehandelt zu haben. „Der Krieg hat sich nicht verändert. Unsere Betroffenheit hat sich verändert“. Es gäbe nicht wenige, die der Idee einer imperialen russischen Politik anhängen, meint der Publizist: „Hier gibt es einen Kampf zwischen Diktatur und Demokratie als Ideen“. Die Ukraine sei ein „Stellvertreter für alles, was der Westen ist“. Die deutsche Diskussion sei „viel zu zurückhaltend“. Auch Baum meint: „Eine Expansionspolitik war das doch. Und deswegen gibt es mit Putin keinen Frieden, denn er wird das weiter machen.“ Seine großrussischen Ideen würden ihn weiter motivieren. Wieder betont er: „Es wird mit Putin keinen Frieden geben. Wir müssten „entschieden die Demokratie verteidigen.“
Wie es aber mit den Russen und ihrer Schuld aussieht, bleibt nach einer von Plasberg als „nachdenklich“ bezeichneten Runde offen. Russland begeht Verbrechen, darauf müsse man reagieren, sagen die einen. Die Anderen stimmen zu, bedenken aber, dass Russland auch noch mehr ist als Putin. Der Hitler-Vergleich, der immer wieder aufkommt – ob explizit oder implizit – wird am Ende durch Friedman treffend abgeräumt: „Um den Krieg zu verurteilen und einzuordnen, brauchen wir nicht unbedingt wieder Hitler.“