Tichys Einblick
Öder Jahresrückblick bei „Hart aber Fair“

Schlaf, Zuschauer, schlaf! Der Klamroth hüt’ die Schaaf.

„Hart aber Fair“ blickt zurück auf das Jahr 2023. Das kann ja heiter werden. Also kurzer Zuschauer-Check: Hat jeder seine Medikamente genommen? Na gut, dann mal los. Von Michael Plog

Screenprint ARD / Hart aber Fair

Mist, das Melatonin ist alle. Wie soll man da nur in den Schlaf kommen? Aber hey, Glück gehabt! Es ist Montag, und es gibt Hart aber Fair. Diesmal in seiner besten Form. So ermüdend wie ein kleiner Kinnhaken. Die Nachtruhe ist also gesichert.

Auf dem Podium sitzt die Crème de la Crème der seichten Scheindebatte. Wer die Gästeliste sieht, gibt sich keine fünf Minuten bis zum Reich der Träume. Gerade eben noch einen Bungee-Sprung erlebt? Eine ganze Kanne Kaffee auf ex getrunken? Egal, dieses Hart aber Fair ist der ultimative Knockout. Kein Adrenalin, kein Koffein, nichts hat eine Chance gegen diese Gäste, diese Themen, diese Sendung.

Da wäre zum einen der in Ehren ergreiste Gerhart Baum, ehemaliger FDP-Innenminister und stabil in seinen Ansichten stehengeblieben. Die aktuelle Nachrichtenlage scheint seit Jahren spurlos an ihm vorbeizuziehen. Dann Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die graue Lorelei von Rheinmetall, hart wie Kruppstahl und modisch wie Mao. Dass von der 20-Prozent-AfD niemand am Tisch sitzt und dafür die kurz vor dem Exodus stehende FDP gleich zwei Figuren in die Sendung schicken darf – ist es nötig, das überhaupt noch zu erwähnen? Böse Zungen munkeln, Klamroth und Konsorten seien von der AfD gekauft. Seine penetrante Ignoranz bringe der Partei mit jeder Sendung, mit jeder Nicht-Einladung weitere Sympathiepunkte. Interessante These.

Ebenfalls am Tisch: Carlo Masala, bekannt dafür, dass er als sogenannter „Sicherheitsexperte“ mit all seinen Einschätzungen immer, aber auch wirklich immer sauber neben der Spur liegt. Aktuell ist er optimistisch, dass die Ukraine „Mitte/Ende 2024“ (!) neue Angriffe gegen Russland starten könnte. „Masala“ kommt angeblich aus dem Indischen und heißt auf Deutsch so viel wie „Schwätzer des Maharadschas“. Nur ein Gerücht.

Es ist ein Rudel Pseudo-Experten, die in ihrer jahrelangen Talkshow-Karriere eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben, dass sie so ziemlich immer irren. Aber sie sagen, was der ÖRR hören will. Deshalb passen sie stets so gut ins Sendeschema. Sei es Corona, seien es die Impfnebenwirkungen, seien es die „Siegchancen“ der ukrainischen Armee gegen Russland.

Was sie diesmal sagen? Oh bitte, es ist so ermüdend! Aber die Chronistenpflicht will es, also: Masala sieht im 7. Oktober, als die Hamas ihren Terror-Angriff auf Israel startete, ein „katastrophales Versagen der Sicherheitsdienste“. Dass Israel offenbar schon vor einem Jahr von dem Angriff wusste, wie jüngst die New York Times berichtete – nie gehört.

Strack-Zimmermann sagt, Israel habe die Brutalität der Hamas „komplett unterschätzt“. Aha. Sie schildert außerdem erschreckend emotionslos und detailreich, was die Terroristen schwangeren Frauen und ihren Babys antaten. Will ernsthaft jemand wissen, wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann persönlich den 7. Oktober erlebt hat? Klamroth will. Sie erzählt. Der Zuschauer erlebt einen Melatonin-Overkill.

Dazu passt der schläfrige Markus vom ehemaligen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Markus Feldenkirchen wirkt heute noch etwas schlaffer als sonst. „Ich will auch die Hamas ausschalten“, sagt er mit leidlicher Inbrunst. Wenn man ihm so in die müden Augen schaut, möchte man rufen: Lass es sein, Markus! Bleib auf Deinem Polsterstuhl.

Beim Thema Ukraine bringt ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf ungestraft den Gedanken an eine mögliche Niederlage aufs Tapet. Huch! Rund anderthalb Jahre zu spät, aber immerhin. Auch die zusammenbrechende Unterstützung aus dem Ausland wird kurz debattiert. Im weiteren Verlauf darf dann jeder der Gäste mal die böse Putin-Vodoo-Puppe halten, und die anderen schwingen ihre Schaschlikspieße. En garde! Wackere Scheinriesen des medialen Diskurses: Meister des Holz-Floretts, für Zuschauer mit Sub-Hunderter-IQ-Logik.

Und leise, ganz leise tickt der Gebührenzähler. 17.000 Euro bekommt allein Louis Klamroth auch dieses Mal wieder für die müde Stunde Arbeitsverweigerung.

Welch ein elender Jahresrückblick. Themen, die die Menschen wirklich bewegen – seien es die explodierenden Lebenshaltungskosten, die explodierende Übersterblichkeit oder die explodierende Migration – werden sauber umschifft. Dabei gäbe so viele spannende Themen. Man könnte mit Meister Proper die neuesten Entwicklungen in Bad und WC klären. Oder mal mit den Zeugen Jehovas über Gott sprechen. Alles wäre spannender als ein Jahresrückblick mit diesen Königen des Knapp daneben.

Doch die Sendung selbst empfindet sich selbstverständlich komplett am Puls der Zeit. Dafür werden die passenden Zuschauerreaktionen aus dem Hut gezaubert. Ein paar Beispiele aus Brigitte Büschers Straßenumfrage: „Wir haben ja die Corona-Krise gut überstanden.“ – „Habe Angst, dass die Welt aus den Fugen gerät.“ – „Mir geht’s gut, worüber soll ich mir Sorgen machen.“ – „Ich hab’ ’ne anständige Rente.“ – „Wünsche mir, dass es Rassismus nicht mehr gibt.“

Was sonst noch auffällt: Strack-Zimmermann steht erkennbar unter Strom. Ihre Gesichtskirmes wird immer extremer. Das kann einen empathischen Zuschauer schon um den Nachtschlaf bringen. Liegt es an den vielen Abmahnungen, die sie täglich rausschickt? Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel hat einmal nachgerechnet und Grund zu der Annahme, dass die Rüstungs-Lobbyistin monatlich noch mehr Geld durch Abmahnungen wegen angeblicher Beleidigung verdient als durch ihr üppiges Salär als Bundestagsabgeordnete. Es seien viele hundert Abmahnungen. Zu je 1.000 Euro.

Weitere schöne Zitate der Sendung, die wir in aller Kürze für die Nachwelt erhalten müssen:

* Gerhart Baum: „Die Ukraine verteidigt unsere Freiheit“.

* Katrin Eigendorf: „Irgendwie ist ja Krieg etwas, was keiner von uns anstrebt“.
„Deutschland spielt eine Vorreiterrolle in der Welt“.

* Markus Feldenkirchen über die Ampelregierung: „Was diese sehr unterschiedlichen Partner zusammengehalten hat, war erschummeltes Geld.“ Und zur missglückten Umgehung der Schuldenbremse: „Er (Scholz oder Lindner, nicht ganz klar) hat quasi auf diese Mogelpackung sein ganzen Gespaltungs- äh, Gestaltungsdings gesetzt.“

Den wichtigsten Satz aber stöhnt Gerhart Baum ganz leise aus dem Off, als es um das Thema Neuwahlen geht: „Um Gottes Willen!“

Und alle, alle wissen ganz genau, warum …

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